Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Faktion festgelegt.
Jetzt muss ich mit der An rede aufpassen: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über den Entwurf eines Ge setzes, das den bisherigen Glücksspielstaatsvertrag für den Fall seines Außerkrafttretens mit Ablauf des 31. Dezember 2011 bis zu einer Neuregelung als Landesrecht fortgelten lässt. Außerdem ordnet dieses Änderungsgesetz für diesen Fall die Fortgeltung der nach dem Glücksspielstaatsvertrag erteilten Erlaubnisse zur Veranstaltung und auch zur Vermittlung von Glücksspielen an. Die Fortgeltung der Erlaubnisse ist auf die Zeitdauer der Fortgeltung des Glücksspielstaatsvertrags be schränkt und endet spätestens am 31. Dezember 2012.
Wir vermeiden damit ein Außerkrafttreten des seitherigen Glücksspielstaatsvertrags zum Ende dieses Jahres, soweit und solange kein neuer Glücksspielstaatsvertrag im Land in Kraft gesetzt wurde.
Die Ministerpräsidenten der Länder – außer Schleswig-Hol stein – haben sich am 27. Oktober auf eine Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags geeinigt. Schleswig-Holstein hat im September 2011 ein eigenes Glücksspielgesetz beschlossen.
Die Ratifizierung des Glücksspielstaatsvertrags ist für den 15. Dezember dieses Jahres vorgesehen. Aber ob das so ge lingen wird, kann ich an dieser Stelle nicht beurteilen; nie mand kann das. In jedem Fall reicht es zeitlich nicht mehr, den neuen Glücksspielstaatsvertrag noch vor Ende dieses Jah res in Kraft zu setzen. Der Glücksspielmarkt und insbesonde re seine Auswirkungen auf die Spielerinnen und Spieler sind aber viel zu wichtig, um hier einen rechtsfreien Raum zu ris kieren.
Der neue Staatsvertrag soll am 1. Juli 2012 in Kraft treten. Sollten bis zum 30. Juni 2012 nicht mindestens 13 Ratifikati onsurkunden bei der zuständigen Staatskanzlei des Landes
Sachsen-Anhalt hinterlegt werden, würde der neue Staatsver trag gegenstandslos. Immerhin hätten wir mit diesem Gesetz dann im Land keinen rechtsfreien Raum.
Primäres Ziel des Glücksspielstaatsvertrags 2008 war es, Bür gerinnen und Bürger vor der Spielsucht zu schützen. Zu die sem Zweck wurden Lotto und Sportwetten allein unter eine staatliche Obhut gestellt und wurde zahlreichen privaten An bietern auf diese Weise die Geschäftsgrundlage entzogen. Die privaten Anbieter waren mit diesem Vorgehen nicht einver standen und sind mit einer Welle von Klagen gegen dieses gel tende Recht vorgegangen.
Ich halte die damalige Entscheidung für ein Monopol auf Lot to und Sportwetten nach wie vor für richtig. Aufgrund dessen habe ich mit einer Fortgeltung des seitherigen Rechts auch keine Schwierigkeiten.
Der kommende Staatsvertrag wird einige Neuerungen mit sich bringen, über die wir an geeigneter Stelle noch ausführlich diskutieren müssen. Auf den ersten Blick trifft der kommen de Staatsvertrag hinsichtlich des gewerblichen Spiels die ein zig richtige Entscheidung, dies auch in den Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags einzubeziehen.
Hinsichtlich der weitgehenden und weitaus gravierenderen Änderung der Liberalisierung der Sportwetten sehe ich noch Diskussionsbedarf in diesem Hohen Haus. Richtig ist sicher lich, dass das Lotteriemonopol beim Staat verbleibt. Die öf fentliche Anhörung zum Thema Glücksspiel, die auf einen fraktionsübergreifenden Antrag hin am 13. Oktober 2009 durchgeführt wurde, hat Handlungsfelder aufgezeigt, die wir bei der Beratung des neuen Staatsvertrags abarbeiten müssen. Die CDU-Landtagsfraktion wird dies kritisch begleiten.
In der heutigen Zweiten Beratung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland geht es aber nur um die Fortgeltung des seithe rigen Rechts. Deshalb kann ich Ihnen heute die Zustimmung der CDU-Landtagsfraktion signalisieren.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Da men und Herren! Herzlichen Dank an den Kollegen Jägel, der sehr präzise und umfassend dargestellt hat, wie die Sachlage ist. Wir vollziehen im Grunde eine Fristverlängerung für die Schleswig-Holsteiner, die ihnen ermöglichen soll, sich noch der großen Masse der übrigen Länder in Deutschland anzu schließen. Wir hoffen natürlich, dass auch in Schleswig-Hol stein die Vernunft im Parlament und auch bei der Regierung einkehrt.
Letztendlich brauchen wir eine Regelung, die sowohl der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Rechnung trägt. Dabei spielen für uns besonders die Fragen des Jugend- und Spielerschutzes sowie die Fragen von Suchtprävention und Suchthilfe eine wichtige Rolle.
Die Studie von Professor Becker von der Universität Hohen heim beziffert die sozialen Kosten bei Spielsucht auf insge samt 326 Millionen €. Davon – das ist der Indikator, auf den wir in Zukunft den Schwerpunkt legen sollten – entfallen 225 Millionen € auf den Bereich der Geldspielautomaten. „Ledig lich“ 31 Millionen € an sozialen Kosten werden für den Be reich der Kasinos errechnet. Das heißt – auch im Hinblick da rauf, dass immer mehr Jugendliche im Alter von 16 bis 17 Jah ren beim Geldautomatenspiel erwischt werden –, dass wir be sonders beim Geldautomatenspiel für den Spielerschutz und auch für den Jugendschutz einiges tun müssen.
Dazu zählt auch der Bereich der Überwachung. Bei etwa 500 000 betroffenen spielsüchtigen Menschen in Deutschland ist diese Überwachung zu intensivieren. Meines Erachtens kann diese Überwachung zusammen mit der Überwachung hinsichtlich des Jugendschutzes bei Alkoholkonsum erfolgen.
Auch bei diesem etwas finanzwirtschaftlich geprägten Thema brauchen wir eine Solidarität mit den Suchtkranken und mit den Gefährdeten in diesem Bereich. Diese Solidarität hat das Land Schleswig-Holstein leider vermissen lassen. Aber viel leicht liegt das auch an dem Thema. Schleswig-Holstein ist es offenbar wichtiger, die Einnahmen aus diesem Bereich zu er höhen und zu einem Eldorado im Norden Deutschlands für die Glücksspiele zu werden. Entweder kehrt Schleswig-Hol stein, wie gesagt, zur Vernunft zurück, oder wir warten die dortige Landtagswahl im nächsten Jahr ab.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Alles Wichtige wurde bereits gesagt: Es geht lediglich um eine Fortgeltung dieses Vertrags als Lan desrecht, um die schleswig-holsteinische Position, sage ich einmal, zu überwinden, egal, ob durch eine Landtagswahl oder durch bessere Einsicht.
Worum geht es denn konkret? Das Land Schleswig-Holstein erhofft sich von der Liberalisierung und der Vergabe von Li zenzen Mehreinnahmen von 60 Millionen € für die öffentli che Hand in Schleswig-Holstein, aber dies unter Inkaufnah me dieser besonderen Risiken, die schon angeführt worden sind, was die Spielsucht und das Elend angeht.
Es geht um Folgendes: Wir haben in Deutschland bei den le galen Sportwetten einen Jahresumsatz von 200 Millionen €. 200 Millionen € fließen in den Bereich legaler Sportwetten. Aber gleichzeitig werden auf dem Schwarzmarkt, bei den In ternetwetten, bei den Schwarzwetten und bei den sonstigen verbotenen Wetten, 8 Milliarden € ungesetzt. 8 Milliarden € fließen in diesen illegalen Bereich ab und können nicht mehr anders ausgegeben werden.
Die Zahl der Spielsüchtigen ist schon genannt worden. Allein in ambulanter und in stationärer Behandlung sind über 8 000 Personen, die Opfer ihrer Spielsucht geworden sind. Soziale Kosten in diesem Bereich von 326 Millionen € allein im Jahr 2008 sind ein Mahnzeichen. Deswegen brauchen wir die staat liche Regulierung, brauchen wir enge Grenzen beim Glücks
spiel. Denn das Elend geht mit den Familien anheim, mit den Menschen, die mit denjenigen verwandt sind, die in Spielhöl len und bei sonstigen Gelegenheiten Haus und Hof verspie len. Es ist geradezu unsere Pflicht, das zu verhindern. Wir ver hindern dadurch auch die Beschaffungskriminalität, Kosten für die Strafverfolgung, den Arbeitsplatzverlust und das ge samte familiäre Elend.
Zudem haben wir es hier auch noch mit einem Wachstums markt zu tun. Bei der Zahl der Spielhallenautomaten gab es in Deutschland allein in den letzten acht Jahren ein Wachstum von 71 %; das sage ich vor dem Hintergrund des Elends, das hieraus entsteht.
Die SPD-Fraktion unterstützt die Landesregierung darin, die Fortgeltung des Vertrags zu erreichen, und hofft, dass sie ih re Kraft auch dazu nutzen wird, Schleswig-Holstein umzu stimmen – mit oder ohne Landtagswahl.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wer die Vorgeschich te kennt, wird sich nicht wundern, dass unsere Fraktion, die FDP/DVP, dieser Verlängerung nicht zustimmen wird. Ich per sönlich habe den bestehenden Vertrag, solange es ihn gibt, für EU-rechtswidrig gehalten. Wer heute mit wachem Auge schaut, wie der neue Vertrag verhandelt wird, der kann zu kei nem anderen Schluss kommen, als dass der alte Vertrag EUrechtswidrig war. Ich warne ein bisschen davor zu sagen, das EU-Recht sei vielleicht nicht so wichtig. Wir müssen es zur Kenntnis nehmen. Es ist genauso Recht wie bundesrepubli kanisches Recht.
In der Vergangenheit habe ich mich immer für eine Änderung eingesetzt, die in etwa auf das hinausläuft, was der neue Ver trag bringt. Auch das ist unübersehbar. Wir haben in der Re gierung Oettinger darauf gedrängt, dass man das Monopol bei Lotto erhält, es aber bei den Sportwetten öffnet – und das üb rigens, obwohl das Monopol bei Lotto in moralischer Hinsicht ganz schön doppelbödig und kaum begründbar ist, weil es dort gerade keine Spielsucht gibt. Bei Lotto von Spielsucht zu re den ist ein bisschen problematisch. Umgekehrt ist es mora lisch auch nicht so überzeugend, zu sagen: „Wir halten das Monopol, um die Bevölkerung vor dem Glücksspiel zu schüt zen“ und gleichzeitig kräftig daran zu verdienen. Das sage ich deswegen, weil manche wieder tief in die moralische Kiste gegriffen haben. Das sollte man aber bitte gerade nicht bei den Sportwetten tun. Sportwetten werden heute aus dem Ausland angeboten und bei uns entsprechend angenommen.
Insofern warne ich auch davor, Schleswig-Holstein zu kriti sieren. Es ist so, dass bestimmte Lizenzgebühren in Schles wig-Holstein und damit in der Bundesrepublik landen und nicht irgendwo anders in der Welt, bei anderen Staaten. Sie wissen, dass das Geschehen bei Sportwetten natürlich in ers ter Linie über das Internet läuft.
Daher haben wir immer gesagt: Wir unterschreiben weiterhin das Monopol beim Lotto, aber lasst uns doch zu einem Kon zessionsmodell bei den Sportwetten kommen. Genau das bringt der neue Glücksspielstaatsvertrag, der in der einen oder
anderen Form demnächst über die Bühne geht. Allerdings än dert das natürlich nichts daran, dass der Vertrag, den wir jetzt verlängern, aus unserer Sicht sehr offenkundig EU-rechtswid rig geworden ist. Deswegen – ich komme auf den Anfang zu rück – darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir – ich habe die Gründe genannt – dieser Verlängerung nicht zustim men möchten.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich sage den Fraktionen, die ihre Zustim mung zur Verlängerung signalisiert haben, schon jetzt herzli chen Dank. Ich möchte ganz deutlich sagen: Uns bleibt keine andere Wahl, Herr Professor Goll. Denn wenn wir jetzt nicht verlängern würden, würde vielleicht das passieren, was Sie sich wünschen: dass wir im Glücksspielbereich einen gänz lich freien Markt haben. Denn wenn wir keinen geltenden Staatsvertrag hätten, wäre es de facto so, dass jeder in BadenWürttemberg Glücksspiel anbieten könnte, und zwar ohne Re glementierungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann nicht unser Ziel sein, dass wir in diesem Bereich einen rechts freien Raum schaffen.
Meine Damen und Herren, zur Verlängerung ist einiges ge sagt worden. Ich möchte dies nicht wiederholen, weil der be stehende Staatsvertrag hier im Landtag in der Vergangenheit breite Unterstützung gefunden hat, als darüber diskutiert wur de.
Lassen Sie mich einige Worte über den neuen Staatsvertrag sagen, der auch bereits im Entwurf vorliegt.
Die gute Nachricht ist: Das staatliche Monopol für die Lotte rien bleibt erhalten. Herr Professor Goll hat gerade den Wi derspruch angesprochen, der durchaus vorhanden ist. Bei den Lotterien, vor allem bei Toto-Lotto, ist das Suchtgefährdungs potenzial als relativ gering einzuschätzen; in anderen Berei chen ist es höher.
Sie sagen dann aber – ich zitiere sinngemäß aus Ihrer Rede –, Sie hätten damals gesagt, Sie unterstützten das Monopol bei Lotto weiter, wollten aber eine Liberalisierung im Sportwet tenbereich. Damit widersprechen Sie sich selbst. Denn Sport wetten sind nachweislich stärker suchtgefährdend als Lotte rien. Daher ist Ihre Argumentation ähnlich unschlüssig und deshalb nicht nachvollziehbar.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Glücksspiel ist in Deutsch land grundsätzlich verboten. Unerlaubtes Glücksspiel ist in Deutschland nach dem Strafgesetzbuch strafbewehrt. Glücks spiel ist nur in streng geregelten Ausnahmefällen zulässig. Das hat mit den angesprochenen Themen Jugendschutz und Sucht prävention zu tun, zu denen der Staat verpflichtet ist.
Natürlich gibt es da widerstreitende Interessen. Denn – das werden Sie feststellen, wenn wir jetzt auf den neuen Glücks
spielstaatsvertrag zugehen – die Lobby in diesem Bereich ist extrem stark aufgestellt. Sie alle, liebe Kolleginnen und Kol legen, werden in den nächsten Monaten von verschiedenen Verbänden, vor allem von den Automatenverbänden, ange schrieben werden und zahlreiche Informationsbroschüren er halten; wahrscheinlich wird Ihnen auch die eine oder andere Einladung zu Informationsveranstaltungen zugehen. Denn die Lobbyarbeit ist in diesem Bereich extrem stark. Warum? Weil in diesem Bereich extrem viel Geld verdient wird. Überall dort, wo viel Geld verdient wird, ist natürlich auch die Lob by gut aufgestellt.