Protokoll der Sitzung vom 19.07.2012

Danke.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags. Der Antrag ist ein reiner Berichtsantrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen zu.

Damit ist Punkt 10 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der

SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Finan zen und Wirtschaft – Bodenverkehrsdienste am Flug hafen Stuttgart – sozial verträgliche Arbeitsbedingun gen, Qualität und Sicherheit der Bodenverkehrsdiens te müssen höchste Priorität haben – Drucksache 15/1966

b) Antrag der Fraktion der CDU – Bodenverkehrsdiens

te am Flughafen Stuttgart – sozial verträgliche Arbeits bedingungen, Qualität und Sicherheit dauerhaft ge währleisten – Drucksache 15/1996

Bevor wir in die Aussprache eintreten, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie auf Folgendes hinweisen: Die Fraktio nen haben sich heute auf den interfraktionellen Antrag Druck sache 15/1966 (geänderte Fassung) geeinigt, der Ihnen zwi schenzeitlich vorliegt und der die Anträge Drucksachen 15/1966 und 15/1996 ersetzt.

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung des Antrags Drucksache 15/1966 (geänder te Fassung) erteile ich das Wort Herrn Kollegen Schmiedel.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zunächst herzlichen Dank, dass ich die Begründung des gemeinsamen Antrags übernehmen darf.

In Unternehmen gibt es üblicherweise einerseits Kernaufga ben und andererseits auch Randbereiche, die jedoch notwen dig sind, damit der Kern funktioniert. Bei einem Flughafen bedarf es also, damit ein Flieger starten und landen kann, auch Arbeiten am Boden, nicht nur in der Luft und auch nicht nur das Kaufmännische um den Flughafen herum. In der guten al ten Zeit, möchte ich einmal sagen, war das alles beieinander. Bei jedem wurde respektiert, dass er einen Beitrag leistet, da mit das Gesamtsystem Flughafen funktioniert. Für alle galt ein einheitlicher Tarifvertrag.

Dann hat etwas, was leider auch in vielen Industriebetrieben Einzug gehalten hat – dass man versucht, Bereiche, von de nen man meint, sie gehörten nicht unmittelbar zur Aufgaben stellung des Betriebs, auszugliedern und entweder andere Ta rifverträge oder gar keine Tarifverträge abschließt oder Leih arbeitsstrukturen schafft oder befristete Beschäftigung ver stärkt –, auch am Flughafen Einzug gehalten. Dies geschah leider – das muss man sagen – auf Weisung der Europäischen Union. Dies deutet darauf hin – das müssen wir leider fest stellen, obwohl wir alle Europäer sind –, dass die Europäische Union – jedenfalls die Europäische Kommission und der Eu ropäische Gerichtshof – doch noch sehr in der Denkweise ver haftet ist, Europa sei nicht viel mehr als eine Freihandelszo ne.

Man hat also verordnet, dass es bei den Bodendiensten Wett bewerb geben muss, dass dort mindestens zwei Konkurrenten zugelassen werden müssen. Das ist auch passiert. Am Flug hafen Stuttgart sind eine Tochtergesellschaft des Flughafens und ein freier Anbieter hinzugekommen.

Jetzt ist etwas eingetreten, was uns Sozialdemokraten mäch tig gegen den Strich geht. Es findet dort jetzt Wettbewerb statt – aber nur auf der Basis niedrigerer Löhne.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Der Wettbewerb findet nicht um Qualität und nicht um Sicher heit statt, sondern nur um niedrigere Löhne.

Somit wurde dort eine Kaskade in Gang gesetzt. Es gibt un ter den Beschäftigten der Flughafengesellschaft immer noch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bodenservice. Diese wer den nach Tarifvertrag entlohnt. Darunter gibt es die Tochter gesellschaft. Für die dort Beschäftigten wird es schon schwie riger. Diese werden nicht nach Tarif bezahlt, sondern sozusa gen pro abgefertigtes Flugzeug. Als dritte Stufe kommen die Beschäftigten des privaten Anbieters. Diese werden auch pro abgefertigtes Flugzeug bezahlt, aber in der Regel nur noch be fristet beschäftigt. Für diese gilt also der Niedriglohn, und gleichzeitig haben sie nur eine befristete Beschäftigung. Das ist im Klartext das, was wir eine prekäre Arbeitssituation nen nen. Das widerspricht auch dem, was wir uns gemeinsam in der Koalition vorgenommen haben – aber darin stimmen wir ja alle überein –, dass wir nämlich möglichst alles tun, damit es in Baden-Württemberg gute Arbeitsplätze gibt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Jetzt gibt es einen Fortschritt. Die Kollegen haben sich zusam mengetan. Es gibt nicht mehr nur bei der Flughafenstammbe legschaft einen Betriebsrat, sondern auch bei der Tochterge sellschaft. Seit gestern gibt es auch bei dem freien Anbieter einen Betriebsrat.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Das heißt, jetzt sind einmal Strukturen eingezogen worden, bei denen die Arbeitnehmer über ihre Betriebsräte auch ihre Rechte einfordern können. Aber noch immer gibt es nicht in allen Bereichen einen Tarifvertrag. Ein Tarifvertrag ist nun einmal die Voraussetzung dafür, dass man sich gemeinsam zu sammenschließt, um bessere Arbeitsbedingungen und besse re Löhne zu erstreiten. Es ist der Kern der sozialen Marktwirt schaft, dass die Arbeitnehmer der Macht des Unternehmens eine Organisationsform entgegenstellen können.

Deshalb wollen und müssen wir weiter an diesem Thema ar beiten. Entweder es gibt einen Haustarifvertrag, oder es gibt einen Flächentarifvertrag. Wenn sich die Flughafengesell schaften insgesamt zu einer Tarifgemeinschaft zusammen schließen würden und einen Tarifvertrag für die Bodendiens te in der Bundesrepublik insgesamt abschließen würden, dann gäbe es überhaupt kein Problem mehr mit mehr Wettbewerb; denn dann müsste jeder Wettbewerber diesen Tariflohn bezah len, wenn er für allgemein verbindlich erklärt wird. Dann wür de tatsächlich Wettbewerb um bessere Qualität, besseren Ser vice und mehr Sicherheit stattfinden. Dann wäre das erreicht, was wir uns vom Wettbewerb in der Marktwirtschaft verspre chen: Wettbewerb um Qualität, Wettbewerb um Innovation, aber nicht Wettbewerb um niedrigere Löhne, um dann mit Dumpinglöhnen den Wettbewerb für sich zu entscheiden.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Diese Situation gibt es noch nicht. Das, was jetzt in der Euro päischen Kommission im Weiteren angedacht wird, nämlich die Wettbewerbsschraube noch einmal weiterzudrehen, wür de deshalb dazu führen, dass Anbieter mit noch niedrigeren Löhnen, mit noch schlechteren Arbeitsbedingungen und viel leicht sogar mit einer vagabundierenden Belegschaft – die von irgendwoher herbeigeholt und am Flughafen zum Entladen versammelt wird – den Wettbewerb zerstören würden, sodass sich am Ende die Arbeitsbedingungen für das gesamte Boden personal am Flughafen noch weiter verschlechtern würden. Weder die Flughafengesellschaft noch wir haben daran jedoch ein Interesse.

Deshalb bin ich froh, dass wir übereingekommen sind, uns gemeinsam an die Verantwortlichen auf europäischer Ebene zu wenden, und zwar mit der Aussage: Lasst den Quatsch. Es bringt nichts. Es bringt nicht mehr Sicherheit. Es bringt letzt lich auch keinen großen Preisvorteil. Vielmehr führt es nur dazu, dass das, womit Flughäfen werben, nämlich ein Jobmo tor zu sein, diskreditiert wird. Wenn man die Arbeitsbedin gungen immer weiter verschlechtert und immer mehr einzel ne Gesellschaften am Flughafen hat, führt es letztlich auch da zu, dass das eintritt, was wir in Frankfurt erlebt haben: Eine kleine Gruppe, die man jedoch auch benötigt, damit das Flug zeug starten kann, beginnt zu streiken und ihre Arbeitsbedin gungen in den Vordergrund zu stellen, und der ganze Flugha fen ist lahmgelegt, was hohe ökonomische Verluste mit sich bringt.

Auch das spricht dafür, dass man endlich einmal über einen Flächentarifvertrag auch für die Flughafenbetreiber, auch für die Fluggesellschaften verlässliche Rahmenbedingungen schafft, damit nicht einmal hier, einmal da gestreikt wird und der ganze Flugverkehr durcheinandergewirbelt wird. Das ist unsere Hoffnung. Wir sind damit nicht allein. Es gab eine Ver anstaltung am Flughafen selbst. Der Berichterstatter im Eu ropäischen Parlament, ein Abgeordneter von der CDU,

(Abg. Felix Schreiner CDU: Guter Mann!)

hat sich bei diesem Thema massiv gegen das Vorhaben der EU ausgesprochen. Wir sind also mit unserer Position auch im Europäischen Parlament gut aufgestellt. Deshalb hoffe ich, dass, wenn wir diese Resolution gemeinsam beschließen, die se beachtet wird, Gehör findet und im Europäischen Parla ment denjenigen hilft, die abwenden wollen, dass es innerhalb

der Flughäfen in Deutschland noch mehr Klassengesellschaf ten gibt und letztlich die Arbeitsbedingungen der Schaffer am Boden noch weiter verschlechtert werden.

Wir wollen das Gegenteil. Wir wollen, dass sie Zug um Zug auch Tarifverträge und vergleichbare Arbeits- und Einkom mensbedingungen bekommen. Deshalb ist es ein guter Tag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Flughafen, wenn wir diese Resolution beschließen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abg. Kunzmann das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Kommission plant eine Änderung der Richtlinie „Zugang zum Markt der Bodenab fertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft“. Eine sperrige Bezeichnung; diese Richtlinie hat aber Auswirkun gen für die Mitarbeiter.

Worum geht es? Die EU-Kommission plant eine weitere Li beralisierung an den größten Flughäfen, eine Liberalisierung, die außer den Fluggesellschaften niemand will: der Flugha fen nicht, die Beschäftigten schon gar nicht und wir von der CDU-Fraktion auch nicht.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Unsere Flughäfen leben von guter Qualität und den hohen Si cherheitsstandards bei der Abfertigung. Qualität hat ihren Preis.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD – Zuruf von den Grünen: Sehr gut! – Zuruf: Genau!)

Wer Preisdumping aus einem falsch verstandenen Liberali sierungsgedanken fördert, gefährdet Qualität und Sicherheit. Die EU-Kommission will den Flughafengesellschaften ver bieten, Bodenverkehrsdienste selbst direkt oder indirekt an zubieten. Sie will zudem den Markt, der bisher am Flugha fen auf maximal drei Anbieter beschränkt ist, öffnen. Für den Flughafen Stuttgart würde das bedeuten, dass die Bodenver kehrsdienste von den Füßen auf den Kopf gestellt würden. Dies wäre für die Beschäftigten auf jeden Fall mit schlech teren Arbeitsbedingungen, vielleicht sogar mit Arbeitslosig keit verbunden. Das wollen wir, die CDU-Fraktion, nicht ak zeptieren.

Deshalb stellen wir uns an die Seite der Beschäftigten und des Flughafens.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und der SPD – Abg. Felix Schreiner CDU: So ist es!)

Wir sind der Meinung, dass wir uns gemeinsam gegen die Plä ne der EU-Kommission wenden müssen. Die Landesregie rung ist aufgefordert, aktiv zu werden, und wir werden sie da bei unterstützen.

(Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE: Klasse!)

Dabei ist für uns auch klar, dass die Ausgestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen am Flughafen selbst grundsätzlich Sache der Tarifpartner ist.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Genau!)

Hier kann die Landesregierung, wenn sie es für richtig hält, über den Aufsichtsrat ihren Einfluss geltend machen. Medial ausgetragene Differenzen helfen weder dem Flughafenbetrei ber noch den Beschäftigten am Flughafen.

Umso erfreulicher ist es, dass es gelungen ist, heute einen fraktionsübergreifenden Antrag vorzulegen, der auch zum Ausdruck bringt, welche gemeinsame Verantwortung der Land tag für den Flughafen Stuttgart trägt. Ich glaube, es ist schon ein starkes Signal, dass der Landtag in dieser Sache, die für die Flughafenbeschäftigten von zentraler Bedeutung ist, heu te, so kurz vor dem Ende der letzten Sitzung vor der parlamen tarischen Sommerpause, mit einer starken Stimme spricht.