und sogar Einfluss auf das Regierungshandeln gewinnen. Das muss uns besorgen. Deswegen sind wir alle aufgefordert, uns neue Formate der Bürgerbeteiligung zu überlegen.
Wir müssen dabei zunächst etwas ganz Einfaches im Auge ha ben: Wenigstens den Zugang, den starke Interessen- und Lob bygruppen schon heute zu den Institutionen haben, müssen wir auch der Zivilgesellschaft verschaffen. Darum geht es zu nächst einmal. Das ist eine ganz einfache und klare Ansage.
Das nehmen wir ernst, und das werden wir umsetzen. Ich ha be dazu eine Staatsrätin mit dem Titel „Staatsrätin für Zivil gesellschaft und Bürgerbeteiligung“ berufen.
Herr Kollege Hauk, es ist nicht das Ansinnen dieser Regie rung, die traditionelle Bürgergesellschaft, wie sie z. B. in Ver einen in diesem Land organisiert ist, gegen eine Bürgergesell schaft auszuspielen, wie sie jetzt in Protesten ihre Anliegen
die alten, gewachsenen und die neuen Formen der Bürgerbe teiligung, wie sie sich besonders durch die neuen Medien her vortun. Beides brauchen wir, auf beides sind wir angewiesen, und beide Gruppen haben ein Anrecht darauf, ernst genom men zu werden und an den politischen Entscheidungen betei ligt zu werden. Das ist unsere Linie.
(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Schön, dass wir jetzt die Erklä rung zur Regierungserklärung bekommen!)
Aber Sie müssten vielleicht schon einmal darüber nachden ken, was Sie mit Ihrer Aussage über „Dagegen-Bürger“ oder „Dagegen-Parteien“ eigentlich angerichtet haben. Selbstver ständlich haben wir in diesem Land viele Konflikte.
Wir müssen mit diesen Konflikten umgehen. Auch in diesen Konflikten – das hat Stuttgart 21 nun klassisch gezeigt – sind Bürgerinnen und Bürger nicht nur gegen etwas, sondern sie bringen ihre Alternativen vor. Das müssen Sie einmal wahr nehmen,
Ich lade alle dazu ein, sich auch den Kopf darüber zu zerbre chen, wie wir diese Gräben wieder schließen können und wie wir das Vertrauen in die demokratischen Institutionen wieder herstellen können.
und zwar so, dass sie wirklich wahrgenommen werden kann und nicht nur ein Angebot der Verfassung ist, das wir aber nicht umsetzen können, weil die Hürden zu hoch sind. Wir müssen die Hürden so senken, dass die Bürgerinnen und Bür ger das auch wirklich wahrnehmen können. Auf Gemeinde ebene haben wir damit doch beste Erfahrungen gemacht.
Ich bin überzeugt: Wenn wir das tun, wird es die repräsenta tive Demokratie nicht schwächen, sondern es wird sie stärken und die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt verbessern, weil die Bürgerschaft in solchen Prozessen selbst sieht, wie schwierig es tatsächlich ist, zu Lösungen zu kommen, die nicht spalten, sondern zusammenführen. Diese Erfahrung macht die Bürgerschaft bei solchen Entscheidungen dann selbst. Deshalb ist das ein guter Weg.
Meine Damen und Herren, ich habe nach dieser Debatte den Eindruck, dass die Regierung mit ihrem Regierungsprogramm auf einem guten Weg ist. Es gab daran wenig sehr grundsätz liche Kritik – mit Ausnahme der Schulpolitik; da halten Sie aber auch nur an Ihren alten Strukturen fest.
Auch hierzu will ich noch einmal sagen: Ich möchte Ihnen das Angebot machen, die Schützengräben dieser alten Kämpfe endlich zu verlassen und uns sehr klar und präzise auf die ein zelnen Reformvorhaben einzulassen, aber nicht mit Kampf begriffen wie „Einheitsschule“ oder Ähnlichem zu operieren; denn so etwas hat niemand vor.
Wenn wir die ersten Gemeinschaftsschulen einführen, weil es dafür vor Ort und aus der Bevölkerung Bedarf gibt, dann sind Sie dazu eingeladen, präzise zu kritisieren und zu beobach ten, was daraus wird,
und dann ein fundiertes Urteil abzugeben. Aber diese ganzen Polemiken mit den alten Kampfbegriffen sollten wir einmal hinter uns lassen und uns um mehr Konsens in der Bildungs politik bemühen,
Ich möchte noch einmal sagen: Wir sind dazu bereit. Das ist ein Angebot, sehr sachlich und konstruktiv darüber zu reden, denn es geht schließlich um das Beste, das wir haben: unsere Kinder und Jugendlichen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Jetzt, Herr Ministerpräsident, haben wir also die Erklärung zur Regierungserklärung gehört. Die Erklärung zur Regierungserklärung ist aber, glaube ich, wei terhin erklärungsbedürftig, weil sich eher noch mehr Fragen stellen, als sich zuvor gestellt haben. Vor allem wurden von Ihnen erneut keine konkreten Maßnahmen benannt.
Sie haben abermals sehr wortreich die Vernetzung der Ver kehrsträger und die neue Mobilität beschrieben. Das einzig Konkrete, das dabei zu hören war, war, dass man mit dem Bau einer neuen S-Bahn-Linie wohl Menschen vom Individual verkehr zum öffentlichen Nahverkehr bringen kann.
Wir haben seit der Übernahme der Zuständigkeit für den Re gionalverkehr in Baden-Württemberg den Nahverkehr ausge baut. Wir haben neue Netze geschaffen, und zwar nicht nur hier in der Region Stuttgart. Ich erinnere an die Region Unte rer Neckar und den Bau der dortigen S-Bahn, länderübergrei fend bis in die Peripherie hinein, und ich erinnere ebenso an die Regionen Mittlerer und Südlicher Oberrhein; auch dort haben wir den Regionalverkehr auf der Schienentrasse ausge baut.
Wir haben es überall geschafft, bedeutsame Zuwächse er reicht, obwohl das im Prinzip, wenn man es netto betrachtet und die Inflationsrate herausrechnet, mit den gleichen Beträ gen geschah, mit denen die Bahn zuvor erfolglos gearbeitet hatte.
Wahr ist – aber das bleibt ein Allgemeinplatz –, dass die Schnittstellen und die Vernetzungen verbessert und weiter aus gebaut werden müssen. Wahr ist aber auch, Herr Ministerprä sident, dass wir nicht den Staus hinterhergebaut, sondern vo rausschauend gebaut haben. Baden-Württemberg hat bereits heute deutschlandweit das höchste Verkehrsaufkommen. Laut einer Prognose für Deutschland ist der Anstieg des Verkehrs aufkommens beim Individualverkehr wie auch beim Güter verkehr bis zum Jahr 2025 in Baden-Württemberg am höchs ten. Das hat mehrere Gründe. Es hängt einerseits damit zu sammen, dass wir auch in der Fläche stark sind und deshalb auch in der Fläche Verkehr stattfindet – übrigens mehr als in einem Stadtstaat.
Das ist nachvollziehbar und logisch. Denn der öffentliche Nahverkehr kann in der Fläche niemals so individuell ausge staltet werden, dass er den Bedürfnissen der Menschen und der Unternehmen vollkommen gerecht wird. Das ist der ers te Punkt.
Der zweite Punkt ist: Verkehre sind bei uns zu einem großen Teil auch externen Ursprungs; Baden-Württemberg wird da bei als Transitland mit oder ohne Zwischenstopp genutzt. Das gilt nicht nur für den Güterverkehr, sondern auch für den In dividualverkehr.
Der dritte Punkt ist: Bei uns wird ein Bevölkerungsrückgang prognostiziert, der längst nicht das gleiche Ausmaß hat – das kann sich in Ihrer Regierungszeit ändern – wie in anderen Ländern. Deshalb ist es wohl wahr: Natürlich brauchen wir neue Schnittstellen. Aber wir brauchen ebenso einen Ausbau der vorhandenen Verkehrsträger. Ich weiß nicht – ich wieder hole mich –, wie Sie das ohne den Bau von Ortsumfahrungen – nicht nur im Einzelfall – schaffen wollen. Denn planfestge stellte Maßnahmen im Umfang von über 1 Milliarde € liegen bereits auf dem Tisch. Es handelt sich dabei nicht nur um zwei oder drei, sondern um zig solcher Maßnahmen.