Dann, meine Damen und Herren, sind wir ganz sicher eher bei einer Schadensersatzsumme von 1,5 Milliarden € als bei einer Summe von 350 Millionen €. Das ist für mich klar.
Dann sind wir bei den von Ihnen beschworenen Kündigungs gründen. Sie tragen diese ein bisschen wie eine Monstranz vor sich her. Aber daraus wird nicht viel.
Drei Themen spielen da immer wieder eine Rolle. Das Erste sind die Kostensteigerungen. Die Kostensteigerungen sind rei ne Spekulation. Herr Stoch, Sie haben recht, wenn Sie sagen, man sollte nicht über „hätte“, „wäre“ und „wenn“ reden. Aber es wird ständig über „hätte“, „wäre“ und „wenn“ geredet.
All diese Kündigungsgründe bestehen aus nichts anderem als „hätte“, „wäre“ und „wenn“ – Spekulationen auf die Zukunft auf äußerst wackligem Grund.
Vielen Dank, Herr Kol lege. – Für mich stellt sich in den letzten Wochen immer mehr die Frage: Gibt es bei Ihnen und auch bei den Kollegen der CDU aufgrund der Diskussion über die Kostenentwicklung – wir wissen ja auch, wie sich die Kosten bei öffentlichen Pro jekten bewegen –
eigentlich keine Zweifel daran oder keine Nachdenklichkeit darüber, dass der Kostenrahmen nicht gehalten werden kann? Wie sieht Ihre Antwort darauf aus,
Okay, das ist eine wichtige, eine vernünftige und vor allem eine nicht polemische Frage, für die ich mich bedanke.
Wir sind bei dem Thema: Können Kostensteigerungen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage bewirken? Übrigens wäre je der Bürgermeister und jeder Gemeinderat froh, wenn das künftig so wäre – das sei nur einmal am Rande erwähnt.
In Wahrheit ist es so: Mit jedem Projekt, bei dem es in der Ver gangenheit Kostensteigerungen gab, das Sie, Herr Hermann, nennen, tun Sie sich schwerer, zu sagen: „Mit einer Kosten steigerung mussten wir gar nicht rechnen; das war für uns gar kein Thema; das war Geschäftsgrundlage.“ Das klingt doch im Grunde genommen witzig. Es ist vielmehr so: Weil man weiß, dass Kosten sich ändern können, redet man möglichst darüber. Bei diesem Projekt ist mehr als bei jedem anderen Projekt vorher ganz konkret über Kostensteigerungen geredet worden. Bei diesem Projekt ist mehr als bei jedem anderen Projekt dieses Thema Vertragsinhalt geworden.
Man kann doch nicht so tun, als käme man vom Mars, und sa gen: „Kostensteigerungen sind für uns etwas völlig Neues;
wir sind immer davon ausgegangen, so etwas gibt es gar nicht.“ Das wäre illusionär und nicht plausibel.
Deshalb hat man über die Kosten geredet. Aber beide Argu mente sprechen natürlich gegen einen Wegfall der Geschäfts grundlage.
Dann noch ein Argument: Man hat in der Tat in den Vertrag hineingeschrieben, dass man miteinander redet, wenn Kosten steigerungen eintreten. Das steht im Vertrag. Das machen Sie aber nicht. Ich finde das höchst bedenklich. Das ist ein Ver stoß, wenn nicht gegen den Vertrag, dann jedenfalls gegen den Geist des Vertrags, dass die Landesregierung schon jetzt be schließt – und Sie sagen –: „Wir reden gar nicht darüber. Wir beschließen einfach vorher, nicht mehr zu zahlen.“
Ich sage Ihnen eines: Wer einen Vertrag so „erfüllt“, der kann sich nach meinem Geschmack kein Kündigungsrecht schaf fen. Das geht nach dem Motto „Wir reden nicht darüber, und wir zahlen auch nicht, und deswegen haben wir jetzt einen Kündigungsgrund“. Genau so wird es nicht funktionieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Sieg fried Lehmann GRÜNE: Wo liegt denn Ihre Grenze? – Gegenruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Sind wir denn auf dem Basar?)
Ich halte mich an die freund liche Aufforderung des Abg. Stoch: Ich beteilige mich nicht an Spekulationen. Alle bisherigen Fakten deuten darauf hin, dass der Kostenrahmen eingehalten wird.
Wegfall der Geschäftsgrundlage, zweite Variante: Das Volk ändert seine Meinung. Ich hätte jetzt beinahe gesagt: „Das Volk ändert einmal eben seine Meinung“, aber das soll natür lich in keiner Weise abwertend klingen. Aber darf das Volk ei gentlich alles? Darf das Volk einmal eben seine Meinung än dern, nachdem die von ihm gewählten – –
(Lachen des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das darf es! – Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Bisher nicht gefragt!)
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das ist die hohe Schule des Verfassungsrechts! – Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE)
(Abg. Johannes Stober SPD: Da gilt das Demokra tieprinzip! – Abg. Volker Schebesta CDU: Ja! – Wei tere Zurufe)
Politisch habe ich einem Volk nichts vorzuschreiben; aber es ist natürlich eine rechtliche Frage: Darf ein Volk seine Mei nung ändern und einfach sagen: „Das machen wir jetzt nicht“, nachdem vorher in vielen Abstimmungen eine Dreiviertel mehrheit der von ihm gewählten Vertreter eine bestimmte Sa che beschlossen hat?
Da fällt mir an der Stellungnahme des Justizministeriums ei nes auf. Es gibt eine Theorie – ich empfinde sie als tollkühn –, die besagt: Durch eine Volksabstimmung schaffen wir uns ei nen eigenen Kündigungsgrund, nachdem durch die vom Volk gewählten Vertreter alles soundso oft beschlossen wurde. Ich halte diese Ansicht für tollkühn. Mir fällt auf, dass diese The orie in der Stellungnahme des Justizministeriums – wenn Sie sie genau lesen, sehen Sie es – nirgendwo übernommen wird. Es wird immer säuberlich darauf hingewiesen, welche Gut achter das einmal behauptet haben. Es wäre interessant, zu er fahren, ob Herr Justizminister Stickelberger auch sagen wür de: „Das ist auch die Meinung des baden-württembergischen Justizministeriums.“ Ich kann mir das schwer vorstellen, weil auch das eigentlich ein selbst geschaffener Kündigungsgrund ist, den das Recht so nicht kennt und aus gutem Grund nicht kennt. Denn – Herr Kollege Müller hat es angesprochen – wer will mit uns eigentlich noch Verträge schließen, wenn wir Din ge einfach vom Tisch wischen,...
(Heiterkeit – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das kommt von der Liberalität, jeden reden zu lassen! – Gegenruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann müss ten Sie auch liberaler sein!)
Die dritte Variante darf ich noch kurz ansprechen. Es gibt noch die Variante, dass das Land nach § 60 des Verwaltungsverfahrensgesetzes den Ver trag kündigen darf, um vom Land schweren Schaden abzu wenden. Da kann ich Ihnen aber eines sagen: Wer ernsthaft behauptet, dass wir dem Land mit diesem Projekt Schaden zu fügten, der gibt sich der Lächerlichkeit preis.