Protokoll der Sitzung vom 24.05.2012

Wir schaffen eine Rechtsgrundlage, damit die Kommunen in Zukunft selbst entscheiden können, ob sie die Verwendung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit auf ihren Friedhöfen verbieten wollen.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Konnten sie bis her schon!)

Wir schaffen eine Rechtsgrundlage. Selbstverständlich wis sen wir: Es gibt 42 Städte, die sich selbst verpflichtet haben. Aber wir wollen mehr, wir wollen es verfassungsrechtlich ab sichern, auch gerichtsfest machen. Sie kennen vielleicht das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, das der Stadt Nürnberg recht gegeben hat mit ihrem Beschluss, eine ent sprechende Regelung in der Friedhofssatzung zu erlassen. Sie kennen vielleicht auch die Stellungnahme der Gewerkschaft IG BCE zu unserem Gesetzentwurf, die es ausdrücklich un terstützt, dass wir heute über diesen Gesetzentwurf diskutie ren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Diese Ermächtigungsgrundlage bietet für viele Kommunen die Chance, ein deutliches Zeichen gegen Kinderarbeit und damit gegen Kinderarmut zu setzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP/DVP, ich lade Sie herzlich ein, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Die Verbreitung von Grabsteinen aus Indien und aus China hat in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen. 30 bis 60 % der neu errichteten Grabsteine in Deutschland sind Bil ligimporte aus Indien und stammen damit zumeist aus aus beuterischer Kinderarbeit.

Wir orientieren uns an den Millenniumszielen der Vereinten Nationen. Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut le ben und Hunger leiden, sollte bis zum Jahr 2015 halbiert wer den. Wir sind dabei, dieses Ziel wirklich sehr weit zu verfeh len. Es ist sehr beschämend – Sie sehen jeden Tag die Bilder im Fernsehen; Frau Gönner geht jetzt in die Dritte-Welt-Ar beit, ich selbst bin seit vielen Jahren in einer NGO in Haiti tä tig –, dass die Situation schlechter statt besser wurde.

(Abg. Günther-Martin Pauli CDU: Leider wahr!)

Wir schaffen heute die Chance, dass zertifizierte Steine ein gesetzt werden, dass die Qualität auch in diesen Ländern ver bessert wird. Damit leisten wir auch einen Wertschöpfungs

beitrag für unsere Region, indem regionale Steine im Wettbe werb wieder eine Chance haben.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Genau!)

Auch dies ist ein Beitrag zur Gerechtigkeit. Ich lade Sie ein: Stimmen Sie mit!

Viele Kommunen in Baden-Württemberg haben gerade in den letzten Jahren Arbeitskreise „Eine Welt“ gegründet. Von Kir chen und Sozialverbänden wurden Initiativen entwickelt, die Gerechtigkeit sehr ernst nehmen. Jeder von uns kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, als Gesetzgeber, als Konsument. Ich denke, hier haben wir ein gutes Zeichen. Ich lade Sie ein: Stimmen Sie mit!

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Hinderer.

Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen, meine Damen und Herren! Mit dieser Ini tiative bringen Grüne und SPD eine gute und aus unserer Sicht auch überfällige Änderung des Bestattungsgesetzes auf den Weg. Die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Bekämpfung von ausbeuterischer Kinderarbeit ist richtig und gut, und das in mehrerlei Hinsicht: Eine solche Rechtsgrundlage ist erstens gut im Hinblick auf die vielen Kinder in Indien und in China, die unter unmenschlichen Bedingungen Steine klopfen, die dann irgendwann auf unseren Friedhöfen stehen. Zweitens ist sie gut für die Menschen bei uns, die künftig die Gewissheit haben werden, dass an ihren oder an den Grabsteinen ihrer Angehörigen kein Blut von Kinderhänden klebt. Drittens ist sie gut für die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg, die mit Blick auf die Möglichkeit zur Anpassung ihrer Fried hofssatzungen erneut erfahren, dass die neue Landesregierung es ernst meint mit einer Politik des Gehörtwerdens und mit ei ner kommunalfreundlichen Politik.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Bei so vielen positiven Gesichtspunkten drängt sich förmlich die Frage auf: Warum kommt dieses Gesetz erst jetzt? Warum wurde nicht längst Vorsorge getroffen, dass Kinderarbeit mit der Würde unserer Friedhöfe und insbesondere auch mit ei ner christlichen Bestattungskultur überhaupt nicht vereinbar ist?

Die Frage „Warum erst jetzt?“ stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Import von Grabsteinen aus Indi en und China in den letzten 20 Jahren deutlich zugenommen hat. Kollege Lucha hat bereits darauf hingewiesen: Der An teil aus Importen wird auf 30 bis 60 % geschätzt. Egal, wie hoch die Schätzung liegt: Jeder Grabstein, der auf unseren Friedhöfen steht und von Kinderhänden geschlagen wurde, ist ein Grabstein zu viel.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die Frage „Warum erst jetzt?“ stellt sich aber auch vor dem Hintergrund, dass bereits im Januar 2010 alle im Landtag ver tretenen Fraktionen einen gemeinsamen Antrag eingebracht hatten, der die Schaffung einer Rechtsgrundlage für den Aus

schluss von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit in den Friedhofssatzungen zum Ziel hatte. Erstunterzeichner war Kollege Lasotta. Traurig ist, dass die damalige Landesregie rung die Schaffung einer solchen verbindlichen Rechtsgrund lage nicht unterstützt hat.

Das Sozialministerium hat damals den Kommunen lediglich die Anwendung der Verwaltungsvorschrift Kinderarbeit vom 1. Oktober 2008 empfohlen, die das öffentliche Beschaffungs wesen betrifft. Das Sozialministerium hat damals eine landes rechtliche Regelungsnotwendigkeit negiert und erklärt – ich zitiere –:

... erscheint für die Landesregierung eine partnerschaft liche Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zielführender.

Meine Damen und Herren, wenn es um elementare Menschen rechte und die Ächtung von ausbeuterischer Kinderarbeit geht, greifen Empfehlungen und der gute Wille zur Zusammenar beit vielleicht doch zu kurz. Absichtserklärungen und guter Wille werden leider zu oft dem Profitstreben geopfert. Des halb bedarf es einer gesetzlicher Regelung. Deshalb ist es gut, dass die neue Landesregierung uns bei dieser Initiative unter stützt. Dafür sagen wir schon heute Dank.

Meine Damen und Herren, es gibt Alternativen: Grabsteine und Grabsteineinfassungen – auch aus dem Ausland bzw. ins besondere aus dem Ausland –, die unter fairen Bedingungen hergestellt werden, sind auch heute schon im Handel erhält lich. Die deutschen Steinimporteure müssen verpflichtet wer den, nur noch zertifizierte Steine, z. B. mit XertifiX- oder dem Fair-Stone-Siegel, zu beziehen.

Kolleginnen und Kollegen, nachdem bereits vor zwei Jahren in der Sache großes Einvernehmen bestand, werben wir heu te für eine breite Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Wir meinen, dass es der Ernsthaftigkeit dieser Sache angemessen ist, wenn der Landtag seinerseits ein einvernehmliches Zei chen setzt, dass wir keine ausbeuterische Kinderarbeit wol len.

Das Signal, das von diesem Haus ausgeht, sollte so deutlich sein, dass die Kommunen wirklich auch ermuntert werden, das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit in ihren Friedhofs satzungen und Polizeiverordnungen zu verankern. Richtig ist: Niemand wird gezwungen, eine Änderung der Friedhofssat zung vorzunehmen. Da setzen wir auf die Vernunft unserer Städte und Gemeinden und unserer Kommunalpolitiker.

Wir werden den Kommunen Rechtssicherheit geben, die die sen Weg gehen wollen. Der Bayerische Verfassungsgerichts hof hat zwar im Herbst letzten Jahres eine Bestimmung in ei ner gemeindlichen Friedhofssatzung, die vorsah, dass nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinder arbeit hergestellt wurden, ohne ausdrückliche Ermächtigung durch ein Gesetz für wirksam erklärt. Aber wer weiß, ob nicht auch Betroffene in Baden-Württemberg auf die Idee kommen, gegen solche kommunalen Regelungen zu klagen. Da ist Rechts sicherheit erforderlich.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Das Sondervotum bei der bayerischen Entscheidung gibt ge nug Hinweise darauf, dass eine Ermächtigung durch Gesetz

sehr sinnvoll ist. Deshalb heute ein klares Nein zu ausbeute rischer Kinderarbeit und ein klares Ja zu diesem Gesetzent wurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Werner Raab.

(Abg. Norbert Beck CDU: Guter Mann!)

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Produkte aus ausbeu terischer Kinderarbeit gehören aus gesellschaftlichen, huma nitären und moralischen Gründen verboten. Dieser Antrag wurde von unserem Kollegen Dr. Lasotta eingebracht. In die sem Punkt unterscheiden sich meine beiden Vorredner vonei nander. Herr Lucha, es war nicht Frau Dr. Splett, wie Sie ge sagt haben, sondern es war nachweislich – ich habe das Pro tokoll des Sozialausschusses dabei – Herr Kollege Lasotta, der diesen Antrag, der von allen Fraktionen mitgetragen wur de, eingebracht hat. Wir haben da keinen Dissens. Wir sind der gleichen grundsätzlichen Auffassung. Ich sage Ihnen gleich, warum wir nicht weitergekommen sind.

Unsere Haltung findet sich in der Konvention 182 der Inter nationalen Arbeitsorganisation wieder und hat bereits im Jahr 2008 Eingang in eine Verwaltungsvorschrift des Landes ge funden, in der es um die öffentlichen Beschaffungen geht. Seither müssen Anbieter von Produkten eine Erklärung darü ber abgeben, dass die von ihnen angebotenen Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit gefertigt wurden. Das ist gut so. Aber wir alle sind uns einig, dass das Ganze sehr schwer zu kontrollieren ist. Deshalb brauchen wir Zertifizierungen, die auch überprüft werden können.

Ich danke allen Organisationen, die sich weltweit dafür ein setzen, dass Kinderarbeit nicht nur zurückgedrängt, sondern vermieden wird. Da sind sehr viele in unserem Sinn tätig.

Beim seinerzeitigen Beschluss hat der Sozialausschuss ergän zend gebeten, die Verfassungsmäßigkeit einer rechtlichen Re gelung zum Ausschluss von Produkten, die mit Kinderarbeit hergestellt worden sind, in den kommunalen Friedhofssatzun gen zu prüfen und Wege aufzuzeigen, wie dieses Verbot rechts sicher umgesetzt werden kann.

Ich verweise auch auf die Stellungnahme vom 2. November 2010, die wir dann bekommen haben. Darin haben das Justiz ministerium und das Wirtschaftsministerium einer entspre chenden Gesetzesinitiative des Sozialministeriums widerspro chen. Deshalb bitten wir die Regierung jetzt, zur Ausschuss beratung diese Rechtsfrage gründlich zu prüfen und uns eine abgestimmte Stellungnahme zu der Frage vorzulegen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Berufsausübungs freiheit der Steinmetze gewährleistet ist. Unter dieser Voraus setzung einer eindeutigen, positiven Beantwortung der Frage stelle ich die Zustimmung meiner Fraktion zur Änderung des Bestattungsgesetzes in Aussicht.

Da sowohl der Wirtschaftsausschuss als auch der Sozialaus schuss von dieser Angelegenheit betroffen sind, möchte ich empfehlen, dass die Federführung beim Sozialausschuss lie

gen wird, aber der Wirtschaftsausschuss vorberatend am Ge setzgebungsverfahren beteiligt wird.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch ankündigen, dass die CDU-Fraktion einen Antrag zum Thema „Fair Trade“ ein gebracht hat, der weit über das Thema „Grabsteine, Grabein fassungen“ hinausgeht. Ich freue mich darauf, wenn wir uns dieses Thema in der Ausschussberatung erneut und noch um fassender vornehmen, als wir das heute machen können, da wir uns bei dieser Debatte auf die Gesetzgebungsmöglichkeit für die kommunalen Gebietskörperschaften zur Gestaltung ih rer Friedhofssatzungen reduzieren müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Herr Kollege Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns über alle Fraktionen hinweg einig, dass wir das Thema „Ausbeuterische Kinderarbeit“ gerade auch bei Grabsteinen und Grabeinfassungen nicht wollen. Ich glaube, da besteht Ei nigkeit.

Herr Lucha, Sie haben auf die gemeinsamen Anträge – ich will jetzt nicht darüber streiten, wer sie eingebracht hat – im Jahr 2007 verwiesen. Diese haben dazu geführt, dass, wie Herr Kollege Raab gesagt hat, am 1. Oktober 2008 eine Verwal tungsvorschrift der Landesregierung erging, die noch viel wei ter ging. In ihr ging es darum, den Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu vermeiden. Dies galt für alle öffentlichen Aufträge.