Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Das Land ist und bleibt natürlich auch in Zukunft der Träger der Universitätsklinika, und deshalb – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – bedarf es auch ei ner substanziellen Entscheidungskompetenz des Landes Ba den-Württemberg. Auf diese Frage – die Kritik kann ich Ih nen nicht ersparen – wird im vorliegenden Gesetzentwurf aus unserer Sicht keine befriedigende Antwort gegeben. Das wird übrigens auch vom Rechnungshof so gesehen, der sowohl ei ne Stärkung der Rechtsaufsicht als auch echte Einflussmög lichkeiten des Landes Baden-Württemberg einfordert. Mit der bloßen Abschaffung der Gewährträgerversammlung, meine Damen und Herren von Grün-Rot, werden Sie unseres Erach tens dieser Aufsichtspflicht nicht gerecht. Sie waren es schließ lich – das haben wir noch in guter Erinnerung –, die in der ver gangenen Legislaturperiode selbst noch leidenschaftlich die se Aufsichtspflicht eingefordert haben.

Für uns bleibt es – das ist das Fazit – ein inakzeptables Miss verhältnis, dass unser Land einerseits immense finanzielle Aufwendungen hat und dafür geradestehen muss, Sie aber an dererseits das Land von jeglichen Kontrollmöglichkeiten aus schließen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: An anderer Stelle haben wir das nicht gehört!)

Diesen Weg, meine Damen und Herren, können wir nicht mit gehen, und aus diesem Grund lehnen wir den Gesetzentwurf ab. – Möchten Sie eine Frage stellen, Herr Kollege?

Es wird ihm das Wort erteilt, aber er hat sich noch nicht gemeldet.

Herr Präsident, ich wollte mich nicht einmischen. – Also, er möchte keine Frage stellen. Dann brauchen Sie ihm auch das Wort nicht zu erteilen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das kann ja noch kommen! – Heiter keit bei der SPD)

Herzlichen Dank für diese lehrrei chen Worte.

(Heiterkeit)

Ich erteile Frau Kollegin Haller-Haid für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren! Selten kommt bei der Verabschiedung eines Gesetzentwurfs so viel Freude auf wie ausgerechnet bei einem Rückabwicklungsgesetz. Al le freuen sich: die Klinikleitungen und die Ärzte, die Kauf männischen Direktoren, die medizinischen Dekane, der Ver band der Universitätsklinika Deutschland, sogar der Personal rat und die Gewerkschaften, die ja mit den anderen nicht im mer einer Meinung sind.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Auf jeden Fall auch Frau Haller-Haid!)

Sie, Herr Röhm, freuen sich als Einziger vielleicht nicht.

Diese seltene Einigkeit und gemeinsame Freude kommt da her, dass die baden-württembergischen Unikliniken mit der Rückabwicklung von einem Gesetz verschont bleiben, das im Vorfeld von allen gemeinsam kritisiert worden ist. Doch nie manden von der früheren Landesregierung hat das letzten En des interessiert.

Dass so etwas nicht interessiert hat, war im Übrigen kein ein maliger Vorgang. Es kam häufiger vor, dass zwar formal An hörungen stattgefunden haben, aber das, was die Beteiligten gesagt haben, niemanden wirklich interessiert hat. Bei keinem anderen Gesetzentwurf und Gesetz war der Widerstand der unterschiedlichen Akteure so massiv wie beim Universitäts medizingesetz, das wir heute rückabwickeln. Deshalb ist heu te ein guter Tag für die baden-württembergische Universitäts medizin.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Es ist deshalb ein guter Tag, weil mit dem vorliegenden Ge setzentwurf erreicht wird, dass die Universitätskliniken und die Medizinischen Fakultäten von der Unterordnung inner halb einer Körperschaft verschont werden, die ihnen eigen ständiges Handeln unnötig erschwert hätte.

Es ist ein guter Tag, weil sie von einer Gewährträgerversamm lung verschont bleiben, die ihre eigenen Aufsichtsräte ge schwächt hätte und ihnen ebenfalls eigenständiges Handeln erschwert hätte.

Es ist ferner ein guter Tag, weil sie von einer unsinnigen Bü rokratisierung verschont bleiben, die allem widerspricht, was wir von einer modernen Verwaltung erwarten sollten.

Meine Damen und Herren, es ist auch deshalb ein guter Tag, weil den Kliniken ihre Selbstständigkeit bei der strategischen und der wirtschaftlichen Planung erhalten bleibt.

Effizienz in Forschung, Lehre und Klinikbetrieb ist das Mar kenzeichen der baden-württembergischen Universitätsmedi zin. Darauf sind wir zu Recht alle gemeinsam stolz, und dar auf wollen wir auch in Zukunft stolz sein können. Auch des halb ist es gut, dass das Gesetz rückabgewickelt wird.

Die SPD-Fraktion wird aus den genannten Gründen zustim men, aber wir werden auch deshalb zustimmen, weil mit dem vorherigen Gesetz noch keine Fakten geschaffen wurden und deshalb bei der Rückabwicklung auch keine Probleme auftre ten.

Die Rückabwicklung hat, meine Damen und Herren, nichts mit Stillstand zu tun. Da sind wir ganz anderer Meinung als Sie. Auch die baden-württembergische Universitätsmedizin, die exzellent ist,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt!)

kann noch immer besser werden. Wir alle wissen es: In die sem Bereich gibt es sehr viele Wünsche, Anregungen, Forde rungen und Interessen, die auch artikuliert werden. All dies wollen wir künftig berücksichtigen. Ich denke dabei beispiels weise an die Situation des Personals und dessen unzureichen de Mitbestimmungsmöglichkeiten. Dazu hatten Sie im vorhe rigen Gesetz überhaupt keine Veränderungen vorgesehen. Wenn wir eine erfolgreiche Reform durchführen wollen, müs sen wir jedoch auch das Personal ganz wesentlich einbezie hen. 30 000 Beschäftigte arbeiten in den Kliniken, und von deren Einbeziehung hängt es auch ab, ob die Reform wirklich zu einem Erfolg werden kann. Die Personalräte haben uns be reits signalisiert, bei dieser Reform künftig mitwirken zu wol len. Ich bin sicher, dass wir den Dialog sehr erfolgreich ge stalten und die Reform zu einem guten Ende bringen werden.

Ein letzter Satz: Was ich mir für den künftigen Dialog wün sche, ist, dass die Opposition aus ihrer Schmollecke heraus kommt und sich an diesem Dialog beteiligt. Dann wäre der heutige Tag nicht nur ein guter, sondern ein richtig guter Tag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Diet rich Birk CDU: Jetzt liefern Sie doch erst einmal! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Wir wollen die Vor schläge hören! Wir nehmen Stellung, wenn Vorschlä ge vorliegen!)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Dr. Kern.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Im Rahmen der Ausschussberatungen über den Ge setzentwurf zur Rücknahme des Universitätsmedizingesetzes hatten wir Parlamentarier die Möglichkeit, uns ein weiteres Mal mit den vorgeschlagenen Regelungen im Einzelnen zu befassen. Für meine Fraktion und für mich kann ich in An

spruch nehmen, dass wir die Reform der Hochschulmedizin stets kritisch, aber immer auch konstruktiv und lösungsorien tiert begleitet haben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um mehr Aufmerksamkeit.

Das gilt für das seinerzei tige Universitätsmedizingesetz, an dem wir vieles eingehend, zum Teil auch kontrovers, diskutiert haben, ebenso wie für den jetzt vorliegenden Rücknahmeentwurf. Aber auch nach erneuter Durchsicht können wir nichts, keine einzige Passa ge in Ihrem Entwurf finden, der wir zustimmen könnten.

Nun könnte man einwenden, dass es doch einige Abschnitte gibt, die durch den Gesetzentwurf erst im Ganzen gestrichen und anschließend wortgleich wieder eingeführt werden. Die sen Passagen könnte man natürlich zustimmen, da sie doch noch aus dem Gesetz stammen, das CDU und FDP/DVP auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Da diese Passagen aber durch Ihren Rücknahmegesetzentwurf im bestehenden Gesetz erst einmal gestrichen werden sollen, bedeutet gerade eine Ablehnung des Gesetzentwurfs, dass man früher wie heute zu den besagten Passagen steht. Kurzum: auch hier kein Grund zur Zustimmung, im Gegenteil.

Ich kündige an dieser Stelle schon einmal an – auch als Bei trag zu mehr Klarheit in dieser verwirrenden Verfahrenslage –, dass die FDP/DVP-Fraktion den Gesetzentwurf vollstän dig ablehnen wird.

(Lachen des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Nun zu den einzelnen Gründen. Wie ich schon angesprochen habe, haben wir in der FDP/DVP seinerzeit kontrovers disku tiert, in welcher Form das Land seiner Verantwortung als hun dertprozentiger Träger der Universitätskliniken gerecht wer den und seiner Aufsichtspflicht genügen kann. Anstelle der Gewährträgerversammlung hätten wir uns auch eine Stärkung des Landeseinflusses in den örtlichen Aufsichtsräten der vier Universitätskliniken vorstellen können.

(Abg. Walter Heiler SPD: Mehr Staat!)

Aber was für uns feststand, war: Wer Träger einer Einrichtung ist, muss auch in die Lage versetzt werden, seiner Verantwor tung gerecht zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Jawohl!)

Was Sie hingegen, meine Damen und Herren von den Grünen und von der SPD, mit Ihrem Rücknahmegesetzentwurf vor gelegt haben, ist ein Dokument der Verantwortungslosigkeit. Obwohl Sie jahrelang Gelegenheit dazu hatten, sich eine kon struktive Meinung zur Struktur der Hochschulmedizin zu ma chen, ist Ihnen offenbar nichts Besseres eingefallen, als ein fach nur zu sagen, was Sie nicht wollen. Angesichts des Ge töses, das Sie im Wahlkampf gegen das Universitätsmedizin gesetz veranstaltet haben,

(Abg. Rita Haller-Haid SPD: Das haben doch die Universitätskliniken selbst veranstaltet!)

musste man als gutgläubiger Bürger den Eindruck gewinnen, Sie hätten sicher einen guten Vorschlag in petto, wie die Hoch schulmedizin in Baden-Württemberg zukünftig aufzustellen sei, oder würden sich sogleich beherzt daranmachen, einen solchen zu entwickeln. Aber nichts dergleichen. Sie kippen das Universitätsmedizingesetz der Vorgängerregierung, ohne eine Alternative vorzuschlagen oder auch nur einen Weg an zudeuten, den Sie weiterverfolgen wollen.

Stattdessen bemühen Sie sich ein weiteres Mal, den Bürger dialog über diese Frage zu führen. Einen Dialog mit den Bür gern und insbesondere mit den Betroffenen über ein Geset zesvorhaben zu führen ist eigentlich selbstverständlich. Aber ständig Dialogabsichten zu erklären und keine positiven Ge setzesvorschläge vorzulegen reicht aus unserer Sicht für eine verantwortungsvolle Regierungspolitik nicht aus.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Dass Ihr Gesetzentwurf aber gerade kein Ausweis verantwor tungsvoller Politik ist, sehr geehrte Frau Ministerin Bauer, wird auch an anderer Stelle deutlich. Mit der Gewährträger versammlung kippen Sie zugleich auch die Integration von Universitätsklinikum und dazugehöriger Medizinischer Fa kultät. Diese Integration hätte noch schlagkräftigere Einhei ten geschaffen, in denen Forschung, Lehre und Krankenver sorgung Hand in Hand gegangen wären und die Grundlage für medizinische Exzellenz gebildet hätten. Auch dieses Herz stück der Universitätsmedizinreform von CDU und FDP/DVP wollen Sie kippen, ohne eine Alternative zu präsentieren. Ich habe es schon an anderer Stelle gesagt, aber es gilt nach wie vor: Verantwortungsvolles Regierungshandeln sieht aus un serer Sicht anders aus.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Sie berauben die Universitätskliniken mit Ihrem Gesetzent wurf des Instruments der Beleihung, das eine Übertragung von Aufgaben an Private ermöglicht und damit zusätzlichen Gestaltungsspielraum für die Universitätskliniken geschaffen hätte. Dies ist nun völlig unverständlich – nicht nur, weil es einen Zustimmungsvorbehalt seitens des Landes gibt, sondern auch, weil die Beleihung einen verlässlichen rechtlichen Rah men für ein Engagement Privater unter Aufsicht des Univer sitätsklinikums abgegeben hätte.