Protokoll der Sitzung vom 19.12.2012

Die Steigerung der Effizienz sei wichtig, sagt die KIT-Studie. Das ist natürlich richtig. Aber Baden-Württemberg spielt schon auf einem relativ hohen Level. Das heißt, hier Verbesserun gen zu erreichen ist ambitioniert. Der Zubau flexibler Kraft werke und Speicher ist vonnöten, denn das Problem ist, dass man bei abnehmenden Einsatzstunden keinen Invest hat.

Aber zum Glück für die Landesregierung gibt es auch noch ein anderes Gutachten, das nicht solch dunkle Wolken malt. Darin sind ebenfalls drei Szenarien gerechnet. Dieses Gutach ten stammt vom Leipziger Institut für Energie. Es sagt eine Strompreissteigerung für die Endkunden bis zum Jahr 2020 von entweder 12 oder 22 oder 28 % voraus. So weit, so gut. Aber schauen wir doch einmal etwas genauer in dieses von Ihnen oft herangezogene Gutachten.

Auf Seite 42 steht: Der Gaspreis, der ja mit dem Strompreis zusammenhängt, wird durch die Erschließung konventionel ler und unkonventioneller Vorkommen gedämpft. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir legen hier Fracking zugrun de. Dieser Studie liegt etwas zugrunde, was Sie gar nicht und wir auch nur sehr beschränkt wollen. Da muss man sehr stark aufpassen. Das ist paradox.

Zweites Beispiel: In diesem Gutachten des Leipziger Instituts für Energie steht, der Umbau erfordere alle Speichertechno logien: mechanische Speicher, elektrochemische Speicher, chemische Speicher, also Power-to-Gas, thermische Speicher, bei denen Energie in Wärme umgewandelt und dann in ge schmolzenen Salzen gespeichert wird. Das ist alles schön und gut. Aber diese Speicher sind großtechnisch einfach noch nicht umsetzbar, und sie werden es aller Voraussicht nach bis ins Jahr 2022 auch nicht sein.

Jetzt möchte ich Ihnen zeigen, wie „seriös“ mit manchen Gut achten wie etwa diesem Leipziger Gutachten umgegangen

wird. Sie sehen hier einen Teil des Inhaltsverzeichnisses. Ka pitel 2 lautet: „Strompreisentwicklung bis 2020“. Es folgen Strommarktpreise im Großhandel, in Kapitel 2.2 die Entwick lung der Netznutzungsentgelte, in Kapitel 2.3 die Steuern, Ab gaben und Umlagen und in Kapitel 2.4 sonstige Preiseffekte. Kapitel 2.4 ist untergliedert in die Bereiche Speichertechno logien, Regelenergie, also das, was Sie mit – –

(Abg. Wolfgang Raufelder GRÜNE: Wo ist die Quel lenangabe?)

Das ist das Inhaltsverzeichnis dieses Gutachtens. Das kann ich Ihnen nachher geben. – Das Unterkapitel 2.4.3 betrifft die Laststeuerung. Am Schluss kommt unter Kapitel 2.5 der zu sammenfassende Ausblick.

Jetzt die absolute Frechheit. Hier steht bei Kapitel 2.5 tatsäch lich: Wenn alle in den Kapiteln 2.1 bis 2.3 ermittelten quanti tativen Preistendenzen zusammengefasst würden, so ergäben sich die ermittelten moderaten Strompreiserhöhungen. Was jedoch völlig außen vor gelassen wird, ist Kapitel 2.4. Das heißt, alles, was mit Speichertechnologien zu tun hat, alles, was mit Regelenergie zu tun hat, und alles, was mit Laststeu erung, sprich Smart Grid, zu tun hat, wird von dieser Studie nicht berücksichtigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Art des Vorge hens einer Studie ist schlicht und einfach nicht seriös.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und den Grünen)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Herrn Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Untersteller.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Herr Kollege Glück, die Studie, aus der Sie zitiert ha ben, ist veraltet; denn wir veröffentlichen heute oder morgen die neue Studie, erstellt wiederum von dem Leipziger IE-In stitut. Im Übrigen hat dieses Institut in Leipzig – das sei nur erwähnt – bereits für das Wirtschaftsministerium der Vorgän gerregierung jährlich den Bericht zur Entwicklung der Strom- und Gasmarktpreise vorgelegt und tut es auch für uns.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Mehr sage ich dazu nicht. Ich komme nachher noch auf die ganz aktuelle Preisdebatte zurück.

Zunächst einmal ein paar Bemerkungen zu dem, was Sie, Herr Kollege Nemeth, angesprochen haben, nämlich zu der Debat te um das Erneuerbare-Energien-Gesetz in den letzten Mona ten. Ich fand es zum Teil – auch in Ihren Ausführungen – sehr unglücklich, wie es gelaufen ist; denn da wurde und wird in der Öffentlichkeit von verschiedenen Seiten zum Teil ein fal scher Eindruck erweckt. Die EEG-Umlage steigt von 3,53 Cent

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

auf 5,3 Cent, was einen Anstieg um etwa 1,68 Cent in diesem Jahr bedeutet – was nicht nichts ist –, und dann wird sugge

riert, das hänge mit dem Ausbau der Solarenergie und der Windenergie – vor allem der Solarenergie – zusammen. Sie haben das auch wieder angesprochen: Fotovoltaik als angeb licher Kostentreiber.

Ich will deutlich sagen: Das stimmt so nicht. Wenn Sie näm lich einmal anschauen, wie sich diese 1,68 Cent zusammen setzen, was die eigentlichen Faktoren hinsichtlich der Steige rung sind, dann stellen Sie fest, der größte Faktor ist Folgen des: Die sinkenden Börsenpreise, die wir seit geraumer Zeit beobachten, sind das eine, und die gesetzlich festliegenden EEG-Vergütungen sind das andere. Die Differenz zwischen beiden wird immer größer, sprich die Schere geht auseinan der. Das hat zur Folge, dass aufgrund dieser Entwicklung in diesem Jahr ein Minus von etwa 2,4 Milliarden € im EEGKonto vorhanden war.

(Abg. Paul Nemeth CDU meldet sich.)

Ich beantworte jetzt keine Zwischenfragen, Herr Kollege Nemeth; nachher gern.

Zweitens hat man dann gesagt: Um zu verhindern, dass im nächsten Jahr wieder das Gleiche passiert, bauen wir eine Li quiditätsreserve ein. Wenn Sie diese beiden Positionen zusam menrechnen, kommen Sie auf etwa 0,8 Cent.

Wenn Sie jetzt noch die dritte Position dazunehmen, nämlich die Ausweitung der Zahl der privilegierten Unternehmen von früher 400 – das war die Zahl, die wir zu Zeiten der rot-grü nen Bundesregierung hatten; denn die Privilegierung hatten wir vorgenommen – auf über 2 000 Unternehmen unter Ihrer Regierung im Bund, ergibt sich – diese Ausweitung der Zahl der privilegierten Unternehmen bedeutet wiederum 0,3 Cent mehr –: Mehr als die Hälfte dessen, was jetzt in diesem Herbst an Steigerung der EEG-Umlage zu verzeichnen ist, entfällt auf diese eben von mir genannten drei Positionen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie dann noch wissen wollen, wie es mit dem Zubau von Solarenergie und Wind aussieht, nenne ich Ihnen auch da zu die Zahlen: Der Zubau bei der Solarenergie schlägt mit et wa 0,26 Cent zu Buche, der Ausbau bei der Windenergie mit etwa 0,21 Cent und der Ausbau der Biomasse mit etwa 0,24 Cent.

Da kommt es nicht auf die zweite Stelle hinter dem Komma an, sondern ich will Ihnen deutlich machen, dass die mittler weile eingetretene Degression, die wir im EEG festgeschrie ben haben – die monatliche Absenkung, aber auch die Absen kungen, die es davor gegeben hat, über den Korridor hinaus, wenn nochmals zugebaut wurde –, dazu geführt hat, dass die EEG-Umlage drastisch gesunken ist. Sie bekommen für eine Dachanlage heute noch plus/minus 18 Cent pro Kilowattstun de, während Sie für die gleiche Dachanlage vor drei oder vier Jahren noch plus/minus 40 Cent pro Kilowattstunde bekom men haben.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Jetzt muss ich einmal Folgendes sagen: Sie, Herr Kollege Ne meth, und ich waren vor Kurzem in Indien. Dort ist mir noch einmal klar geworden, dass diese Debatte, die wir hier in Deutschland führen – um es einmal deutlich zu sagen –, ziem

lich kleinkariert ist. Denn das, was wir mit dem EEG erreicht haben – nämlich eine massive Kostensenkung in den betref fenden Technologiebereichen, sowohl bei der Fotovoltaik als auch bei der Windenergie –, hat Ländern wie Indien und an deren Schwellenländern überhaupt erst ermöglicht, auf diese Technologien zurückzugreifen. Ich finde, auch das gehört in dieser Debatte einmal berücksichtigt, statt immer einseitig auf dieses EEG einzuschlagen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben im Juni 2011 – übrigens gemeinsam – den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Wir haben gemeinsam das beschlossen, was man mittlerwei le als Energiewende bezeichnet, nämlich uns auf den Weg zu machen hin zu einer Energieversorgung, die im Jahr 2050 zu mindestens 80 % auf erneuerbaren Energien aufbaut. Das hat man gemeinsam beschlossen. Das ist unumstritten.

Wenn man das macht, muss man bestimmte Rahmenbedin gungen berücksichtigen. Dazu möchte ich gern ein paar Be merkungen machen.

Eine Rahmenbedingung ist die Versorgungssicherheit. Der Umbau darf letztendlich nur so erfolgen, dass die Versor gungssicherheit stets gewährleistet bleibt. Dies gilt insbeson dere in den Wintermonaten, in denen witterungsbedingt logi scherweise die höchsten Jahreslasten auftreten. Im vergange nen Winter kam es bekanntermaßen in dem Zeitraum von En de Januar bis Mitte Februar aufgrund der extremen Wetterla gen zu Problemen in der Elektrizitäts-, aber auch in der Gas versorgung. Ursächlich hierfür waren der hohe Strom- und Gasbedarf insgesamt in Mitteleuropa aufgrund der länger an dauernden extremen Kälte in Zentraleuropa. Hinzu kam da mals eine Verringerung von russischen Gaslieferungen um bis zu 30 % am Knotenpunkt im bayerischen Waidhaus.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das kann doch kei ne Entschuldigung sein!)

Die Systemsicherheit im Strombereich in dem fraglichen Zeit raum konnten die Übertragungsnetzbetreiber mit den vorhan denen Werkzeugen des Energiewirtschaftsgesetzes und der In anspruchnahme von Reservekraftwerken aufrechterhalten. Seinerzeit stand eine Reserveleistung von rund 1 600 MW zur Verfügung, was im Vorfeld des letzten Winters von den vier großen deutschen Netzbetreibern kontrahiert wurde.

Anfang Mai 2012, sprich in diesem Jahr, hat die Bundesnetz agentur dann einen Bericht zum Zustand der leitungsgebun denen Energieversorgung im letzten Winter vorgelegt. Dabei hat sie die Versorgungssituation rückblickend noch einmal sehr sorgfältig analysiert, wie ich finde, und zahlreiche Vor schläge für operative, aber auch gesetzgeberische Handlungs empfehlungen unterbreitet. Wichtige Maßnahmen hiervon wurden inzwischen umgesetzt bzw. deren Umsetzung wurde vorbereitet.

Wir, das Land, haben diese Aktivitäten begleitet und im Rah men der bestehenden Möglichkeiten auch aktiv unterstützt, sei es im Kraftwerksforum des Bundeswirtschaftsministeri ums, sei es im Bundesrat, sei es in der Umweltministerkonfe renz oder sei es im Beirat der Bundesnetzagentur, in dem ich für die baden-württembergische Landesregierung einen Sitz habe.

Um eventuell auftretenden Problemen entgegenzuwirken, ist auch für den kommenden Winter die Verfügbarkeit von zu sätzlichen Reservekraftwerken erforderlich. Wie im Vorjahr haben sich auch vor diesem Winter wiederum die Übertra gungsnetzbetreiber durch Verträge mit verschiedenen Kraft werksbetreibern – sei es in Deutschland, sei es in Nachbarlän dern, insbesondere in Österreich – mit entsprechenden Kapa zitäten eingedeckt.

Fakt ist, dass in diesem Winter mittlerweile Reservekapazitä ten in einem Umfang von 2 600 MW zur Verfügung stehen. Wir haben also nochmals 1 000 MW mehr an Reservekapazi täten als im vergangenen Winter.

(Zuruf des Abg. Paul Nemeth CDU)

Damit stehen, Herr Kollege Nemeth, auch nach Einschätzung der Bundesnetzagentur im kommenden Winter für alle unter suchten Szenarien – sei es in einem Starkwindszenario, sei es in einem Szenario, wie wir es im letzten Winter hatten, näm lich mit massivem Frost und hohem Strombedarf über meh rere Tage – ausreichend Reservekapazitäten zur Verfügung.

Weiter war es Ziel, zur Gewährleistung der Versorgungssi cherheit das Energiewirtschaftsgesetz um entsprechende Re gelungen zu ergänzen. Nachdem der Bundesrat am 14. De zember 2012 der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes zu gestimmt hat, können die neuen gesetzgeberischen Regelun gen nun zum 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft treten. Nach der EnWG-Novelle ist die Bundesnetzagentur ermäch tigt, eine Rechtsverordnung zu erarbeiten, in der festgelegt ist, wie Kraftwerke identifiziert werden und welche Entgelte sie bekommen. Die Kraftwerksbetreiber müssen Kraftwerke, die sie stilllegen wollen, melden und diese Kraftwerke auch – na türlich gegen entsprechende Entschädigung – zur Verfügung stellen, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?

Bitte.

Herr Minister, Sie haben gerade dargestellt, wie man Vorsorge getroffen und Re serven gesichert hat. Ich finde das sehr gut und wichtig. Die Frage ist: Können wir einmal eine Übersicht darüber bekom men, welche Primärenergien in diesem gesamten Tableau vor gesehen sind?

Herr Kollege Bullinger, wir reden hier nicht über Primärenergie, sondern wir reden darüber, welche Kapa zitäten vorhanden sind, die als Reserve notwendig sind. Das sind vor allem Gaskraftwerke, das sind jedoch auch Pump speicherkraftwerke in Österreich und andere Kapazitäten, die hier zur Verfügung stehen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Aus Frankreich nicht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sowohl die Strom- als auch die Gasbranche haben sich in den letzten Monaten