Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen: Glücksspielsucht ist eine Krankheit, an der Zehntausende von Menschen in BadenWürttemberg leiden. Für diese Menschen – aber auch für Menschen in Situationen unterhalb der Sucht – ist das Glücks spiel viel zu oft ein Unglücksspiel. Mit ihnen leidet ein Viel faches an Personen: ihre Familien, ihre Freunde, ihr soziales Umfeld. Glücksspielsucht führt zu vollständigem gesellschaft lichen Rückzug, zu schweren Depressionen, zu Suizidgedan ken oder auch zu Suiziden.
Es geht dabei nicht nur um pathologische Erscheinungen, son dern auch ganz konkret um die wirtschaftliche Existenz von Menschen und ganzen Familien. Keine andere Sucht führt so unmittelbar in die Verschuldung und in die Verarmung. Das hat existenzielle Auswirkungen, auch wenn man die Krank heit eines Tages in den Griff bekommt.
Deswegen trägt dieses Gesetz eine ganz klare suchtpolitische Handschrift. Es ist keine Prohibition, wie manch ein Verband uns glauben machen will, aber es ist starke und effektive Prä vention.
Es geht um einen umfassenden Ansatz. Dieser betrifft nicht nur Spielhallen, sondern alle Formen von Glücksspiel. Alle Anbieter müssen sich um Suchtprävention und Glücksspie lerschutz kümmern und den Aufsichtsbehörden ein entspre chendes Konzept vorlegen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass betroffene Spieler rechtzeitig an die kommunalen Prä ventions- und Beratungsstellen herangeführt werden können und die Angestellten von Glücksspielanbietern entsprechend geschult sind.
Wie wichtig solche niederschwelligen Hilfs- und Beratungs angebote sind, können wir der Suchthilfestatistik 2011 für Ba den-Württemberg entnehmen. Diese wurde eben erst von der Liga der freien Wohlfahrtspflege vorgelegt. Immer mehr Hil fesuchende wenden sich an Suchtberatungsstellen. 2009 wa ren es noch 1 354 Personen, im Jahr 2010 bereits 1 708 und im vergangenen Jahr beinahe 2 000 Menschen. Über 90 % da von sind Männer.
Ganz entscheidend ist, dass solche Beratungsstellen in An spruch genommen werden, bevor es zu Schuldenproblemen, bevor es zur Privatinsolvenz kommt. Auch deswegen müssen die Betreiber mit dem neuen Landesglücksspielgesetz wesent lich mehr für den Spielerschutz und die Vermittlung bei Sucht problemen tun.
Das mit Abstand größte Problem für die Süchtigen, die Bera tungsangebote in Anspruch nehmen, ist das Automatenspiel. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir den Mindestabstand zwischen den Spielhallen erhöhen. Gerade angesichts des An stiegs, den wir ausweislich der Statistiken jährlich erleben, ist schnelles Handeln sehr wichtig und geboten.
Auch die Ausgestaltung der Werbung wird reglementiert. Au ßerdem sind Einlasskontrollen, Sperrdatenabgleiche und kla re Regelungen zu den Sperrzeiten vorgesehen.
Klar ist: Man kann per Gesetz nicht jede Gefährdung aus schließen. Aber die Verbindung von Prävention und Begren
zung von Glücksspielangeboten und einem guten Beratungs netzwerk ist ein ganz wichtiger Schritt. Aus suchtpolitischer Sicht ist der vorgelegte Gesetzentwurf, der auf eine effektive Prävention zielt, daher sehr sinnvoll.
Auch an dieser Stelle appelliere ich noch einmal an die FDP/ DVP-Fraktion, die dem Gesetzentwurf nicht zustimmen möchte – auf jeden Fall hat sie sich bei den Beratungen in den Ausschüssen so verhalten –: Geben Sie sich einen Ruck, weil gerade dieses Gesetz ein Zeichen dafür ist, dass wir den Markt in den Dienst des Menschen stellen und nicht umgekehrt.
Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Die FDP/DVP-Fraktion wird den Weg, der durch den Glücksspielstaatsvertrag eingeschlagen und jetzt in diesem Landesgesetz konkretisiert wurde, nicht mit gehen.
Warum werden wir diesen Weg nicht mitgehen? Das beginnt schon damit, dass man das Lotteriemonopol mit einer äußerst fragwürdigen Begründung aufrechterhalten will, nämlich mit dem Argument der Suchtbekämpfung. Wir sind nicht gegen das Monopol. Man sollte das aber überzeugend begründen. Man könnte das Monopol z. B. mit Kriminalitätsbekämpfung begründen. Das ist bekannt. Man bleibt hier aber bei der Suchtgefahr als Begründung, obwohl jeder weiß, dass die Suchtgefahr beim Lottospiel am geringsten ist. Da spielt das keine Rolle. Das ist halt keine tragfähige Begründung.
Da beginnt das Verhängnis. Vorhin wurde in einem anderen Zusammenhang das Bild einer falsch geknöpften Jacke be müht. Das passt auch in diesem Fall. Das ist von Anfang an falsch geknöpft. Jetzt muss man die Ernsthaftigkeit der Sucht bekämpfung so gut wie möglich unter Beweis stellen, und zwar außerhalb des Lotteriemonopols. Dabei tobt man sich in gewisser Weise ein bisschen zu sehr aus – trotz aller nachvoll ziehbaren Ausführungen zur Sucht, auf die ich noch zu spre chen komme.
Man gewinnt so ein bisschen den Eindruck, dass man das ge werbliche Spiel als eine Art Sündenbock entdeckt hat. Das ist sozusagen der Ausbund des Bösen. Dabei neigt man zu Über treibungen.
Wir leugnen nicht den Handlungsbedarf, was die Zahl der Spielhallen und was die Ernsthaftigkeit der Herausforderun gen bezüglich der Suchtgefahr angeht. Diesen Handlungsbe darf leugnen wir nicht. Dieser Ansatz hat aber etwas Schein heiliges, und es liegt etwas Unfaires in der Durchführung, in der Art und Weise, wie man jetzt auf diesen Bereich losgeht und einen ganzen Wirtschaftszweig kaputt macht, der mit ei nem Angriff dieser Art nun wirklich nicht rechnen konnte. Bei der jetzt vorgesehenen gesetzlichen Abstandsregelung und bei einer Begrenzung der Konzession auf 15 Jahre wird so gut wie nichts mehr übrig bleiben. Das kann man zwar machen,
aber das ist nicht sehr fair gegenüber den Betroffenen, die ih rerseits sehr weitreichende Angebote gemacht haben, sich an der Suchtbekämpfung zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, vor allem ist das ganze Unterneh men nicht erfolgversprechend, was die Suchtbekämpfung an geht. Es gibt immer die Versuchung, das Land in eine Art gro ße Erziehungs- und Entziehungsanstalt zu verwandeln und zu glauben, so komme man zum Erfolg. Gerade bei der Spiel sucht aber ist diese Annahme erstaunlich.
Sie wissen doch genau, was hinterher stattfindet. Wenn die Zahl der Spielhallen verknappt wird, sitzen die Leute zu Hau se am PC. Dort werden Sie die Leute dann weder mit einer Schuldnerberatung noch mit sonst etwas erreichen. Gerade bei diesem Thema ist es sehr einfach, dieser Prohibition, die natürlich jetzt stattfindet, auszuweichen, und zwar mit dem Ergebnis, dass Sie die Gefährdeten dann gar nicht mehr an sprechen können, weil sie nicht mehr in den Spielhallen auf tauchen, sondern zu Hause sitzen.
Die Branche selbst hat jedoch sehr brauchbare Vorschläge ge macht, z. B. die Heraufsetzung des Mindestalters auf 21 Jah re und ein absolutes Alkoholverbot. Über all diese Vorschlä ge wird nicht diskutiert; das ist nicht in Ordnung, und das ge fällt uns nicht.
Ich fasse zusammen: Unserer Meinung nach ist eine kohären te Regelung des Glücksspielwesens nicht dadurch zu errei chen, dass man neben dem Lotto das gewerbliche Spiel durch rechtliche „Erdrosselungsmaßnahmen“ zum Erliegen bringt. Das ist kein liberaler Weg, und es ist im Übrigen verfassungs rechtlich problematisch. Es muss jedem klar sein, dass es zu einer Flut von Prozessen kommen wird. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Prozesse alle verloren werden.
Es ist auch wirtschaftlich gesehen der falsche Weg, eine gan ze Branche wie die Automatenwirtschaft faktisch zu vernich ten. Darauf wird es hinauslaufen. Außerdem ist das kein er folgversprechender Weg; denn dann wird sich die Spielsucht der Betroffenen andere Wege suchen: im illegalen Bereich und vor allem im Internet. Ich habe das ausgeführt. Die Annahme, man könne Spielsüchtige vor dem PC zu Hause besser betreu en, ist eine krasse Form von Selbsttäuschung.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen, werte Kollegen! Ich gehe davon aus, dass ich mich zum Landesglücksspielgesetz heute ein bisschen kürzer fas sen kann, als dies bei der Einbringung des Gesetzentwurfs der Fall gewesen ist.
Das Thema ist uns allen bekannt. Wir haben uns in den zu rückliegenden Wochen und Monaten, wie ich finde, intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt, Ausschussberatungen und eine neuerliche Anhörung zu diesem Thema durchgeführt.
Ich konnte heute den Eindruck gewinnen – ich habe diese Er fahrung auch schon bei den Beratungen im Ausschuss machen dürfen –, dass dieses Gesetz heute mit großer Mehrheit in die sem Haus verabschiedet werden wird. Alle Fraktionen sind – das denke ich jedenfalls, Herr Dr. Goll – grundsätzlich der Auffassung, dass es eines Ausführungsgesetzes zum Glücks spielstaatsvertrag bedarf und entsprechende Regelungen ge troffen werden müssen.
Gleichwohl will ich aber noch auf ein paar Fragen eingehen, die sich ergeben haben. Sie haben solche Fragen gerade noch einmal zum Ausdruck gebracht. Es gibt aber nicht nur von Ih rer Seite Fragen, sondern z. B. auch seitens der Kirchen. Die se Fragen sind in den Ausschüssen diskutiert worden – im In nenausschuss, im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft, im Sozialausschuss –, und sie sind auch in der öffentlichen An hörung aufgeworfen worden. Auch der Änderungsantrag, der Ihnen heute seitens der Regierungsfraktionen vorgelegt wird, greift noch einiges von dem auf, was in den Beratungen dis kutiert worden ist.
Wir sind – das sollten wir nicht außer Acht lassen – beispiels weise dem Wunsch der beiden großen Landeskirchen nach gekommen, den Buß- und Bettag als Ruhetag bei den Spiel banken mit aufzunehmen. Das ist, denke ich, ein wichtiges Si gnal in unsere Kirchen hinein.
Eines der wesentlichen Anliegen derer, die im sozialen Be reich und im Suchthilfebereich unterwegs sind, war immer gewesen, auch das Thema Sozialkonzepte ausreichend zu be rücksichtigen und Vorschläge hierzu zu machen. Da hat mich wirklich gefreut, Herr Kößler – damit habe ich gar nicht ge rechnet –, dass es insbesondere Ihre Fraktion gewesen ist, die bei der Einbringung des Gesetzentwurfs hier im Plenum und danach auch im Ausschuss hinterfragt hat, ob eine Schulungs dauer von acht Stunden nicht eigentlich zu wenig sei. Das zeigt meines Erachtens zumindest einmal, dass wir, die Re gierung, die gesetzlichen Festlegungen nicht überzogen for muliert haben.
Ich will aber ausdrücklich sagen: Wir haben ganz bewusst in § 7 Absatz 2 Satz 2 formuliert, dass sich die Schulungsdauer u. a. an dem Gefährdungspotenzial des jeweiligen Glücksspiel angebots auszurichten hat und dass sie mindestens acht Stun den betragen muss. Das Gefährdungspotenzial in den einzel nen Spiel- und Spielerbereichen wird unterschiedlich gese hen, und die Schulungsdauer muss an die unterschiedlichen Bedarfe angepasst sein. Das heißt, der Ermessensspielraum ist in diesen Fällen selbstverständlich noch nach oben – nicht nach unten – offen.
Man könnte auch sagen: Die Spielhallenbetreiber haben durch diese Formulierung jetzt die Möglichkeit, unter Beweis zu stellen,
dass auch ihnen dieses Thema ernst ist. Jedenfalls habe ich aus Gesprächen, die ich geführt habe, den Eindruck, dass dies dort durchaus auch so gesehen wird.
Wie erwartet – überhaupt keine Frage; auch dies wurde heu te noch einmal zum Ausdruck gebracht – haben sich nicht nur
Unternehmer, sondern auch die kommunale Seite und Mit glieder des Parlaments zu den Themen Mindestabstandsrege lungen und Übergangsregelungen sowie zum Verbot der Mehrfachkonzessionen geäußert, wobei Letztgenanntes heu te überhaupt kein Thema gewesen ist. Dies ist, denke ich, auch Ausdruck dessen, dass die Unternehmer und die Verbände selbst erklärt haben, dass sie damit eigentlich – jedenfalls wei testgehend – einverstanden sind und dass diese Regelung ak zeptiert wird.
Ich will aber ausdrücklich sagen: Die Regierungsfraktionen in Baden-Württemberg und auch die CDU-Fraktion nehmen die Ziele des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags au ßerordentlich ernst. Deshalb haben wir diese Formulierungen gewählt und diese Mindestabstände festgelegt. Denn wir sind der Auffassung: Wer diese Ziele ernst nimmt, der muss den Mindestabstand relativ hoch ansetzen, und er muss auch die Mehrfachkonzessionen untersagen. Denn sonst erreichen wir eines der Kernziele, nämlich den Jugend- und Spielerschutz, unseres Erachtens nicht.
Ich will schon auch darum bitten, dass berücksichtigt wird, Herr Kößler, dass wir zwei verschiedene Abstandsregelungen aufgenommen haben, nämlich eine, die den Abstand der Spiel stätten zueinander anlangt, und eine andere, die die Abstände von Spielstätten zu Einrichtungen anlangt, die dem Aufent halt von Kindern oder Jugendlichen dienen, wobei Letzteres nur für neue Spielhallen gelten soll. Auch dies darf man nicht unbeachtet lassen.
Deshalb müssen wir, meine Damen und Herren, auch diese Übergangsvorschriften, Herr Kößler, entsprechend dem Ers ten Glücksspieländerungsstaatsvertrag formulieren. Ich will da jetzt einfach sagen: Wenn Sie mit der jetzt getroffenen Ab standsregelung nicht einverstanden sind, dann hätten Sie auch den Glücksspieländerungsstaatsvertrag nicht ratifizieren dür fen, denn genau dort sind entsprechende Regelungen, auch was die Übergangsregelungen anlangt, aufgenommen.