Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig!)

Ich glaube nicht, dass das über die Landeshaushaltsordnung möglich ist. Aber darüber muss man reden. Ich schließe mich für die SPD-Fraktion der Einladung durch den Kollegen Sckerl an:

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Von den Grünen ist der!)

Machen Sie mit!

Ich sage noch einmal: Ich bin im Grunde der Auffassung, es wäre eine große Chance, wenn uns das Ganze gemeinschaft lich gelingen würde.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Vielen Dank. – Für die Landesregie rung spricht Herr Staatssekretär Rust.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem von der Opposition! Ich bin natür lich zutiefst betrübt, dass Sie ursprünglich nicht mit mir vor liebnehmen mochten.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Das hat nichts mit Ih nen zu tun! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wenn Sie den besseren Sachverstand haben, können wir das ja nachträglich korrigieren!)

Ich werde aber versuchen, den Minister würdig zu vertreten. Er ist übrigens in einer Sitzung des Prüfungsausschusses der EnBW.

(Abg. Volker Schebesta CDU: Wir haben einver nehmlich diesen Tagesordnungspunkt festgelegt!)

Das ist ein Termin, den er nicht beeinflussen konnte und den er leider auch nicht verschieben konnte. Sie kennen die Situ ation bei der EnBW. Es ist sehr wichtig, dass unser Minister heute dort ist.

Herr Dr. Rülke hat mit einem Zitat von Adenauer geschlos sen. Ich möchte mit einem Zitat von Adenauer beginnen:

Bei der Arbeit des Parlaments spielt die Opposition eine wesentliche Rolle. Nicht eine Rolle der Behinderung, son dern eine Rolle der Erläuterung und eine Rolle der Er gänzung.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ist das von Adenauer? Stimmt das, Herr Präsident?)

Das ist von Adenauer, ja. Es ist sogar richtig, was er gesagt hat, Herr Dr. Rülke. – Sie haben allerdings Ihre Rolle noch nicht so richtig gefunden, denn wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen – das kommt nicht von Adenauer. Sie haben das Zitat „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ – ich kann es nicht ganz so hervorragend wie dergeben wie der Herr Präsident; aber es stimmt sinngemäß – auf unseren Ministerpräsidenten bezogen. Da muss ich schon sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Wir hatten die Debatte zum Thema „Aufnahme der Schulden bremse in die Landesverfassung“ in diesem Haus schon ein mal.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hat es da Herr Kollege Kretschmann gefordert oder nicht?)

Da gab es verschiedene Äußerungen der damaligen Regierung und der damaligen Regierungskoalition. Ich gehe einmal auf den Vorwurf ein, dass auf das Jahr 2008 Bezug genommen wird. Sie haben ja unserem Minister vorgeworfen, das versto ße gegen unsere Landeshaushaltsordnung. Dazu lese ich Ih nen einmal vor, was der damalige Finanzminister Stächele in der Stellungnahme zu einem Antrag der Fraktion der SPD aus geführt hat:

In der Folge sind auch die Steuereinnahmen beispiellos eingebrochen. Das Steueraufkommen 2011 liegt – berei nigt um die Kfz-Steuerersatzzuweisungen des Bundes – mit rund 25,0 Milliarden € trotz leichter Zunahme

trotz leichter Zunahme –

gegenüber 2010 um rund 3,0 Milliarden € unter dem Ein nahmeniveau 2008.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Stimmt das noch immer, Herr Staatssekretär?)

Diese Argumentation, lieber Kollege Rülke, bei der nicht auf das Vorjahr Bezug genommen wird, stammt also keineswegs von der neuen Landesregierung, sondern ist Ihre Argumenta tion. Wenn Sie sie damals angewandt haben, sollten Sie sie heute nicht verteufeln, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Dann zum Thema „Aufnahme der Schuldenbremse in die Lan desverfassung“. Auch dazu zitiere ich jetzt noch einmal Herrn Finanzminister Stächele. Dieser hat nämlich die Anpassung der landesrechtlichen Regelungen an die im Grundgesetz ver ankerte Schuldenbremse als „nicht vordringlich“ bezeichnet, und das noch vor Kurzem.

Es ist also schon spannend, wie schnell Sie sich in diese Op positionsrolle hineingefunden haben. Ihre Erinnerung sollten Sie allerdings in der neuen Rolle nicht so schnell löschen. Es lohnt sich schon, auch einmal ein bisschen zurückzublicken.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Viel wichtiger ist der Haushaltsvollzug, also das, was wir tun. Fakt ist: Wir nehmen im Jahr 2011 keine neuen Schulden auf. Wir haben vor, wenn der Landtag dem Haushaltsentwurf zu stimmt, auch 2012 keine neuen Schulden aufzunehmen.

Klar ist auch, dass die grundgesetzliche Regelung – das hat Kollege Sckerl sehr schön ausgeführt – selbstverständlich für alle Länder und damit auch für Baden-Württemberg gilt, ein mal völlig unabhängig davon, ob dazu etwas in der Landes verfassung steht. Diese Regelung gilt für uns. Sie ist für uns, für die neue Landesregierung bindend. Deshalb wollen wir diese Regelung auch einhalten.

Wichtig ist allerdings, dass wir dies mit Bedacht tun. Ich wie derhole mich, weil wir ähnliche Debatten schon über das The ma Pensionsverpflichtungen geführt haben. Herr Kollege Drexler hat gerade aufgezählt, dass bei einer Umsetzung Ih rer Vorschläge, Anträge und Ideen das strukturelle Defizit im Haushalt noch weit in die Höhe getrieben worden wäre. Wür den wir jetzt noch eine Umsetzung Ihres Antrags zum Thema „Pensionsverpflichtungen und Rücklagen“ einbeziehen, ergä be sich ein noch höheres strukturelles Defizit, und Sie könn ten hier mit keinem Antrag zu einer Nullneuverschuldung beim Landeshaushalt für 2012 kommen.

Deshalb wollen wir mit Augenmaß vorgehen. Unser Ziel ist nicht von heute auf morgen zu erreichen. Wir haben jetzt ei ne sehr, sehr gute Situation, was die Steuereinnahmen angeht. Diese gute Situation überdeckt aber den Tatbestand, dass im Landeshaushalt ein strukturelles Defizit in Milliardenhöhe be steht. Das wurde von den Amtsvorgängern von Minister Dr. Schmid auch nie bestritten. Man hat sich darüber unterhalten, ob die Höhe des strukturellen Defizits im Landeshaushalt bei 1 Milliarde € oder 2 Milliarden € liegt. Aber dass ein struktu relles Defizit vorliegt, ist doch klar. Dieser Tatbestand wird durch Steuermehreinnahmen, die wir in diesem Jahr haben und auch im nächsten Jahr erwarten, gegenwärtig nur über deckt.

Das heißt, wir müssen den Abbau des strukturellen Defizits angehen. Dieser Abbau ist nicht von einem Tag auf den ande ren möglich. Es wird schon ein ehrgeiziges Ziel sein, das strukturelle Defizit bis 2020 abzubauen. Das ist ein Kraftakt.

Kollege Drexler hat die Zahlen auf die Jahre heruntergebro chen. Die Zahlen können variieren. Er hat von etwa 100 Mil lionen € gesprochen, die wir pro Jahr strukturell einsparen müssen. Das ist ein riesiger Kraftakt, den wir vor uns haben. Er ist aber mit der Regelung, die Sie vorschlagen, nicht zu leisten. Wir wollen das Ganze nachhaltig umsetzen. Der Vor schlag, den Sie vorbringen, bedeutet eben nicht, dass wir uns mit dem Abbau schrittweise auf 2020 zubewegen. Vielmehr hätten Sie gern sozusagen schon im nächsten Jahr sofort – –

(Abg. Peter Hauk CDU: Moment, Herr Rust! Die Re gelung haben wir doch schon heute in der LHO! Die haben wir ja schon!)

Ja. Sie wollen sie in die Landesverfassung aufnehmen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Wir dagegen sagen: Das ist nicht jetzt möglich. Wir müssen darüber nachdenken – dazu laden wir Sie ein; ich habe Ihren Einwurf vorhin auch als Einladung verstanden –,

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja!)

wie wir das schaffen.

Ich möchte ausdrücklich noch einmal sagen, dass wir die grundgesetzliche Regelung bis 2020 gemeinsam umsetzen sollten. Ich habe noch als Finanzausschussvorsitzender in der letzten Legislaturperiode die Einsetzung einer Enquetekom mission vorgeschlagen. Herr Stächele hat diesen Vorschlag et was lächerlich gemacht, indem er gesagt hat, eine Enquete kommission würde uns nicht weiterhelfen. Ich meine mit mei nem Vorschlag aber explizit, dass sich der gesamte Landtag mit der Frage beschäftigen sollte, wie wir bis 2020 diese grundgesetzliche Regelung umsetzen. Das wird einen enor men Kraftakt darstellen.

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Uns wäre nicht damit geholfen, wenn wir das Verbot der Neu verschuldung in die Landesverfassung aufnähmen. Uns wäre nicht damit geholfen, wenn wir beispielsweise die bestehen den Regelungen der Landeshaushaltsordnung noch verschär fen würden. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, einen Plan bis zum Jahr 2020. Er wurde angesprochen. Wir würden diesen Plan gern gemeinsam mit Ihnen entwickeln. Denn nur dann erreichen wir das Ziel.

Wir müssen auch Folgendes berücksichtigen – ich wiederho le, was ich bei der Debatte über die Pensionsverpflichtungen gesagt habe –: Es hilft nichts, ein einzelnes Element aus den vorliegenden strukturellen Defiziten herauszugreifen. Dazu gehören die Pensionsverpflichtungen, der Vermögensverzehr bei den Gebäuden oder der Vermögensverzehr bei den Lan desstraßen. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, weil es keine „guten“ oder „schlechten“ Schulden gibt. Vielmehr gibt es nur gute und schlechte Finanzinstrumente.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Hauk?

Ja, gern.

Herr Staatssekretär, das Angebot ist auch wirklich als Angebot zu verstehen, dass man sich inten siver über die angesprochene Frage unterhält. Aber wir haben bereits heute eine rechtliche Verpflichtung in der Landeshaus haltsordnung, dass keine neuen Schulden aufgenommen wer den dürfen.

Ja.

Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, sind Sie bereit, Jahr für Jahr geltendes Recht zu verlet zen, bis wir vielleicht im Jahr 2020 einmal das strukturelle Ziel erreicht haben.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)