Die Haushaltsautonomie der Länder bleibt bei der innerstaat lichen Umsetzung des Fiskalpakts erhalten, und die länderin dividuellen Anpassungspfade bis 2019 werden voll anerkannt. Es war das Allerwichtigste, dies bei den Verhandlungen hun dertprozentig abzusichern. Das ist gelungen. Das war auch im Interesse des Landtags und der Landtage der anderen Länder wichtig.
Im Stabilitätsrat überwachen Bund und Länder gemeinsam die Einhaltung der gesamtstaatlichen Defizitobergrenze. Das Risiko, dass die Länder bei einem Verstoß Deutschlands ge gen den Fiskalpakt Sanktionen an Brüssel zahlen müssen, nimmt der Bund ihnen nun bis 2019 komplett ab. Ich muss darauf hinweisen, dass wir außer der Grunderwerbsteuer kei ne eigenen Steuererhebungsrechte haben. Darum war es wich tig, das herauszuverhandeln.
Bund und Länder haben sich zudem auf ein „intelligentes Schuldenmanagement“ verständigt. Künftig soll eine gemein same Kreditaufnahme möglich sein. Eine erste Anleihe soll im Jahr 2013 emittiert werden. Allerdings soll es nach den Vorstellungen des Bundes bei einer teilschuldnerischen Haf tung bleiben.
Zudem will der Bund den Ländern bei der Eingliederungshil fe für Menschen mit Behinderungen entgegenkommen. Lei der ist es trotz eines einstimmigen Beschlusses der Minister präsidentenkonferenz nicht gelungen, den Bund dazu zu be wegen, dass er einer Übergangslösung zustimmt. Das wäre
wichtig gewesen, weil die Eingliederungshilfe in den nächs ten Jahren wirklich dramatisch ansteigen wird. Aber immer hin haben wir ausverhandeln können, dass im kommenden Herbst ein neues Bundesleistungsgesetz zur Eingliederungs hilfe erarbeitet wird, das spätestens in der kommenden Legis laturperiode verabschiedet wird und in Kraft treten soll. Ziel der Länder muss dabei sein, dass der Bund schrittweise mit dem Leistungsgesetz die Eingliederungshilfe übernimmt.
Wie gesagt: Die Übergangsregelung – das sind etwa 12 Mil liarden € –, dass im Übergang Bund, Länder und Kommunen jeweils ein Drittel, also jeweils 4 Milliarden €, tragen, konn te trotz größter Bemühungen und sehr langer und intensiver Vorverhandlungen nicht durchgesetzt werden. Das hat es uns wirklich schwer gemacht, aber da war nichts zu machen.
Eine Entscheidung über die sogenannten Entflechtungsmittel für die Jahre 2014 bis 2019, welche der Bund den Ländern als Ausgleich für die Aufgabenerfüllung nach Artikel 143 c des Grundgesetzes bezahlt, soll im Herbst dieses Jahres fallen. Der Bund hat in Aussicht gestellt, den Ländern weiterhin Mit tel z. B. zur Verbesserung der kommunalen Verkehrsverhält nisse – das betrifft das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz – zukommen zu lassen. Verhandeln müssen wir dann noch über die genaue Höhe der Zahlungen.
In zwei Punkten hat der Bund den Ländern verlässliche Zu sagen gemacht, ohne dass diese in den Eckpunkten festge schrieben wurden. Das hat seinen Grund darin, dass es Diffe renzen darüber gibt, ob diese sich aus dem Fiskalpakt erge ben. Deswegen haben wir das zwar verhandelt bekommen, aber nicht in die Eckpunkte aufgenommen. Vielmehr wird der Bund morgen im Bundesrat entsprechende Protokollerklärun gen hierzu abgeben:
Erstens: Bei der Grundsicherung im Alter wird der Bund künf tig die jeweils aktuellen Nettoausgaben des aktuellen Kalen derjahrs erstatten, also Spitzabrechnung. Nach Aussagen des Bundes bedeutet dies für 2013 555 Millionen €, für 2014 702 Millionen € und für 2015 751 Millionen €. Das ist sehr zu be grüßen und entspricht unseren Forderungen.
Denn auch in Baden-Württemberg hat die Zahl der Berech tigten, deren Renteneinkommen zur Sicherung des Existenz minimums nicht ausreicht, in den vergangenen Jahren stetig und erheblich zugenommen. Mit einer Steigerung der Ausga ben müssen wir auch in Zukunft rechnen.
Zweitens: Auch für den weiteren Ausbau der Kindertagesstät ten hat der Bund seine Unterstützung zugesagt. Die Länder sollen einmalig rund 580 Millionen € an Investitionsmitteln zusätzlich erhalten. Der Bund will sich zudem mit jährlich 75 Millionen € auf Dauer an den Betriebskosten beteiligen. Das entspricht einem Aufwuchs von 750 000 auf 780 000 Plät ze.
Die Länder haben damit zentrale Anliegen gegenüber dem Bund durchverhandeln können. Dies ist ein großer Erfolg für Baden-Württemberg und seine Kommunen, der sich auch in unseren baden-württembergischen Städten und Gemeinden bemerkbar machen wird.
Wir haben erreicht, dass die Bundesregierung die finanziellen Belastungen der Länder durch den Fiskalpakt anerkennt. Des wegen war der Sonntag, an dem wir das verhandelt haben, ein guter Tag für die innerstaatliche Zusammenarbeit, aber beson ders auch für die Kommunen in der Republik.
(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
Meine Damen und Herren, wir haben damit zur Stabilisierung Europas beigetragen. Wir stehen zu unserer Verantwortung, und ich gehe davon aus, dass nahezu alle Länder dem Fiskal pakt im Bundesrat zustimmen werden. In dieser Situation wä re es nicht verantwortbar, den Fiskalpakt ausgerechnet in Deutschland scheitern zu lassen. Wir brauchen ein starkes Si gnal aus Deutschland an die verunsicherten Finanzmärkte und die Europartner.
Damit sind aber natürlich noch nicht alle Fragen rund um die Bewältigung der Staatsschuldenkrise, die Rahmenbedingun gen für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung und eine Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion be antwortet.
Als überzeugter Föderalist sage ich: Wir werden die Europä ische Union stärken müssen; wir werden Hoheitsrechte abge ben müssen, damit wir in dieser globalisierten Welt auch in Zukunft gehört werden. Wir erleben gerade, dass eine bloße Währungsunion ohne politischen Unterbau eben nicht funk tioniert. Darüber sollten wir uns im Klaren sein.
Eine vertiefte europäische Integration und die Übertragung weiterer Kompetenzen an die EU müssen aber im Einklang mit unserer Verfassungsordnung stehen. Dies könnte letztend lich auch eine Grundgesetzänderung erforderlich machen. Als ein möglicher Weg ist hierfür in den vergangenen Tagen eine Volksabstimmung auf Bundesebene diskutiert worden.
Es ist aus meiner Sicht aber eine sehr grundsätzliche politi sche Frage, ob und wie wir direktdemokratische Verfahren im bundesstaatlichen Kontext verankern. Das Grundgesetz ist of fen dafür. Nach Artikel 20 wird die Staatsgewalt vom Volk in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Bislang allerdings wer den Abstimmungen nach dem Grundgesetz nur bei Länderfu sionen ausgeführt.
Ich halte es für richtig, dass bei Fragen von grundsätzlicher politischer Bedeutung eine Volksabstimmung durchgeführt werden kann. Die Debatte aber allein auf europäische The men zu beschränken, halte ich nicht für überzeugend. Viel mehr muss es darum gehen, diese zentrale demokratische Grundfrage in einem umfassenden Zusammenhang zu disku tieren.
Mit dem Bund müssen wir sicherlich auch darüber beraten, wie künftig die Beteiligung der Länder noch verbessert wer den kann. Europäische Regelwerke von elementarer Bedeu tung und mit finanziellen Auswirkungen können nicht „im Schweinsgalopp“ durch das parlamentarische Verfahren ge jagt werden. Hier gilt es, die Rechte der parlamentarischen In stitutionen auf Bundes- und Landesebene zu achten.
Wir haben schon in der Vergangenheit dafür gekämpft, dass das Zusammenwachsen in der Europäischen Union nur mit einem funktionierenden Föderalismus gelingt. Aus gutem Grund hat dieser Landtag das weitestgehende Gesetz zur Be teiligung in Angelegenheiten der Europäischen Union be schlossen. Als Landesregierung ist es daher unsere Verpflich tung Ihnen gegenüber, meine sehr verehrten Damen und Her ren Abgeordnete, darauf zu achten, dass mit dem Fiskalpakt nicht die Autonomie des Landtags ausgehebelt wird.
Deshalb haben wir unsere Zustimmung zu einem solch kom plexen Regelwerk nur erteilt, weil die Haushaltsautonomie des Landtags und die Selbstverwaltungsgarantie der Kommu nen sowohl verfassungsrechtlich als auch in der finanziellen Realität abgesichert sind.
Die baden-württembergische Landesregierung steht zu Euro pa. Wir wollen die Ratifizierung dieses Pakts, und wir werden die weiteren Entwicklungen sorgfältig beobachten und kons truktiv begleiten.
Klarheit in den Zielen, Kompromissbereitschaft auf dem Weg dorthin – nur so können wir am europäischen Haus erfolg reich weiterbauen.
(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der SPD – Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)
Meine Damen und Herren, für die Aussprache hat das Präsidium eine Redezeit von zehn Minu ten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gel ten.
In der Aussprache erteile ich nach § 83 a Absatz 3 der Ge schäftsordnung Herrn Abg. Hauk für die CDU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat in der Tat völlig recht, wenn er sagt: Das ist eine neue Weichenstellung in der europäischen Einigung. Es ist wahr: Es ist ein neuer Meilenstein erreicht. Es ist auch die erste Antwort, die ein ge samter Kontinent mit dem Fiskalpakt auf die Herausforderun gen der globalen Finanzmärkte gibt. Insofern hat bisher noch niemand darauf reagiert. Es ist auch die Antwort darauf, dass solides Haushalten, solides Wirtschaften die Grundlage für die Bedeutung einer Währung ist. Unsolides Haushalten und Wirtschaften kann Menschen am Ende auch gefährden oder ins Unglück stürzen. Deshalb sind wir alle gehalten, solide Haushalte aufzustellen und Schulden einzudämmen.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen deshalb außerordent lich, dass einerseits zwischen den Bundestagsfraktionen mit Ausnahme der Linken und andererseits zwischen Bund und Ländern erreicht werden konnte, dass dieser Fiskalpakt kommt. Wir haben mit unseren Forderungen nach Einführung einer faktischen Schuldenbremse in Europa tatsächlich Gehör ge funden.
Wir brauchen eine umfassende Einbindung des Landtags auch in die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Des halb, Herr Ministerpräsident, danke ich Ihnen auch für die kla re Verdeutlichung, dass der Landtag von Baden-Württemberg hierbei nicht nur im Nachhinein informiert wurde, sondern dass Sie alles daransetzen, dass auch bei zukünftigen Themen und Maßnahmen die Einbindung des Landtags in die Entschei dungsfindung garantiert ist.
Meine Damen und Herren, der Fiskalpakt setzt neue Maßstä be für solides Handeln. Er beendet uferlose Schulden, und er hilft damit auch kommenden Generationen, ihre eigenen Zie le zu verwirklichen. Erstmals bekennt sich ein gesamter Kon tinent dazu, nicht mehr auszugeben, als man tatsächlich ein nimmt. Wir erhalten damit als Europäer, als Deutsche, als Ba den-Württemberger auch ein Stück Unabhängigkeit zurück, Unabhängigkeit von den Finanzmärkten, Unabhängigkeit von anderen Wirtschaftsmächten. Damit ist dieser Fiskalpakt eine Konsequenz aus der Schuldenkrise.
Wir sehen ja in einigen Ländern der Eurozone, wohin die Schuldenpolitik führt. Der Fiskalpakt ist auch eine Bewäh rungsprobe für Europa. Deshalb kommen wir nur gemeinsam mit entschiedenen Schritten voran.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in dieser ganz entschei denden, wichtigen Frage Führungsstärke nicht nur in Deutsch land, sondern auch in Europa bewiesen.
Aber ich will auch einem anderen Baden-Württemberger herz lich danken, nämlich unserem Bundesfinanzminister Wolf gang Schäuble.
(Beifall bei der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Er hat einen verfassungswidrigen Vorschlag gemacht!)
Er führt das Schiff in schwierigen Zeiten gut, er gibt in schwie rigen Zeiten in allen Finanzfragen einen guten Vormann ab, und er wahrt die Interessen Deutschlands in Europa.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle: Sparen ist kein Selbstzweck. Sparen garantiert uns Eigenständigkeit. Ausge glichene Kommunalhaushalte sichern Gemeinden, Städten, Landkreisen die Eigenständigkeit. Ausgeglichene Länderhaus halte sichern den Ländern die Eigenständigkeit. Ausgegliche ne nationale Haushalte sichern den Nationalstaaten die Eigen ständigkeit.
Deshalb müssen wir aus dieser Schuldenspirale kommen. Denn Schulden führen am Ende immer nur zur Abhängigkeit von anderen, und sie schränken den Entscheidungsfreiraum der nächsten Generation ein. Schulden nehmen den Menschen auch die Würde, sie nehmen den Staaten die Würde.
Man sieht dies heute zum Teil am Beispiel Griechenland. Aber ich möchte, ehrlich gesagt, auch nicht in der Haut des ameri kanischen Präsidenten stecken, wenn er in Peking vorreitet.