Protokoll der Sitzung vom 08.11.2012

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Jetzt hatten noch Kollege Kößler, Kollegin Kurtz und Kollege Schebesta darum gebeten, Nach fragen zu stellen. Als Erster spricht Kollege Schebesta, dann Kollege Kößler, dann Kollegin Kurtz.

Herr Kollege Schebesta, bitte.

Frau Ministerin, ich hatte mich gemeldet, als Sie gesagt haben, die regionale Schulentwick lung sei ein Qualitätssicherungsprogramm.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ja!)

Jetzt, da die Zahl 40 pro Klassenstufe und die Zweizügigkeit im Raum stehen, interessiert mich, ob Sie damit zum Aus druck bringen wollen, dass auch an bestehenden Schulen kei ne Qualität möglich ist, wenn sie weniger Schüler haben.

Ich frage das vor dem Hintergrund, dass auch Sie gesagt ha ben: „Qualität geht vor.“ Ministerpräsident Kretschmann hat am Montag auf einer Veranstaltung des Städtetags gesagt: „Qualität geht vor Nähe.“ Der Staatssekretär hat im Schulaus schuss gesagt: „Wir gehen auch an die Bestandsschulen, weil wir bei unter 40 Schülern pro Klassenstufe mit den Schulen darüber reden müssen, ob so die Gewährleistung von Quali tät noch möglich ist.“

Ich finde, in ganz vielen Schulen in unserem Land, die keine 40 Schülerinnen und Schüler pro Klassenstufe haben – das sind einige –, wird sehr gute Arbeit geleistet. Das stellen Sie mit Ihren Äußerungen infrage.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Würden Sie mir bitte erklären, warum Qualität erst ab einer Schülerzahl dieser Größenordnung möglich ist?

Sie haben jetzt wieder gesagt, es gehe dabei nur um die Ge nehmigung von neuen Schulen. Der Staatssekretär hat auf Nachfrage im Schulausschuss deutlich gesagt: „Es geht auch um die bestehenden Schulen. Man muss mit ihnen darüber re den, ob bei weniger als 40 Schülern pro Klassenstufe noch gu te Arbeit möglich ist.“ Die Aussagen vom Ministerpräsiden ten beim Städtetag waren auch nicht anders zu verstehen.

Bitte sprechen Sie hier also die Dinge offen an, so, wie Sie es auch für die neuen Schulen gesagt haben; aber erwecken Sie nicht den Eindruck, dass alle Schulen von Ihnen eine Be standsgarantie bekämen. Mit der regionalen Schulentwick lung setzen Sie die Maßstäbe ganz schön hoch; denn 40 Schü ler je Klassenstufe ist ganz schön viel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nein!)

Frau Ministerin, bitte.

Diese Frage beantworte ich sehr gern, um noch einmal Folgendes darzustellen: An allen Schulen in Baden-Württemberg wird sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe mir sehr viele kleine Schulen im ländlichen Raum angeschaut. Es ist gut, dass Sie mir noch einmal die Gelegenheit geben, zu betonen:

(Abg. Volker Schebesta CDU: Schade, dass das not wendig ist!)

Es wird sehr gute Arbeit geleistet.

(Zurufe: Hört, hört!)

Worum geht es, Herr Schebesta? Sie wissen es doch. Wenn eine Schule eine bestimmte Größe unterschreitet, dann kann diese im weiterführenden Bereich nicht mehr diese Differen ziertheit, diese Wahlmöglichkeiten bieten, wie das in einer großen Schule möglich ist. Das liegt doch auf der Hand.

Wenn es an einer Schule irgendwann nur noch zwei Lehrer gibt, dann wird es schwierig, Schule zu organisieren. Darum geht es. Das ist mit dem Begriff Qualität gemeint. Aber ich nehme den Hinweis auf, dass wir das sorgfältiger formulie ren.

Jetzt zu der Frage, wie es mit den Bestandsschulen ist. Die re gionale Schulentwicklungsplanung umfasst die gesamte Schul landschaft, so, wie sie besteht. Das ist im Wesentlichen der Be stand. Das bedeutet, dass wir uns in einem Planungsgebiet an schauen – man muss es ja irgendwie umreißen –: Wie können wir es hinbekommen, dass an diesem Ort über einen Zeitraum, der vielleicht zwei oder drei Jahre übersteigt, eine nachhaltig leistungsfähige Bildungsinfrastruktur vorhanden ist, die es er möglicht, dass die Schülerinnen und Schüler an Schulen in er reichbarer Nähe tatsächlich jeden Schulabschluss machen können?

Man schaut sich dann die Bestandsschulen an und sieht wo möglich, dass manche Schulen diese Leistungsfähigkeit ein fach nicht haben. Das mache ich im Wesentlichen nicht dar an fest, dass es dort weniger als 40 Schüler gibt; vielmehr geht es darum, dass man eine stabile Zweizügigkeit abbildet.

Was ich damit sagen will, ist: Schule und Schulentwicklung sind ein Prozess. Wenn man sieht, dass an einer Schule über kurz oder lang entweder die Zweizügigkeit nicht zu halten ist oder die Schülerzahl irgendwann unter den festgesetzten Wert rutscht, dann muss ich doch die Frage beantworten: Was tun wir, um die Schule zukunftsfähig aufzustellen? Dann muss man in der Tat – das wissen die Menschen vor Ort aber auch – die Frage beantworten: Kann sich diese Schule mit einer an deren zusammentun, damit der Schülerstrom stärker wird? Gibt es die Möglichkeit, eine Gemeinschaftsschule zu wer den? Oder muss ein Standort sozusagen auslaufen? Diese Fra gen sind zu beantworten. Im Rahmen der regionalen Schul entwicklungsplanung werden wir diese Fragen gemeinsam mit den Beteiligten und mit den Schulträgern vor Ort beant worten.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Herr Kollege Kößler.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Gründlichkeit vor Tem po! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Gründlichkeit vor Zentralisierung!)

Ich will noch einmal auf Fol gendes eingehen: Sie reden von Transparenz. Sie reden von Offenheit usw. Aber was ich bisher festgestellt habe, ist, dass Sie im Grunde genommen nur Schulen genehmigen, ohne mit den Beteiligten im Umfeld gesprochen zu haben. Sie sind jetzt wieder dabei – ich sage es noch einmal, weil ich es von mei nem Wahlkreis kenne –, dasselbe zu machen.

Diese Prozesse hätten vor der Genehmigung stattfinden müs sen. Sie wollten bereits im Frühjahr bzw. Anfang Februar 100 Schulen genehmigen. Ich weiß aus meinem Wahlkreis, dass viele Gemeinden oder Kommunen die Hoffnung haben, dass sie ihre Schule erhalten. Diese Hoffnung wurde jetzt bereits eineinhalb Jahre lang genährt. Im Grunde wissen Sie aber ganz genau, dass Sie 50 % der Schulen nicht erhalten können.

Jetzt meine konkrete Frage: Was machen Sie mit den Real schulen? Wollen Sie in Zukunft überhaupt noch Realschulen im Land haben?

Frau Ministerin.

Gestatten Sie mir: Allein schon die Fra ge macht deutlich, dass unsere Meinungen bezüglich der Sys tematik, wie man regionale Schulentwicklung macht, immer noch auseinandergehen. Es geht nicht darum, eine bestimm te Schulart nicht mehr zu wollen, sondern es geht darum, ei ne Entwicklung, die sich abzeichnet, die wir sehen – da reicht schon der gesunde Menschenverstand; man sieht es am Über trittsverhalten der jungen Menschen –, tatsächlich konstruk tiv zu begleiten, sie nicht mehr dem Zufall zu überlassen, son dern sie tatsächlich konstruktiv zu steuern.

Jetzt kommen wir zum Genehmigungsverfahren, weil Sie das nochmals erwähnt haben. Ich habe Ihnen gerade versichert, dass bei der Prüfung der öffentlichen Belange jeweils mit al len benachbarten Schulträgern geredet wird. Wenn Ihnen et was anderes bekannt ist, sagen Sie mir das bitte, schreiben Sie es mir; dann gehe ich dem nach. Denn es gehört in der Tat zum Genehmigungsverfahren dazu, festzustellen, ob der ent sprechende Bedarf vorhanden ist.

Das setzt voraus, dass mit allen gesprochen wird. Es gibt vie le, viele Gespräche der Staatlichen Schulämter, der Regie rungspräsidien und der Stabsstelle mit unterschiedlichen Schulträgern in den Regionen, um zu vernünftigen, tragfähi gen Lösungen zu kommen. Das ist im Augenblick die gängi ge Praxis. Wenn Ihnen etwas anderes bekannt ist, müssen Sie mir das ganz konkret benennen, damit ich dem nachgehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Frau Kollegin Kurtz.

Frau Ministerin, Sie haben vorhin von einem sogenannten Zweisäulenmodell gesprochen. Als eine Säule haben Sie das Gymnasium genannt – wobei ich hoffe, dass Sie damit das grundständige Gymnasium ab Klas se 5 gemeint haben. Die zweite Säule haben Sie nicht weiter ausgeführt. In dieser Säule scheint es mir ziemlich zu wim meln. Sie haben dann aber u. a. gesagt, dass in diese zweite Säule auch Verbundschulen hineingepackt werden können.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Als Übergangs lösung!)

Ich möchte Sie fragen: Sind Sie bereit, Anträge auf Verbund schulen, also auf das Zusammengehen einer Realschule mit einer Hauptschule oder einer Werkrealschule, anzunehmen und zu genehmigen? Haben Sie vor, in dieses sogenannte Schulentwicklungsplanungsgesetz auch ein Kriterium aufzu

nehmen, das einen Standard dafür setzt und Verbundschulen ermöglichen wird?

Danke schön.

Ganz klare Antwort der Ministerin zu der Frage, ob wir vorhaben, einen solchen Standard festzuset zen: Jawohl. Das ist die klare Auffassung der Ministerin, und zwar einfach deshalb, weil es vernünftig ist.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Welcher Ministe rin?)

Wir sind ja mitten im Prozess.

Es liegt auf der Hand, dass womöglich nicht jede Schule – selbst wenn sie objektiv sieht: ja, wir wollen Gemeinschafts schule werden; das ist genau der richtige Weg – sofort in der Lage ist, alle Kriterien zu erfüllen, sei es, weil die Eltern sa gen: „Wir wollen nicht sofort die gebundene Ganztagsschu le“ – da kann es ganz viele Hinderungsgründe geben –, sei es, dass vielleicht der Schulträger schon überzeugt ist, aber noch nicht alle Teile des Kollegiums. Da bin ich der Auffassung: Ja, in diesen Fällen sollten wir Entwicklungsschritte zulassen, Trittsteine einbauen, die die Entwicklung hin zu einer Ge meinschaftsschule ermöglichen.

(Abg. Karl Klein CDU: Aber nur Gemeinschaftsschu le! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD: Das Gymnasium kriegst du da nicht hinein!)

Frau Ministerin, gestatten Sie noch eine Nachfrage der Frau Kollegin Kurtz?

Ja.

Danke schön. – Noch einmal kon kret: Wie stelle ich mir das dann vor? Ist eine Verbundschule dann eine Etappe auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule?

(Zuruf von der CDU: Hat sie eben gesagt!)

Ich möchte es aber gern noch einmal von ihr hören.

Wird das dann im Genehmigungsverfahren nur für eine be stimmte Zeit bewilligt? Ist das also nur eine Zwischenphase, die zeitlich begrenzt ist? Die Verbundschule als eigenständi ges Modell ist bei Ihrem Konzept nicht vorgesehen?