Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! Ein Grund mehr, CDU zu wählen!)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Rolland.

Vielen Dank. – Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Hände weg vom Wasser!“ war immer das Signal der SPD, als es vor einigen Jahren um die EU-Dienstleistungs richtlinie ging. Damals schon sollten die Leistungen der Da seinsvorsorge – das betrifft das Wasser, das Abwasser, die Ge sundheitsleistungen – dem Wettbewerb unterworfen werden. Es ist im Europäischen Parlament, gefördert auch durch vie le lokale und nationale Initiativen, fraktionsübergreifend ge lungen, dies zu verhindern.

Dass der Wettbewerb eine der Grundfreiheiten der Europäi schen Union und der Europäischen Kommission darstellt und dieses Thema damit auf dieser Ebene natürlich immer einmal wieder bearbeitet wird, ist klar. Dass der Wettbewerb ein Ste ckenpferd der Europäischen Kommission ist, wird wieder da durch deutlich, dass die Europäische Kommission wie der Wolf im Schafspelz und fast unter „ferner liefen“ mit der Kon zessionsrichtlinie hintenherum versucht, die öffentliche Was serversorgung auf den Markt zu bringen und die Privatisie rung schmackhafter zu machen.

Es ist keine Privatisierung vorgesehen. Das muss man sehr deutlich sagen. Das wurde in den Medien nicht immer richtig deutlich gemacht. Es geht nicht um eine Privatisierung; aber sollte eine Gemeinde die öffentliche Wasserversorgung mit einem privaten Anbieter zusammenbringen wollen, dann muss sie die Vergabe öffentlich ausschreiben.

Man kann nachvollziehen, dass die EU-Kommission dazu sagt: „Jawohl, wenn sich ein privates Unternehmen daran be teiligt, dann wollen wir natürlich verhindern, dass da korrup te Spielchen abgehen. Wir wollen das auch den Bürgerinnen und Bürgern transparent machen.“ Das ist gut. Das ist richtig. Aber warum dann auch die Stadtwerke und die Zweckverbän de, z. B. die Landeswasserversorgung, davon betroffen sein sollen, das wird nirgendwo begründet. Gerade diese werden durch ihre Gemeinderäte, durch ihre Aufsichtsräte, die auch die Gemeinderäte sind, oder durch ihre Mitglieder im Zweck verband, die in der Regel auch Gemeinderäte, Bürgermeister oder Landräte sind, besonders gut kontrolliert.

Trinkwasser ist unser höchstes Gut. Trinkwasser ist das Le bensmittel Nummer 1. Es wird gut gefördert. Es wird bestens überwacht. Es wird an die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr gut verteilt. Die Verantwortung dafür trägt wer? Die Ver antwortung dafür trägt jeder Bürgermeister, jeder Gemeinde rat. Jede Beschwerde, die es gibt, wird sofort an der entschei denden Stelle angebracht, wo sie hingehört. Das ist gut so. So soll es bleiben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Trumpf der öffentlichen Wasserversorgung sind die Qualität, die Nähe zum Verbraucher und zur Verbraucherin, die wirk lich günstigen und nachvollziehbaren Preise, die Versorgungs sicherheit sowie die Kontinuität in Menge und Qualität. Das wollen wir nicht aufgeben – egal, in welcher Rechtsform die Gemeinde die öffentliche Wasserversorgung betreibt. So muss es bleiben. Deswegen wollen wir nicht, dass dieser Konzes sionsrichtlinie zugestimmt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zweckverbände und Stadtwerke gehören zur Selbstverwal tungshoheit der Gemeinden. Herr Reinhart hat vorhin schon darauf hingewiesen. Die Selbstverwaltungshoheit ist äußerst wichtig für die Kommunen. Darum streiten wir auch immer. Sie ist verfassungsrechtlich geschützt durch Artikel 28 Ab satz 2 des Grundgesetzes. Eine Verwaltungsbeamtin lernt dies in den ersten Wochen ihrer Ausbildung. Die Selbstverwal tungshoheit ist grundgesetzlich geschützt.

Selbst Europa hat erkannt, dass die Selbstverwaltungshoheit ein wichtiges Gut ist. Deshalb steht die Selbstverwaltungsho heit neben der Subsidiarität als Ziel im europäischen Verfas sungsvertrag. Europa hat also verstanden. Deshalb sollte Eu ropa auch verstehen, warum wir die Gemeinden, die Zweck verbände und die Stadtwerke nicht zu einer öffentlichen Aus schreibung der öffentlichen Wasserversorgung drängen wol len.

Gemeinsam mit unserem grünen Partner haben wir im Koali tionsvertrag vereinbart, dass wir die Privatisierung der öffent lichen Trinkwasserversorgung ausschließen wollen. Deswe gen kämpfen wir auch darum. Wir haben im März einen par teiübergreifenden Antrag gestellt, diesen gemeinsam beschlos sen und damit ein Signal in das Land hinein, aber auch in Richtung Bund gesandt, dass wir das nicht wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Die SPD-Fraktion regt deswegen an, die Landesregierung zu bitten, die baden-württembergischen Mitglieder des Europä ischen Parlaments zu ersuchen, bei dieser Frage genau hinzu schauen und richtig abzustimmen. Es sollte ein Antrag gestellt und beschlossen werden, der darauf hinausläuft, dass es kei ne Pflicht zur Ausschreibung gibt, wenn die öffentliche Was serversorgung Stadtwerken oder Zweckverbänden übertragen wird. Das wäre ein kleiner Antrag, der aber effektiv und wich tig für uns ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zweite Anregung: Herr Reinhart, jetzt sehe ich Sie doch ein mal an.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schauen Sie ihn genau an!)

Bitte informieren Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bun destag, damit diese entsprechend handeln. Außerdem sollte die Frau Bundeskanzlerin im Bundeskabinett noch einmal deutlich machen, dass es so, wie von der EU beabsichtigt, nicht geht und es wichtig ist, für die Selbstverwaltungshoheit der Gemeinden zu kämpfen und deren Erhalt zu sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Zum Schluss appelliere ich an die Bürgerinnen und Bürger, an Sie und auch an Sie auf der Zuhörertribüne, aber auch an mich selbst. Machen Sie mit bei der Initiative für die öffent liche Wasserversorgung. Unter www.right2water.eu/de kön nen Sie mitmachen und auch dafür streiten.

Die SPD-Fraktion bleibt bei ihrer Devise: Hände weg vom Wasser!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Glück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Da men und Herren! „Wasser ist keine Ware. Kein Privatisie rungszwang durch Europarecht“. Ja.

Frau Rolland, ich wundere mich. Sie haben so korrekt ausge führt, um was es geht. Es geht nämlich nicht um einen Priva tisierungszwang. Deshalb muss ich sagen, dass der Titel die ser Aktuellen Debatte schlicht und einfach daneben ist.

(Abg. Gabi Rolland SPD: Das müssen Sie aber nicht mir sagen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Europäische Kommission hat im Dezember 2012 einen Vorschlag für eine neue Konzessionsrichtlinie veröffentlicht. Damit sollten die Ziele verfolgt werden, den Wettbewerb zu stärken, der Kor ruption vorzubeugen und Sozialstandards zu sichern. Dabei ist etwas herausgekommen, was einschneidende Auswirkun gen auf die kommunal geprägte Struktur in Deutschland ha ben könnte. Der Bundesrat hat diesen Richtlinienvorschlag abgelehnt. Der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments hat in der vergangenen Woche zugestimmt.

Ich möchte noch einmal ganz deutlich sagen, um was es geht und um was es nicht geht. Auch in Zukunft sollen die Kom munen nicht dazu verpflichtet werden, die Wasserversorgung aus der Hand zu geben. Insofern ist der Titel einfach falsch.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Herr Marwein, als ich Ihre Rede vorhin gehört habe, habe ich den Eindruck gewonnen, dass Sie das Problem vielleicht doch nicht so ganz verstanden haben. Sie sagten, es würde irgend eine Rechtsunsicherheit bestehen, und deswegen würde jetzt jemand privatisieren. Entschuldigung, diesen Gedanken konn te ich so überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn, dann ist das Gegenteil der Fall,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

dass nämlich jemand sagt: Da gibt es eine Rechtsunsicherheit, und deswegen werde ich gerade nicht privatisieren.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt also keinen Privatisierungszwang, aber natürlich – das wurde aufgeführt – sind auch die Kommunen betroffen, die womöglich ein Joint Venture mit irgendjemand anderem haben, die Stadtwerke aus gelagert haben. Das Problem ist natürlich, dass es gerade im Zusammenhang mit der Rekommunalisierung der Stromnet ze in letzter Zeit sehr häufig zu diesen Joint Ventures kam und eine Stadtwerke GmbH oder irgendeine andere Rechtsform gewählt wurde.

Jeder Partner wirft in einem solchen Modell in die Waagscha le, was er gerade hat, die EnBW vielleicht einen Teil des Stromnetzes, die Stadt einen anderen Teil des Stromnetzes und die Wasserversorgung, dafür aber auch einen Haufen Schul den,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Genau!)

und ein Dritter vielleicht ein Gasnetz. So ist es auch in mei ner Heimatgemeinde Münsingen geschehen. Die Vorteile lie gen auf der Hand: Die Stadt bekommt technisches Know-how, Infrastruktur, Personal, die Schulden im Haushalt verringern sich. Die EnBW und der Gasversorger haben dann auch wei terhin noch die Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger zu versorgen.

In Münsingen haben wir allerdings z. B. alleiniges Sagen der Stadt vereinbart

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

bei allen Fragen, die das Wasser betreffen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Heraus kommt ein starker Partner – ich halte das für eine ver nünftige Lösung –, und die Frage mit dem Wasser ist geklärt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Es ist aber überhaupt nichts geklärt!)

Dies soll – das ist wirklich schmerzlich – in Zukunft so nicht mehr möglich sein. Das kritisieren wir auch.

(Zurufe der Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP, Claus Schmiedel SPD und Muhterem Aras GRÜNE)

Unser Europaabgeordneter Michael Theurer – er ist Liberaler und bekannt für fairen Wettbewerb, war früher OB in Horb; ihm sind also die kommunalen Strukturen gut bekannt – sag te dazu:

... befürchte ich eine große Gefahr für die interkommuna le Zusammenarbeit, indem kleine Kommunen demnächst dazu verpflichtet werden könnten, europaweit auszu schreiben, statt ohne bürokratische Hürden mit dem Stadt werk der Nachbargemeinde zusammenzuarbeiten.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da hat er recht!)

Wir teilen diese Ansicht. Auch hier gibt es Probleme. Vermut lich wäre es für die kommunal geprägte Struktur in Deutsch land sogar besser gewesen, man hätte diese Konzessionsricht linie überhaupt erst einmal gar nicht neu bearbeitet. Zusam men mit der CDU und den Grünen hat auch die FDP auf EUEbene lange versucht, zu verhindern, dass diese Konzessions richtlinie überarbeitet wird. Das Problem war aber die SPD,