Protokoll der Sitzung vom 15.03.2012

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und den Auftrag haben Sie abgelehnt!)

Vielen Dank, Herr Pröf rock, für diese Frage.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nicht den Kopf schütteln! Das ist eine Frage!)

Wenn wir nicht jetzt die Struktur der Polizei, die dermaßen chronisch unterfinanziert ist und von der nahezu die Hälfte der Beamten in wenigen Jahren in Pension gehen – deswegen dieser Zeitpunkt –, so umstellen, dass wir angesichts der He rausforderungen trotzdem noch genug Polizeibeamte in der Fläche haben, dann führt dies zu Problemen. Daher müssen wir jetzt handeln.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Nicht ablenken!)

Das ist genau der richtige Auftrag gewesen, dass wir jetzt han deln müssen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf: Vorga be!)

Ja, genau. Absolut richtig. Das war das Stichwort Auftrag. Wir müssen doch eine Polizei schaffen, die den Anforderun

gen der heutigen Zeit gerecht wird, und diese ist nach ande ren Einheiten als nach Landkreisgrößen organisiert.

Jetzt ein kleiner Einschub: Wir waren am vergangenen Diens tag bei der Gewerbeaufsicht. Die Gewerbeaufsicht in Deutsch land ist neuerdings folgendermaßen organisiert: 125 Dienst stellen in ganz Deutschland, davon 48 in Baden-Württemberg. Warum? Weil durch Ihre Verwaltungsreform die Gewerbeauf sicht, in der der Arbeitnehmerschutz organisiert wird, auf die Landkreise übertragen worden ist, auf 48 Kleinsteinheiten.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Direkt vor Ort!)

Heute beklagen sich die Gewerbeaufsichten, dass ein Arbeit nehmerschutz in Baden-Württemberg durch diese Kleinräu migkeit kaum noch möglich ist.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Genau andersherum ist es!)

Diese Kollegen sind vor Freude gesprungen, als sie gehört ha ben, was wir mit der Polizei vorhaben, weil wir die Fehler, die Sie bei der Gewerbeaufsicht gemacht haben, jetzt bei der Po lizei nicht machen, weil wir es richtig machen. So war es näm lich.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Wolf gang Drexler SPD: So ist es!)

Meine Damen und Herren, ich will noch etwas zur Umset zung sagen. Wir haben allen Polizeibeamten die Möglichkeit gegeben, an diesem Prozess in Regionalkonferenzen und in Personalbesprechungen teilzuhaben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie wissen ja heute noch nicht, wo die Präsidien ihren Sitz haben! Sie machen eine Reform und wissen nicht, wo die Sitze sind! – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

4 000 Beamte haben diese Chance wahrgenommen, und es ist jede Frage beantwortet worden. Ich sage Ihnen eines: Warten Sie doch einmal ab. Auf diesen Personalversammlungen wur de gesagt – Sie wissen es doch; Sie haben selbst eine Verwal tungsreform gemacht –, dass jeder betroffene Beamte in ei nem Interessenbekundungsverfahren gefragt wird, wohin er will oder ob er vielleicht nicht versetzt werden will.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aber wohin denn? – Abg. Thomas Blenke CDU: Was machen Sie, wenn der auf eine schon besetzte Stelle will?)

Ich sage Ihnen: Die ganz jungen Polizeibeamtinnen und Po lizeibeamten haben mir alle gesagt, sie warteten sehnlichst auf diese Chance; sie freuen sich auf diese Einheiten, in denen sie untergebracht werden können.

(Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Sie wollen den jungen Polizeibeamtinnen und Polizeibeam ten die Chancen verbauen, die ihnen durch diese Reform ge geben werden, nämlich fachlich eingebracht zu werden.

In diesem Sinn: Packen Sie mit an, anstatt diese Reform mit der Reform in Bayern zu vergleichen; diese Reformen haben nun wirklich nichts miteinander zu tun.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Professor Dr. Goll.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Diese Reform hat gute Ansätze.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Ja!)

Dabei bleibt es auch. Sie droht aber durch die geplanten Über treibungen in der Durchführung gerade auf der neuen mittle ren Ebene zu einer wirklich schlechten Reform für das Land zu werden.

Meine Damen und Herren, die Anhänger klassischer Bildung mögen sich an den sagenhaften Räuber Prokrustes erinnern. Sie wissen es: Wenn jemand vorbeikam, hat der Räuber ihn in seine Wohnung geholt. Der Räuber hatte ein Bett, in dem alle schlafen mussten. Wenn jemand zu kurz war, wurde die ser gestreckt. Darum hieß er Gliederstrecker. Wenn jemand zu lang war, wurden ihm die Beine abgehackt.

(Abg. Jörg Fritz GRÜNE: Wir sind aber nicht mehr im Mittelalter, oder? – Vereinzelt Heiterkeit)

Diese Geschichte stammt aus der Theseussage. Ich würde mir wünschen, dass unser Innenminister sich ein bisschen an The seus erinnert fühlt und Prokrustes das Handwerk legt.

Aber das, was in der Sage geschildert wird, passiert jetzt: Die Direktionen auf dem Land werden so lange gestreckt, bis sie tot sind.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein!)

An anderen Stellen mag man sich so vorkommen, als ob ei nem die Füße abgehackt werden. Ich denke z. B. an eine Po lizeidirektion wie die in Waiblingen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei Esslingen ist es genauso! – Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Meine Damen und Herren, zuletzt haben wir den Fokus auf den ländlichen Raum gerichtet. Aber immer mehr rückt etwas anderes in den Blickpunkt.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Ich darf Sie um Ruhe bitten.

Ich habe mein Beispiel be wusst gewählt. Natürlich ist Waiblingen mein Wahlkreis.

(Lachen bei Abgeordneten der Grünen)

Dadurch sehe ich da am besten, was dort passiert.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Pro-domo-Re de!)

Eine Zusammenlegung von Direktionen wie in Waiblingen und Ludwigsburg ist ein Akt kompletter Sinnlosigkeit. Das ist völlig sinnlos.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Zuruf von der CDU: Bravo!)

Lieber Herr Gall, wir versuchen wirklich nicht, diese Reform zu verhindern, sondern wir versuchen, sie vernünftig zu be einflussen. Das Verhängnisvolle, was Sie sehen müssen, ist, dass man dann, wenn man auf dem Land zu rigoros herangeht, bei Ballungsräumen völlig sinnlos zulangen muss. In diesem Fall ist es wirklich so, wie wenn man anfängt, eine Jacke falsch zu knöpfen. Dann muss man sie bis zum Ende falsch knöpfen. Man könnte auch sagen: Und ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode, meine Damen und Herren.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Oder man hat einen guten Schneider! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Reden Sie über den Zustand der FDP?)

Ich habe die realistische Befürchtung – das reden Sie mir nicht aus; das ist so –, dass das Bild der Polizei im Land künftig von zwölf Großbehörden bestimmt wird, die zu weit von den Men schen entfernt sind, die zu weit von den Kommunen entfernt sind und die zu weit von den Tatorten entfernt sind.

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Bayern!)

Meine Damen und Herren, durch diese Reform wird der Schwerpunkt bei der Polizei nicht nach unten gerückt, ins Land und auf das Land. Dieser Eindruck könnte ja entstehen, weil bei der Polizei eine Ebene wegfällt. Aber in Wirklichkeit wird der Schwerpunkt nicht nach unten gerückt, sondern nach oben, weg von den Revieren auf eine neue mittlere Ebene.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein!)

Meine Damen und Herren, das wird zur Folge haben, dass die wichtigsten Kommunikationswege im operativen Geschäft, nämlich die Kommunikationswege zwischen den Revieren und den ihnen vorgesetzten Dienststellen, nicht etwa verkürzt und vereinfacht werden, sondern im Gegenteil: Die Distanz wird größer. Die Distanz wird nicht nur räumlich größer, son dern auch auf menschlicher Ebene größer. Der Dienstweg wird anonymer werden. Die Kommunikation wird umständ licher. Es wird mehr Dienst nach Vorschrift als direkte Kom munikation, als direkten Austausch, wie er jetzt bei den gege benen Verhältnissen möglich ist, geben.