Protokoll der Sitzung vom 26.10.2011

Schließlich ist die Frage: Wie ist es, wenn Sie sich das nicht oder nur teilweise vorstellen können? Können Sie sich auch vorstellen, dass dann die OEW die Mehrheit, also ein größe res Aktienpaket als das Land Baden-Württemberg, überneh men?

All das sind Fragen, auf die die Bürgerinnen und Bürger im Land Baden-Württemberg und die Mitarbeiter der EnBW Ant worten verdienen. Bitte, Herr Ministerpräsident, geben Sie diese Antworten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abg. Nemeth das Wort.

Herr Präsident Wolf, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte findet in einer zugegebenermaßen schwierigen Situation statt. Derzeit steht in jeder Zeitung, die ich aufschlage, etwas über die EnBW.

Wir reden hier in einer besonderen Verantwortung des Lan des. Wir reden nämlich über 20 000 Mitarbeiter. Wir reden über 5 Milliarden €, die das Land in die Eigentümerschaft in vestiert hat. Wir reden auch über ein Unternehmen, das für die Energiewende in Baden-Württemberg und Deutschland uner setzlich ist.

Wir haben für die Energiewende nicht ewig Zeit. Im Grunde haben wir gerade einmal zehn Jahre Zeit, um die Energiewen de zu gestalten. Da ist jeder Tag wichtig. Deswegen verstehe ich auch nicht – das muss ich gleich am Anfang sagen –, wes halb sich die Landesregierung mit dieser Debatte über die neue Strategie so viel Zeit lässt.

(Zurufe von den Grünen)

Alle, die im Auftrag der Landesregierung im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzen, sagen – allen voran Herr Minister Schmid; er sagt dies schon seit Wochen und Monaten –, die ses Unternehmen hätte keine Strategie. Das ist übrigens ziem lich der übelste Vorwurf, den man einem Unternehmen in die ser Größe machen kann. Ich glaube eher, die Landesregierung hat keine Strategie bei der EnBW.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, die Strategie im Bereich der Pro duktion, also im Kerngeschäft der EnBW, ist schon immer völlig klar. Ich kann sie Ihnen auch erklären.

(Minister Dr. Nils Schmid: Wow! Jetzt aber!)

Die EnBW will und muss – das ist auch von der Politik vor gegeben – aus der Kernenergie und den fossilen Energien aus steigen. Wer aussteigt, muss auch einsteigen. Deswegen in vestiert die EnBW in große Projekte für erneuerbare Energi en. Sie waren doch alle dabei. Sie waren beim Wasserkraft werk dabei, Sie waren bei Baltic 1 dabei. Das sind riesige In vestitionen.

Die EnBW sagt, sie brauche 5 Milliarden €, um die Energie wende kraftvoll zu gestalten. Wir, das Parlament, haben doch einen Konsens über den Auftrag, diesen Umstieg so zu orga nisieren. Dazu brauchen wir die EnBW. Und was machen Sie? Seit Monaten lassen Sie die EnBW am langen Arm verhun gern. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich muss Ihnen sagen: Es ist schon bemerkenswert, dass 500 Kreisräte in zwei Stunden die EnBW-Strategie verstehen, ak zeptieren und bereit sind, 400 bis 600 Millionen € für die Ka pitalerhöhung bereitzustellen. Es ist auch bemerkenswert, dass Anleger am Kapitalmarkt, die nur Kapitalinteressen haben – keine Landesinteressen, keine ökologischen Interessen, keine Interessen an der Energiewende –, bereit sind, 750 Millionen €

zu investieren. Aber das Land sagt gar nichts zur Kapitaler höhung. Es traut offensichtlich dem eigenen Unternehmen nicht. Sie reden mit dieser Diskussion den Wertverlust ein Stück weit herbei. Das ist nicht gut für das Unternehmen, und es ist auch nicht gut für die Mitarbeiter.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir, die CDU-Fraktion, möchten an dieser Stelle das jahre lange Engagement und das Vertrauen loben, das die OEW in den letzten Wochen und Monaten in dieses Unternehmen ge setzt haben. Die OEW sind auch dann an Bord, wenn die Luft einmal ein bisschen dünner wird. Sie nehmen die Verantwor tung als Eigner gegenüber den Mitarbeitern wahr, und sie neh men den Auftrag, die Energiewende anzugehen – wofür wir die EnBW doch wollen –, ernst und setzen ihn um. Herr Mi nister Schmid, davon könnten Sie sich einmal eine Scheibe abschneiden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Minister Dr. Nils Schmid: Einfach nur Geld hineinschießen?)

Die EnBW hat im Grunde doch ein klares Programm, das öf fentlich bekannt ist. Erstens sollen durch die Einsparprogram me – Stichwort FOKUS – 250 Millionen € bei den Mitarbei tern und zusätzlich 500 Millionen € im Betriebsbereich ge spart werden. Zweitens geht es um den Verkauf der Unterneh mensanteile. Drittens geht es um die Akquirierung von neu em Kapital über die Hybridfinanzierung – ein schöner und moderner Begriff. Es ist ja sehr populär, über Hybrid zu re den; das wissen wir Energiepolitiker. Im Grunde ist es ein bisschen eine „wilde Ehe“, aber auf jeden Fall ist es gutes Geld, das die EnBW auch brauchen kann.

Viertens – da sind Sie jetzt gefragt – geht es um die Kapital erhöhung durch die Anteilseigner. Dazu hat doch der Vorstand ganz klar gesagt: Wir brauchen das Geld, um unser Rating am Kapitalmarkt zu halten. Wenn wir es nicht halten, wenn Sie, die Landesregierung, kein Vertrauen in das Unternehmen ha ben, dann bedeutet das einen Zinsverlust von einem Prozent punkt. Das wären umgerechnet 50 bis 70 Millionen €, die die EnBW mehr an Schuldenlast pro Jahr hätte, nur weil das Land nicht Ja zu dieser Kapitalerhöhung sagt. Das ist finanzpoli tisch, energiepolitisch und übrigens auch wirtschaftspolitisch ein Treppenwitz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen Walter GRÜNE)

Da muss ich schon einmal fragen: Warum ist das so? Warum sagen alle Beteiligten Ja – sogar diejenigen, die nur an der Verzinsung ihres Geldes am Kapitalmarkt interessiert sind –, warum steigen alle ein, nur das Land nicht? Da muss es doch offensichtlich andere Motive geben. Ich glaube, die EnBW ist einfach bei Ihren Wählern und auch bei den Leuten in Ihrer Partei ein ungeliebtes Kind.

(Zuruf von den Grünen)

Sie wollen sie nicht haben; sie sehen noch immer ein bisschen das Atomunternehmen im Hintergrund. Deswegen setzen Sie die Interessen Ihrer Partei vor die Interessen des Landes, und das ist schlecht.

(Beifall bei der CDU – Oh-Rufe von den Grünen – Zuruf: Warum habt ihr die EnBW dann überhaupt ge kauft?)

Die CDU-Landtagsfraktion will eine starke EnBW, und zwar aus drei Gründen: Erstens tragen wir als Miteigentümer Ver antwortung für die 20 000 Mitarbeiter und deren Familien.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: 41,50 €!)

Zweitens brauchen wir die EnBW für die Energiewende.

(Zuruf der Abg. Rita Haller-Haid SPD)

Das geht nicht allein, und es geht auch nicht lediglich mit den Stadtwerken. Die Stadtwerke sind wichtig. Sie sind ein ganz wichtiger Baustein. Aber wir in Baden-Württemberg haben auch die Chance, mit diesem großen Konzern die Energiewen de kraftvoll voranzubringen. Dies ist gerade bei großen Pro jekten von Vorteil; die EnBW hat dies mit Baltic 1 bereits be wiesen.

Dabei ist nun ein weiterer Baustein erforderlich: Auf die Lan desregierung kommt eine weitere Aufgabe zu – die sie aller dings nicht wahrnimmt; zumindest ist dies nicht wahrnehm bar –, nämlich die, die Zusammenarbeit zwischen der EnBW und den Stadtwerken zu moderieren. Auch hier ist von der Landesregierung – hier wären Sie natürlich als Mittler gefor dert – nichts zu sehen. Wir fordern gerade für den Bereich Netze ein stärkeres Engagement der Landesregierung, um die Stärken der EnBW mit den Stärken der Stadtwerke vor Ort bei den Netzen und bei Projekten der Kraft-Wärme-Kopplung voranzubringen.

Hier wäre die Landesregierung auch gefordert. Aber leider ist von einem Engagement nichts zu sehen. Deswegen müssen wir Ihre Haltung, Ihre Politik in den letzten Wochen und Mo naten ein Stück weit rügen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Rügen?)

Für die Fraktion GRÜNE spricht nun Frau Kollegin Sitzmann.

Herr Präsident, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war jetzt ein starker Auftritt von Herrn Nemeth.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Paul Nemeth CDU: Danke, danke!)

Ich bin bass erstaunt, wie sehr Sie sich hier ins Zeug gelegt haben. Es ist wirklich mutig, wenn Sie sich hier hinstellen und der neuen, grün-roten Landesregierung vorwerfen, sie würde im Interesse der Partei und nicht im Interesse des Landes han deln –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So wie bei S 21!)

angesichts dessen, dass wir doch gerade in den vergangenen Tagen wieder überall vom EnBW-Deal des ehemaligen Mi nisterpräsidenten Stefan Mappus lesen konnten, und ange

sichts dessen, dass wir heute mehr denn je wissen, dass es da bei in keiner Weise um das Interesse des Landes ging.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ha no!)

Das Interesse bestand einzig und allein darin, sich vor der Landtagswahl als starken Mann zu präsentieren

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Machen Sie etwas aus dieser Chance!)

und den Machterhalt zu sichern. Darum ging es doch.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Machen Sie etwas aus Ihrer Chance!)

Deshalb sage ich: Kommen Sie wieder auf den Boden.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Was auch nicht geht, werte Kolleginnen und Kollegen, ist, wenn man eine Debatte zur EnBW beantragt, in Bezug auf die Vergangenheit einfach zu sagen: „Schwamm drüber! Das in teressiert uns nicht.“