Wir meinen nicht, dass alle fünf Bausteine grundsätzlich schlecht sind. Wir unterstützen beispielsweise den Baustein „Sicherung der Nachhaltigkeit der Integration von Arbeitslo sen in den ersten Arbeitsmarkt“, bei dem Sie 400 Personen für die soziale Begleitung und Betreuung von Langzeitarbeitslo sen ins Berufsleben einsetzen möchten; denn das ist ein Punkt, den die Bundesagentur für Arbeit selbst nicht leisten kann.
Es darf aber schon einmal die Frage erlaubt sein, wie der Pas siv-Aktiv-Tausch gedacht ist. Denn die 400 € Eingliederungs hilfe der Bundesagentur für Arbeit sind vom Gesetzgeber als individuelle Leistung gedacht, sodass wir nicht einfach pau schal sagen können: Diese 500 Personen bekommen sie. Ge nauso verhält es sich bei der Bereitstellung von 350 € für die Unterkunft und Verpflegung durch die Landkreise. Auch das kann man nicht einfach in den Arbeitslohn hineinschieben.
Ich habe die große Sorge, dass wir einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen, den wir dann im Grunde genommen weiterführen müssen, weil genau aus dem genannten Grund kein Automa tismus des Übergangs in den ersten Arbeitsmarkt entsteht.
Deswegen brauchen wir eine nachhaltige Qualifizierung. Sie verteufeln immer die Instrumentenreform. Pro Kopf werden übrigens mehr Mittel eingesetzt als unter der rot-grünen Bun desregierung. Wir haben pro Kopf einen höheren Mittelein satz. Was die Weiterbildung anbelangt, waren es im Jahr 2005 unter der Bundesregierung Schröder 2 Milliarden €. Für 2012 sind 3 Milliarden € geplant. Das ist das, was wir brauchen.
Die Arbeitsagenturen haben inzwischen mehr Möglichkeiten der freien Förderung und der Beschäftigungsförderung be kommen. Sie können genau an den Punkten ansetzen, bei de nen dies nötig ist, nämlich bei der Qualifikation, auch bei der Vereinbarkeit der Weiterbildung und der Familie. Deswegen plädieren wir dafür – wir haben die Agentur für Arbeit; wir haben die Jobcenter, die Landkreise, die Kommunen, die sich engagieren –, dass sich das Land nicht noch zusätzlich als wei terer Part mit hineindrängt.
Wir brauchen auf regionaler Ebene Netzwerke. Das sagen Ih nen auch die Agenturen für Arbeit, denn sie machen viel mit den Handwerkskammern, den IHKs, mit Wohlfahrtsunterneh men, mit Kirchen, mit Arbeitgebern. Das ist das, was wir auf lokaler Ebene brauchen. Die Mittel dafür hat die Agentur für Arbeit zur Verfügung.
Ich vermisse bei diesem Programm, bei dieser Arbeitsmarkt politik, die man jetzt so groß lobt, die Themen Fachkräfte- und Ingenieurmangel und auch Azubimangel völlig. Wir ha ben einen Rekord an Ausbildungsabschlüssen in der Bundes republik. Obwohl es weniger junge Leute gibt, gibt es 1,8 % mehr Ausbildungsabschlüsse.
Für eine aktive Landesarbeitsmarktpolitik müssen wir zur Si cherung der Innovation und des Wohlstands auch die Themen Qualifikation, Fachkräfte- und Ingenieurmangel angehen. Da zu höre ich aber gar nichts. Eine vom Land flankierte Arbeits marktpolitik sieht anders aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich auf die ein zelnen Punkte des Konzepts „Gute und sichere Arbeit für Ba den-Württemberg“ eingehe, einiges voranstellen.
Zunächst möchte ich ausdrücklich betonen, dass wir eine po sitive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben. Baden-Würt temberg ist im Januar 2012 wieder an die erste Stelle gerückt und verzeichnet die geringste Arbeitslosenquote in der gan zen Bundesrepublik. Dies ist unter Grün-Rot geschehen und nicht, wie vorher verlautbart, unter Schwarz-Gelb.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Lachen bei der CDU und FDP/DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Tata, tata, tata! – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Man merkt, dass der Schmot zige Donnerstag naht!)
Es wurde angesprochen, das Programm „Gute und sichere Ar beit in Baden-Württemberg“ enthalte nichts zum Thema Fach kräftemangel. Dazu möchte ich vorab sagen, dass Ihnen of fensichtlich entgangen sein muss, dass wir in Baden-Würt temberg eine Allianz für Fachkräfte haben, die zwischen dem Finanz- und Wirtschaftsministerium und meinem Ressort auf geteilt ist,
in der wir uns sehr intensiv darum kümmern, Fachkräfte für die Zukunft zu gewinnen, insbesondere in den von Ihnen ge nannten Ingenieurberufen, aber auch in den Pflegeberufen.
In diesem Zusammenhang ergreifen wir mehrere Maßnahmen. An dieser Stelle möchte ich eine Maßnahme stellvertretend nennen. Wir wissen, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung, aufgrund der Überalterung der Gesellschaft in Zukunft Fachkräfte brauchen. Wir wissen aber auch, dass es noch Potenzial gibt, das wir erschließen können. Eine wich tige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Deswegen möchte ich Sie darum bitten, das Programm „Gu te und sichere Arbeit“ nicht isoliert, sondern in einer Gesamt schau zu betrachten; denn zu guter und sicherer Arbeit gehö ren nicht nur einzelne Maßnahmen, die einem Arbeitsmarkt programm zugeordnet werden können, sondern zu guter und sicherer Arbeit gehört auch, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Menschen gut und sicher in Baden-Württem berg arbeiten können. Dazu gehört der Mindestlohn genauso wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie der Aus bau der Kinderbetreuung im Land. Ich denke, mit dem Pakt mit den Kommunen haben wir eine sehr gute Arbeit geleistet, sodass wir den Ausbau vorantreiben können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Aufschwung am Arbeitsmarkt geht allerdings an vielen Langzeitarbeitslosen vorbei. Die Integration in den Arbeitsmarkt ist aber zentral für die gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb stellen wir uns mit dem Konzept „Gute und sichere Arbeit“ dieser zentralen He rausforderung.
Die guten Arbeitslosenzahlen zeigen leider nicht die ganze Wirklichkeit in unserem Land. Wir müssen feststellen, dass die Zahl unsteter, atypischer Arbeitsverhältnisse zunimmt, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt, insbesondere bei Menschen mit mehreren sogenannten Vermittlungshemmnis sen, besser gesagt: mit mehreren Problemlagen.
Wir müssen feststellen, dass die Zahl der Beschäftigten, die von ihrem Lohn nicht leben können, und damit auch die Zahl der Aufstocker zunimmt. Wir müssen feststellen, dass fast 60 % der Arbeitslosen bei uns im Land Leistungen nach dem SGB II, also Hartz IV, beziehen.
Wir müssen feststellen, dass noch immer zu viele Schülerin nen und Schüler die Schule ohne einen Schulabschluss ver lassen oder keine passende Ausbildungsstelle finden.
Wir müssen feststellen, dass noch immer Migrantinnen und Migranten sowie Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt be nachteiligt sind.
Wir stellen uns mit dem Konzept dieser Herausforderung, und in Verbindung mit dem Tariftreuegesetz sind wir sicherlich auf dem Weg, Baden-Württemberg zu einem Musterland gu ter Arbeit zu machen.
Sie haben sicherlich recht – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen; ich habe wohl die Töne vernommen –, wenn Sie von den Oppositionsfraktionen die Zielsetzung einer guten und sicheren Arbeit grundsätzlich mittragen. Dennoch ist für die Arbeitsmarktpolitik insgesamt – das haben Sie richtig ge sagt – eigentlich die Bundesregierung zuständig. Was müssen wir da feststellen? Die Bundesregierung beklagt einerseits ei nen Fachkräftemangel, andererseits werden über das soge nannte Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen, von anderen auch „Instrumentenreform“ genannt, die Mittel für Qualifizierung radikal gekürzt. Damit geht die Bundesre gierung bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einen Weg, der zur Verwahrung und nicht zur Teilhabe führt.
Herr Kollege Haußmann, eines hat mich schon gewundert. Ich habe gehört, dass Sie grundsätzlich auch dafür sind, Arbeits lose, die schon lange Arbeitslosengeld beziehen, zu qualifi zieren, dass immer die Teilhabe am ersten Arbeitsmarkt das Ziel sein muss. Das deckt sich mit unseren Zielen. Darum ha ben wir das Programm „Gute und sichere Arbeit“ überhaupt erst entwickelt. Wenn Sie unsere Ziele grundsätzlich mittra gen und gleichzeitig eine Verpflichtungsermächtigung für die Jahre 2013 und 2014 fordern, dann muss ich mich schon fra gen, warum Sie im Finanzausschuss einen Antrag zur Strei chung der Mittel für das Arbeitsmarktprogramm eingebracht haben. Hier scheint mir die Argumentation nicht unbedingt geradlinig zu sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zentrales Ziel des Konzepts „Gute und sichere Arbeit“ ist, Arbeit statt Arbeits losigkeit zu finanzieren und dabei so viele Arbeitslose wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren oder sie wieder an ihn heranzuführen. Es geht also nicht um Alimen tierung, sondern um Beschäftigung, um Qualifizierung als die zentralen Aufgaben.
Wir wissen, dass 40 % der Schulabgängerinnen und -abgän ger, die in Baden-Württemberg den Weg in das berufliche Aus
bildungssystem suchen, zunächst in Überbrückungsmaßnah men landen. Deswegen fördern wir gezielt Projekte, die jun gen Menschen den Weg in die duale Ausbildung ohne Umwe ge ermöglichen. Natürlich tun wir das nicht ausschließlich mit Landesmitteln, sondern wir verwenden hierfür auch EU-Ko finanzierungsmittel, die sich logischerweise nicht im Haus halt des Landes für das Jahr 2012 finden.
Ich möchte noch eines erwähnen, weil gesagt wurde, das Pro gramm würde sozusagen singulär nur von der Landesregie rung verfolgt, ohne andere mit ins Boot zu nehmen. Alle Bau steine sind in enger Abstimmung mit der Agentur für Arbeit, mit den Wohlfahrtsverbänden, mit den Trägern entwickelt worden, weil es nur so geht. Wenn wir die Themen Langzeit arbeitslosigkeit und „Förderung von Ausbildung“ angehen, dann geht das nur, wenn alle Akteure zusammenarbeiten.
In diesem Zusammenhang seien auch die Landkreise genannt. Dazu möchte ich sagen, dass ich schon sehr viele Bewerbun gen von Landkreisen auf meinem Schreibtisch habe, und nicht wenige der Landräte, die mir geschrieben haben, gehören Ih ren Parteien an.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: SPD- Landräte können nicht geschrieben haben! Das ist klar!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden in den nächsten Monaten die Ausschreibungen für die Projekte vor nehmen. Ich gehe davon aus, Herr Haußmann: Auch wenn wir vielleicht nicht alle erreichen können, weil wir mit den Mit teln, die wir zur Verfügung haben, die durch die Bundesregie rung vorgenommenen Streichungen nicht kompensieren kön nen, ist es doch wichtig, dass wir Teilhabe gewährleisten kön nen und dass wir Menschen für den ersten Arbeitsmarkt qua lifizieren können. Das muss unser aller Ziel sein. Ich bin mir sicher, dass die Punkte, die wir entwickelt haben, die richti gen sind, um die Menschen, die wir in Zusammenarbeit mit den Landkreisen, mit der Arbeitsagentur und den Wohlfahrts verbänden fördern können, wieder in Arbeit bringen zu kön nen. Ich bin mir sicher, dass uns dies gelingt, sodass es eine gute Zeit für gute und sichere Arbeit in Baden-Württemberg ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank an Frau Ministerin Alt peter für ihre Ausführungen, die, glaube ich, noch einmal deutlich gemacht haben, worum es bei diesem Programm im Kern geht.