Man sieht dies heute zum Teil am Beispiel Griechenland. Aber ich möchte, ehrlich gesagt, auch nicht in der Haut des ameri kanischen Präsidenten stecken, wenn er in Peking vorreitet.
Meine Damen und Herren, uferlose Schulden bedeuten am Ende auch einen Verlust von Demokratie, wenn nämlich nur noch der Sparkommissar regiert, wenn nicht mehr das Parla ment, der Gemeinderat oder sonstige demokratisch legitimier te Institutionen regieren, sondern nur noch demokratisch nicht legitimierte Finanzmärkte regieren. Deshalb müssen wir weg von der Politik des Schuldenmachens, und zwar – Herr Mi nisterpräsident, gestatten Sie mir auch eine leise Kritik – nicht erst 2020.
Das Land Baden-Württemberg hat bereits früh die richtigen Konsequenzen gezogen. 2007 hat Baden-Württemberg als ers tes Land in Deutschland eine Schuldenbremse in die Landes haushaltsordnung aufgenommen. 2007 sprach noch niemand von einer Schuldenkrise, und die Schuldenbremse im Grund gesetz ist auch ein Verdienst von Baden-Württembergern: Günther Oettinger zweifelsohne, aber auch Winfried Kretsch mann und Wolfgang Drexler. Damals haben diese in der Fö deralismuskommission Weitblick bewiesen.
Wir ermahnen Sie, meine sehr verehrten Herren Drexler und Kretschmann, Ihren Einfluss und Ihre Gestaltungsmöglichkei ten jetzt, da Sie, durch den Wähler legitimiert, in Baden-Würt temberg Gestaltungsmacht haben, auch zu nutzen und diese Schuldenbremse nicht faktisch auszuhebeln oder hinauszuzö gern. Wir wollen in Baden-Württemberg in dieser Frage spit ze bleiben. Bleiben Sie nicht hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück.
Wir haben deshalb – auch im Vorfeld in der Diskussion über den Fiskalpakt – mit etwas Verwunderung zur Kenntnis ge nommen, dass Sie offensichtlich unter Haushaltsautonomie – jedenfalls war es auch heute und im Vorfeld nicht anders zu hören – immer auch verstanden haben, den Weg zur Verschul dung frei zu machen. Sie wollten sich durch den Fiskalpakt auf dem Weg bis 2020 nicht einengen lassen; das haben Sie vorhin erneut betont. Sie sollten sich aber einengen lassen. Wir können nicht europäischen Partnern abverlangen, was wir selbst nicht zu tun bereit sind.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, sollten wir uns zumindest nach dem Ergebnis der Verhandlungen von Bund und Ländern darin anstrengen, dass wir genau auch das einhalten, was wir anderen abverlangen. Das gehört auch zur moralischen An ständigkeit als Parlament, als Landtag und als Baden-Würt temberger.
Meine Damen und Herren, es ist klar, dass wir – das haben Sie zu Recht erwähnt, Herr Ministerpräsident – die Städte und Gemeinden, für die wir die Verantwortung tragen und die in der Finanzhoheit als Länder gegenüber dem Bund mit einbe zogen sind, schützen müssen. Die Ergebnisse tragen dazu bei, dass nicht nur die gesetzliche Autonomie gesichert ist, son dern sich tatsächlich auch die Finanzausstattung noch einmal deutlich verbessern kann. Wir fordern Sie auf, in den Verhand lungen, die jetzt gerade im Bereich der Eingliederungshilfe anstehen, für die Städte und Gemeinden in Baden-Württem berg entsprechend zu kämpfen.
Aber, meine Damen und Herren, wir müssen in der Summe auch darauf achten, dass die Gesamtpolitik in Baden-Würt temberg den neuen Ansprüchen eines Fiskalpakts und der Schuldenbremse auf dem Weg dorthin gerecht wird. Deshalb ist uns der Dialog mit den Kommunen im Land wichtig.
Ich schlage Ihnen deshalb vor: Lassen Sie uns in Baden-Würt temberg einen Fiskalrat gründen. In diesem Fiskalrat könnten die Landesregierung, der Landtag und vor allem die kommu nalen Landesverbände vertreten sein. Der Fiskalrat könnte fol gende Aufgaben übernehmen:
Erstens: Er sollte die Finanzbeziehungen zwischen Land und Kommunen umfassend überprüfen, um auf dem Weg zur Null neuverschuldung angemessene, gemeinsame Maßnahmen zu finden.
Drittens: Er sollte nach der Umsetzung als Landesstabilitäts rat darauf achten, dass die verbindliche Schuldenbremse so wie der Fiskalpakt auch eingehalten werden.
Viertens sollten wir dem Fiskalrat auch die Aufgabe mit über tragen, gemeinsam einen verbindlichen Zeitplan zur Tilgung der Altschulden vorzulegen.
Meine Damen und Herren, die Einigung mit dem Bund bietet eine gute Grundlage zur wirklichen Entlastung der Kommu nen. Der Bund ist den Ländern auch sehr weit entgegenge kommen. Sie haben die Entlastungen in derzeitiger Millionen höhe dargestellt; diese werden sich auch noch erhöhen.
Wir freuen uns auch ausdrücklich darüber, dass es gelungen ist, neben dem Fiskalpakt ein Gesamtpaket zu schnüren. Herr Ministerpräsident, ich wundere mich etwas: Sie haben in der Regierungserklärung im vergangenen Jahr das Wachstum noch infrage gestellt und nach neuen Begriffen hierfür ge sucht. Jetzt fordern Sie einen Wachstumspakt; den haben Sie erhalten. Was wir ausdrücklich begrüßen, ist, dass es im Zu ge des Fiskalpakts gelungen ist, dass eine Finanztransaktions steuer eingeführt wird, die sich an die Finanzmärkte richtet. Wir dürfen und können es nicht zulassen, dass diejenigen, die Verursacher dieser Krise sind, am Ende ohne Sanktionen und vor allem ohne Regeln
in einer sozialen Marktwirtschaft agieren. Soziale Marktwirt schaft heißt immer Spielfeld. Zum Spielfeld gehören die Be grenzungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt gilt es, für die Entlastungen in den weiteren Verhandlungen mit dem Bund konkrete Summen zu benennen.
Wir haben Verständnis dafür, dass die finanzschwachen Län der den Fiskalpakt nicht schon heute einhalten können. Die
Fußkranken und Lahmen bekommen unsere Unterstützung so weit wie möglich. Sie haben ja auch im Interesse der finanz schwachen Länder ausgehandelt, dass der Bund – wenn man so will – die Gesamthaftung möglicher Sanktionszahlungen bis zum Jahr 2019 tatsächlich übernimmt. Deshalb gibt es die Übergangszeit bis zum Jahr 2020. Aber ich muss Ihnen noch einmal sagen: Baden-Württemberg ist nicht Bremen, nicht das Saarland und nicht Schleswig-Holstein.
Orientieren wir uns als Land nicht an den Fußkranken und Lahmen in der Republik, sondern orientieren wir uns an de nen, die spitze sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wahrheit wird am Ende konkret sein. Deshalb will ich noch einmal appellie ren: Wir Baden-Württemberger müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Mit Baden-Württemberg als starkem Land können wir anderen auch Mut machen, dass es gelingt. Der Kompro miss zwischen Bund und Ländern gibt als spätesten Zieleinlauf das Jahr 2020 vor, aber kein Spitzensportler will als Letzter durch das Ziel kommen.
Unser Anspruch in Baden-Württemberg heißt: Spitze in allen Belangen. Die Haushaltsautonomie ist dabei keine Ausrede für unsolides Wirtschaften. Wir können schon jetzt die Null neuverschuldung erreichen.
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir haben sie doch seit zwei Jahren! – Abg. Andreas Stoch SPD: Aber die Glaskugel! – Gegenruf der Abg. Rosa Grünstein SPD: Kristall!)
Im nächsten Jahr. – Wir freuen uns über Steuereinnahmen in Rekordhöhe. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, die künftigen Haushalte – den nächsten und den übernächsten Haushalt – fit für die Zukunft zu machen. Das sind wir unseren Kindern schuldig.
Die Last, die wir heute ablegen, müssen unsere Kinder mor gen nicht mehr tragen. Deshalb sage ich ganz ausdrücklich: Lassen Sie uns gemeinsam – –
Herr Kollege Schmiedel, ich brauche keinen Taschenrech ner, um Ihnen vorrechnen zu können, dass die Belastung aus den Altschulden derzeit so niedrig ist wie in den letzten 20 Jahren nicht. Schauen Sie sich nur die Zinsentwicklungen an.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aber sie sind vorhanden! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber sie sind da! Für die Kinder!)
Lassen Sie uns einfach gemeinsam nach Wegen suchen, wie die Nullneuverschuldung bereits 2013 oder 2014 erreicht wer den kann – nicht erst 2020, sondern viel früher.
Ich weiß: Sie haben Ihren Wählerinnen und Wählern, den Menschen viel versprochen. Vieles davon hat auch mit Aus gaben zu tun. Ich weiß, dass das Thema Nullneuverschuldung in Ihren Parteien – bei der grünalternativen Jugend,
bei den Sozialdemokraten vor allen in den Gewerkschaften – kein Thema ist, mit dem man Stimmen gewinnen kann. Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass Verschuldung am Ende auch zu sozialer Verelendung führen kann und vor allem dass wir mit Schulden den nächsten Generationen neue Erblasten auftragen. Das müssen wir verhindern.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Abg. Claus Schmiedel SPD: Warum haben Sie so viele Schulden gemacht? – Zuruf des Abg. Jürgen Filius GRÜNE)
Jede Staatsinsolvenz, jede Inflation geht immer zulasten der Menschen. Deshalb appelliere ich an Sie, Herr Ministerpräsi dent: Verstehen Sie Nachhaltigkeit nicht nur als eine ökologi sche, sondern auch als eine soziale und eine ökonomische Nachhaltigkeit. Dann kommen Sie auf einen guten Weg.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Genau das machen wir! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die Einsicht kommt spät!)
Herr Präsident, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist keine Kaffeefahrt und kein Schönwetterprojekt. Deshalb soll te heute von diesem Landtag einmütig die Botschaft ausge hen, dass Europa es verdient hat, dass wir dafür kämpfen. Ich kann sagen: Wir kämpfen für Europa in guten wie in schlech ten Zeiten, meine Damen und Herren.
Für Europa und für eine nachhaltige Zukunft Europas lohnen sich intensive und langwierige Verhandlungen auf europäi scher Ebene, auf Bundesebene, zwischen Regierung und Par lament, zwischen Regierung und Opposition, innerhalb von Parteien und Fraktionen, und auch zwischen Bund und Län dern, meine Damen und Herren, lohnen sich langwierige Ver handlungen. Das Ergebnis, das heute vom Ministerpräsiden ten präsentiert worden ist, ist ein gutes Ergebnis dieser langen Verhandlungen. Dafür ganz herzlichen Dank von unserer Sei te.