Protokoll der Sitzung vom 08.02.2012

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst herzlichen Dank an Frau Ministerin Alt peter für ihre Ausführungen, die, glaube ich, noch einmal deutlich gemacht haben, worum es bei diesem Programm im Kern geht.

Herr Kollege Klenk, wir freuen uns, dass Sie keine grundsätz lichen Einwände gegen dieses Programm haben. Wenn Sie die Forderung aufstellen, dass das Ziel sein müsse, alle mit die sem Arbeitsprogramm geförderten Personen mittelfristig in

den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, dann sind wir ganz nah beieinander. Deshalb wollen wir auch die Kriterien „Zusätz lichkeit“ und „Öffentliches Interesse“ beseitigen, damit sinn volle Arbeit stattfinden kann, damit sogar dem Grunde nach auch gewerbliche Unternehmen die Menschen einstellen kön nen. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass gewerbliche Unter nehmen, Unternehmen, die am ersten Arbeitsmarkt agieren, mit dieser Personengruppe relativ wenig anfangen können und deshalb natürlich zunächst einmal die Sozialbetriebe im Land gefordert sind.

Wenn Sie, Herr Kollege Klenk, uns dann allerdings vorwer fen, wir würden insbesondere uns nahestehende Einrichtun gen im Auge haben oder fördern, dann ist das schon eine et was böswillige Unterstellung.

(Unruhe bei der CDU)

In erster Linie sind die Einrichtungen, die in Baden-Württem berg im Bereich der Arbeitslosenhilfe tätig sind, große Ein richtungen der Diakonie, der Caritas und des DPWV.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die stehen uns ja na he!)

Die stehen Ihnen doch hoffentlich genauso nahe wie uns. Wenn Sie auf die AWO anspielen: Die macht – z. B. in Hei denheim – gute Arbeit. Es handelt sich aber um wenige und sehr kleine Einrichtungen, die in dem Handlungsfeld, über das wir heute reden, überhaupt tätig sind. Insofern ist das eine ko mische Unterstellung.

Herr Haußmann, dass Sie Arbeitsmarktpolitik nicht unter so zialen Gesichtspunkten sehen wollen oder können, das ver stehen wir oder können es zumindest nachvollziehen. Aber der wirtschaftspolitische Aspekt dieses Programms müsste Ih nen doch deutlich sein. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der die Arbeitsmarktzahlen gut sind, in der wir schauen müssen, dass wir genug Fachkräfte bekommen, und in der wir dafür sorgen müssen, dass jeder junge Mensch, der die Schule verlässt, ei ne Ausbildung machen kann, müssten Ihnen doch unsere An gebote mit der assistierten Ausbildung oder auch mit der Qua lifizierung von Langzeitarbeitslosen, um insbesondere auch den Fachkräftebedarf der Zukunft abdecken zu können, nahe kommen.

Ich habe die 900 Millionen €, die Sie für den Fall, dass wir das flächendeckend machen wollen, ausgerechnet haben, nicht nachgerechnet. Ich gehe davon aus, dass Sie richtig gerech net haben. Eines kann ich Ihnen aber sagen: Diese 900 Milli onen € werden in jedem Fall ausgegeben; die brauchen wir für die Hilfe zum Lebensunterhalt, die brauchen wir für die Kosten der Unterkunft. Insofern ist es doch sinnvoller, wir fi nanzieren Arbeit statt Passivität, und es ist auch sinnvoller, wir fördern die Arbeit, indem wir Menschen auch eine Tages struktur geben und ihnen bessere Perspektiven auf eine Ver mittlung verschaffen.

Das wird nicht bei allen gelingen. Ich denke, das muss auch erwähnt werden, wenn wir diese Debatte hier ehrlich führen wollen. Es gibt Menschen im Land, die langzeitarbeitslos sind, die so arbeitsmarktfern sind, dass sie einfach längerfristig auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht mehr gebraucht werden. Aber auch bei diesen Menschen ist es besser, ihnen eine Tagesstruk

tur zu geben, ihnen eine Arbeit zu geben, als sie dauerhaft zu alimentieren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Deshalb ist es ein gutes Programm, und deshalb haben wir trotz der Erfahrungen, die wir mit schwarz-gelber Arbeits marktpolitik im Bund gemacht haben, die Hoffnung, dass die Ergebnisse dieses Programms so gut sein werden, dass sie auch vom Bund übernommen werden – wenn nicht von Schwarz-Gelb, dann spätestens von Rot oder Rot-Grün nach der Bundestagswahl 2014.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rot-Rot- Grün!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Klenk.

Lieber Kollege Hinderer, ich ha be nicht unterstellt, dass Sie ausschließlich Ihnen nahestehen de Einrichtungen unterstützen, sondern ich habe gesagt, Sie müssen in den nächsten Jahren den Beweis dafür antreten, dass dem nicht so ist; denn diesen Eindruck kann man auf den ersten Blick bekommen.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist billige Polemik!)

Sie haben richtig angeführt: Unser gemeinsames Ziel muss es sein, möglichst viele der Menschen, die sich noch heute in der Langzeitarbeitslosigkeit befinden, in den ersten Arbeitsmarkt zu führen.

Liebe Frau Ministerin, Sie haben alle aufgezählt, die Sie im Vorfeld in das Gespräch eingebunden haben. Wenn Sie aber auch eine breite Zustimmung hier im Parlament wollen und wir das möglicherweise in Richtung Berlin transportieren und Seite an Seite mit Ihnen kämpfen sollen, dann wäre es sicher lich nicht darauf angekommen, den Kreis um Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien zu erweitern. Gehen Sie noch einmal in sich, und überlegen Sie sich, ob Sie nicht uns von seiten des Parlaments in diesen Beirat einbinden. Dafür wä ren wir Ihnen dankbar.

Was die Transparenz der Zahlen anbelangt: Es ist korrekt – Kollege Stoch hat vorhin nachgefragt –, hinsichtlich der 5 Mil lionen € aus dem ESF-Topf hätten Sie Transparenz ausüben und nachweisen können, woher Sie diese 5 Millionen € ge nommen haben. Denn diese Mittel stehen seit 2009 zur Ver fügung; die haben Sie ja woanders abgezwackt. Das hätte zur Klarheit beigetragen.

(Beifall des Abg. Dieter Hillebrand CDU)

Ansonsten schauen wir einfach mal, wie es läuft. Wir haben noch Zweifel. Nur, Frau Ministerin: Ob wir hier nach drei Jah ren tatsächlich schon aussagekräftige Erfahrungen vorweisen können, wird sich zeigen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Herr Kollege Poreski.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Lieber Kollege Klenk, lieber Kollege Haußmann, ich habe schmerzhaft zur Kenntnis genommen, dass Sie ausgerechnet an dem Herzstück, das wir beschrieben haben, offensichtlich sehr viel herumzukritteln haben. Es hat mir nicht mehr ganz so wehgetan, als ich dann gemerkt habe, dass Sie es nicht verstanden haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Hoffentlich tut Ihnen sonst nichts weh!)

Das macht die Sache ein bisschen einfacher, denn dann kann man vielleicht noch aufklären.

Wenn Sie uns nicht glauben – das nehme ich Ihnen nicht übel –:

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Es gibt auch in der CDU und sogar in der FDP Leute, die hin ter diesem Konzept stehen, die es verstanden haben.

(Beifall des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Ich empfehle Ihnen ein Gespräch mit dem sozialpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Pascal Kober, der es sehr wohl verstanden hat. Vielleicht lernt man manchmal nicht nur von anderen, sondern auch von den eigenen Leuten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Damit es klar ist: Es geht bei diesem speziellen Landesarbeits marktprogramm um einen besonderen Personenkreis. Es geht nicht um die gesamte Arbeitsmarktpolitik. Die Ministerin hat das gut ausgeführt. Bei diesem Programm geht es um die Leu te, die unter den heutigen Voraussetzungen vom normalen Ar beitsmarkt abgehängt sind oder abgehängt zu werden drohen. Das sind z. B. Leute, die knapp einen Schulabschluss geschafft haben und schon bei der Ausbildung anfangen zu straucheln. Für die können wir etwas tun. Dafür gibt es erprobte Konzep te. Dem haben Sie auch im Grundsatz nicht widersprochen.

Für diese Menschen können wir auch dann etwas tun, wenn sie wirklich nur minderleistungsfähig sind – ich sage einmal dieses böse Wort –, weil sie aufgrund unterschiedlicher Pro bleme, die sie haben, nur etwa 30 bis 70 % der normalen Ar beitsleistung erbringen können. Wenn wir für diese Menschen nichts tun, dann geben wir genauso viel Geld aus, wie wenn wir mit diesem Programm etwas für sie tun. Das ist das ei gentlich Spannende, das eigentlich Interessante.

Das heißt: Dieses System zu erproben kostet den Staat erst einmal nichts. Wenn es schiefgeht, dann könnt ihr es uns um die Ohren hauen, aber ermöglichen Sie es doch endlich ein mal. Das ist das Entscheidende.

Es ist gefragt worden: Warum sind es nur 500 Leute? Ich kann Sie aufklären: Weil sich der Bund geweigert hat, einer Expe rimentierklausel zuzustimmen. Es gab hierzu eine Bundes ratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen, die abgelehnt worden ist. Lasst es uns doch einfach einmal ausprobieren. Man riskiert nichts, weil dieser Personenkreis klar zu definie ren ist. Man kann ihn in Abstimmung und im Konsens mit der Agentur für Arbeit definieren. Das ist zunächst einmal über haupt kein Problem. Das heißt, man könnte es machen.

Im Moment können wir tatsächlich nur 500 Leute aufnehmen, weil das Land gewaltig draufzahlt, da die Kofinanzierung durch die Bundesebene – wenn überhaupt – nur teilweise funktioniert. Wir haben gesagt: Das ist es uns wert, weil wir ein neuartiges Instrument erproben wollen. Aber warum sper ren Sie sich? Es wäre doch vernünftig, an dieser Stelle einmal die Gemeinsamkeit, die jetzt quasi über uns schwebt und die hier auch von allen benannt worden ist, durchzudeklinieren.

Vielleicht veranstalten wir zu diesem speziellen Konzept auch einmal ein Hearing in einem größeren Rahmen, in das Fach leute mit einbezogen werden. Dann werden Sie verstehen: Da ist philosophisch nichts, was uns trennen muss. Ich rufe also zur Gemeinsamkeit auf.

Danke.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Frau Ministerin! Um es noch einmal klarzustel len: Es gibt fünf Bausteine. Wir sagen aber in einer grundsätz lichen Beurteilung, dass drei Bausteine davon nicht zu emp fehlen sind. Das ist der Grund, weshalb wir das Ganze grund sätzlich ablehnen. Es gab ja auch, wie es Kollege Klenk ge sagt hat, keine große Diskussionsmöglichkeit an einem run den Tisch, bei der man über das Ganze noch einmal hätte dis kutieren können. Ein konkreter Baustein sind diese 500 Stel len.

Herr Poreski und Herr Hinderer, wenn Sie sagen, wir hätten eben das Problem mit Menschen mit Vermittlungshemmnis sen, brauchen wir doch ein anderes Programm, das eben nicht nach drei Jahren wieder beendet wird, bei dem man nicht sagt: „Dann ist das erledigt.“ Denn wir müssen im Prinzip eine ganz andere Struktur finden.

Sie kritisieren die Instrumentenreform, die zum 1. April 2012 in Kraft tritt. Ich will jetzt nicht auf jedes Detail eingehen. Aber das Budget ist größer, als es noch zur Zeit Ihrer Beteili gung an der Bundesregierung war.

(Zuruf des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Rechnen Sie das einmal herunter. Die Möglichkeiten der frei en Förderung und der Beschäftigungsförderung sind sehr fle xibel geworden. Genau solche Programme kann man machen.

Es ist sonnenklar, Frau Ministerin Altpeter, was ein Landrat antworten würde – das gilt natürlich auch für den Landrat im Rems-Murr-Kreis; Herr Kollege Fuchs ist auch Mitglied der FDP –, wenn man ihn fragen würde, ob er Interesse habe, dass man in seinem Landkreis etwas macht. Wenn man sagt, das Programm gebe es schon, ist doch sonnenklar, dass ich dann auch dafür wäre. Das ist wohl keine Frage.