Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Die Aufgaben der Kontaktstellen müssen sich zunehmend auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts orientieren. Da her war es notwendig, sich die Strukturen und auch die Finan zierung der Kontaktstellen näher anzuschauen. Das haben wir im Rahmen dieser Evaluation gemacht. Man muss natürlich auch feststellen, dass sich da in den letzten 20 Jahren nicht allzu viel geändert hat. Die Finanzierung der Kontaktstellen war ja in den letzten Jahren auch des Öfteren Gegenstand von Debatten hier im Landtag. Aber auch wir haben nicht mehr Mittel und können den Ausbau der Standorte im Moment nicht in Angriff nehmen. Da hat mich schon sehr gewundert, dass Sie, Frau Gurr-Hirsch, das gefordert haben. Sie haben ja bis 2011 die Möglichkeit gehabt, deutlich mehr Standorte im Land zu schaffen.

Was wichtig ist und als Handlungsempfehlung in der Evalu ation nachzulesen ist, ist eine zielgenaue Fokussierung auf be stimmte Gruppen, vor allem auf – Frau Lindlohr hat sie gera de erwähnt – die Gruppe der Wiedereinsteigerinnen. Frauen bekommen als Fachkräfte in der Wirtschaft eine immer grö ßer werdende Bedeutung. Die Wirtschaft kann sich gar nicht erlauben, die Frauen, die die Unternehmen zum Teil selbst ausgebildet haben, oder die sogenannte stille Reserve von weiblichen Fachkräften, die irgendwo in schlecht bezahlten Teilzeitjobs „herumhängen“, nicht für ihre Unternehmen zu gewinnen. Auch das hat die Evaluation sehr klar gezeigt. Denn

dort ist nachzulesen, dass die Frauen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ein zentrales Potenzial an Arbeitskräften darstellen. Dieses Potenzial gilt es zu erschließen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich stimme Frau Lindlohr zu: Genau das muss die strategi sche Ausrichtung der Kontaktstellen in Zukunft sein.

Schlussfolgernd sind die Schwerpunkte, die Gewinnung von Frauen als Fachkräfte voranzubringen, die Sensibilisierung der Arbeitgeber, bessere Rahmenbedingungen für familien freundliche Arbeitsplätze herbeizuführen, und Frauen eine gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen. Die Kontaktstellen haben damit die Aufgaben der Vernetzung, der Weiterbildung und der Sicherstellung des Informations austauschs.

Die Evaluation hat aber auch ergeben, dass die Kontaktstel len eine deutlich bessere Außendarstellung brauchen und vor allem noch stärker in die Wirtschaft hinein vernetzt werden müssen. Hierzu ist ein zielgenaues Marketing erforderlich. Beispielsweise könnte ein einheitliches Corporate Design für die Sichtbarmachung der Kontaktstellen durchaus von emi nenter Bedeutung sein.

Entscheidend für den Erfolg der Kontaktstellen sind ebendie se Vernetzungen zu den Arbeitgebern. In der Evaluation ist klar nachzulesen, dass hier großer Optimierungsbedarf be steht. In Nordrhein-Westfalen z. B. bekommen die Kontakt stellen nur dann Fördermittel vom Land, wenn sie den Nach weis der Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen erbringen. Es gibt noch andere Bundesländer, die ähnliche Förderkrite rien erstellt haben. Dies ist auch eine der Handlungsempfeh lungen in der Evaluation, um die Arbeit der Kontaktstellen ef fizienter zu machen und damit am Ende auch mehr Frauen in den Arbeitsmarkt hineinzuhelfen.

Wir werden uns die Ergebnisse der Evaluation und vor allem auch die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen sehr ge nau ansehen. Die Weiterentwicklung der Kontaktstellen ist uns ein wichtiges Anliegen. Sie sind ein bedeutendes Instru ment unserer Wirtschaftspolitik. Die Evaluation wird uns hel fen, die Kontaktstellen zu stärken, sie in den Regionen besser zu vernetzen und damit den Frauen ein optimales Angebot ma chen zu können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die Landesregierung spricht der Minister für Finanzen und Wirtschaft Dr. Nils Schmid.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fachkräftesicherung ist eine zentrale Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Denn nur wenn wir wirklich alle Potenziale in unserer Gesellschaft ausschöpfen, werden wir unseren Betrieben – den großen, aber vor allem auch den kleinen – im Handwerk, in der Produktion, in den Dienstleistungen und im Handel in Zukunft ausreichend gut qualifizierte Fachkräfte anbieten können. Eine ganz entschei dende Zielgruppe dafür sind die gut ausgebildeten Frauen.

(Unruhe)

Deshalb wird es darum gehen, im Rahmen unserer Fachkräf testrategie diese Generation der gut ausgebildeten Frauen in die Betriebe zu bringen.

Gerade deshalb war es sehr wichtig, dass ich in meiner Funk tion als Wirtschafts- und Finanzminister nicht nur die Fach kräfteallianz gegründet habe, sondern dass es mir zusammen mit der gesamten Landesregierung gelungen ist, wichtige Wei chenstellungen vorzunehmen, um die Vereinbarkeit von Fa milie und Beruf in Baden-Württemberg zu verbessern. Wie lange hat es gedauert, bis wir mit den Kommunen im Land endlich zu einer Verständigung über die Finanzierung des not wendigen Krippenausbaus gekommen sind? Innerhalb weni ger Monate hat diese Landesregierung einen historischen Kompromiss erzielt und die Mittel für den Ausbau der Krip pen im Land verdreifacht. Das ist ein großer Erfolg, gerade auch für die Frauen im Land.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Es wird weitergehen. Gerade im Interesse der qualifizierten Frauen muss es uns gelingen, durchgängige, ganztägige Bil dungsangebote für Kinder und Jugendliche in den Kindergär ten, in den Grundschulen und in den weiterführenden Schu len des Landes zu schaffen. Deshalb sind wir mit den kom munalen Landesverbänden in Gesprächen, um die Ganztags schulen auszubauen, und zwar insbesondere im Grundschul bereich. Dies ist ein weiterer wichtiger Baustein für die Ver einbarkeit von Familie und Beruf in Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

In diese Strategie zur Sicherung der Fachkräfte mit den Ele menten „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „Gewinnung und Wiedergewinnung von Frauen für das Erwerbsleben“ pas sen sich die Kontaktstellen „Frau und Beruf“ hervorragend ein.

Wir setzen hier das fort, was unter einem sozialdemokrati schen Wirtschaftsminister, Dieter Spöri, begonnen wurde. Be reits 1994 wurde unter seiner Führung

(Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

das Landesprogramm Kontaktstellen „Frau und Beruf“ auf gelegt. Es zielte damals und zielt auch heute darauf ab, mehr Frauen in den Beruf zu bringen, die Vereinbarkeit von Fami lie und Beruf zu fördern, mehr Teilhabe am Erwerbsleben zu erreichen und insbesondere Wiedereinsteigerinnen in das Er werbsleben zu unterstützen. Da geht es um berufliche Themen wie Wiedereinstieg, Qualifizierung, Weiterbildung im Bereich Qualifizierung, Existenzgründung. All dies wird durch die Be ratungsstellen hervorragend abgedeckt, und dies in Koopera tion mit den Wirtschaftsorganisationen, den Bildungs- und Weiterbildungsträgern, den Arbeitsagenturen und den Kom munen, vor allem aber auch durch die Zusammenarbeit mit den Betrieben in der Raumschaft.

Insgesamt 14 000 Beratungen jährlich sind die stolze Bilanz. Das Land fördert aktuell zehn Kontaktstellen mit jährlich über 1 Million €, und zwar, wie wir sehen – ich bin dankbar, dass es da auch eine große Gemeinsamkeit in diesem Plenum gibt –, mit Erfolg. Kein anderes Bundesland verfügt über ein so umfangreiches und nachhaltiges Beratungs- und Unterstüt

zungsangebot für Frauen für die Wirtschaft. Das ist ein Er folg, auf den wir gemeinsam stolz sein können. Ich will mich an dieser Stelle auch dem Dank an die in den Kontaktstellen geleistete Arbeit anschließen. Das ist ein ganz wichtiger Bau stein für die Fachkräftesicherung im Land.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne gemeinsam zwei wichtige Aussagen getroffen. Da kann man nicht die Grünen gegen die SPD ausspielen. Die eine Aussage lautet: Wir wol len einen flächendeckenden Ausbau und eine ausreichende Fi nanzierung der Kontaktstellen „Frau und Beruf“. Die zweite Aussage ist, dass alle Landesprogramme daraufhin überprüft werden, ob mit den jeweiligen Kosten eine angemessene Ge genleistung für die Bürger oder für die Wirtschaft einhergeht.

(Abg. Peter Hauk CDU: Ja dann tun Sie es doch, Herr Schmid!)

Genau dies haben wir für die Kontaktstellen „Frau und Be ruf“ durchgeführt: eine ergebnisoffene, externe Evaluation durch einen neutralen Gutachter, nämlich die Prognos AG.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das war doch positiv! – Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Das war hervorragend!)

Wir haben diesen Evaluationsprozess transparent, dialogori entiert gestaltet. Es war wichtig, alle Gruppen einzubinden – die Träger, die Leiterinnen der Kontaktstellen, die Nutzerin nen sowie die regionalen und überregionalen Kooperations partner – und auch Rat von Experten aus anderen Bundeslän dern einzuholen.

Diese Evaluierung wurde Ende letzten Jahres erfolgreich ab geschlossen und ist am 21. Januar öffentlich vorgestellt und diskutiert worden. Übrigens wurden schon Ende November vorab die Fraktionsvorsitzenden über die zentralen Ergebnis se informiert.

Es ist selbstverständlich, dass ich mich als zuständiger Minis ter, der dieses Förderprogramm mit Zuwendungen an Dritte unterstützt, in einer solchen Phase, in der eine externe Evalu ierung stattfindet, sehr zurückhalte, weil es mir wichtig war, erst einmal in der Sache Grund zu legen. In der Tat habe ich deshalb offiziell auch keine Kontaktstelle besucht. Aber, lie be Kolleginnen und Kollegen, ich werde das an einem sym bolträchtigen Datum selbstverständlich schnellstmöglich ma chen – nämlich am 8. März in Reutlingen –, nachdem wir nun auch wissen, wohin die Reise geht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Jetzt können wir auf gesicherter Evaluationsbasis bewerten, wie es weitergeht.

Die Ergebnisse von Prognos belegen die gute Arbeit der Kon taktstellen, eine hohe Zufriedenheit der Beratungskundinnen, eine hohe Zufriedenheit der Partner. Deshalb empfehlen die Gutachter eine Weiterführung der Strukturen, aber auch eine effizientere Nutzung. Damit ist im Grundsatz das Ergebnis po sitiv. Es bestätigt die Arbeit und untermauert die Bedeutung auch dieses spezifischen Landesprogramms in Abgrenzung zu anderen Bausteinen unserer Fachkräftestrategie.

Die Gutachter verweisen aber darauf, dass in einer Reihe von Feldern auch Anpassungs- und Optimierungsbedarf besteht. Beispielsweise sei die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu stärken, die organisatorische Professionalisierung voranzu treiben und die Steuerung zu optimieren. Quer zu allen Ein zelempfehlungen kristallisiert sich eine zentrale Herausforde rung heraus, die wir sehr ernst nehmen, nämlich die Sichtbar keit der Kontaktstellen „Frau und Beruf“ als Landesmarke und als Teil der Landesstrategie zur Fachkräftesicherung zu erhö hen.

Genau dies wollen wir angehen. Wir werden uns also auf dem Erfolg der Vergangenheit nicht ausruhen, im Gegenteil. Wir werden das Programm entlang der Empfehlungen weiterent wickeln.

Bereits mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 haben wir die ers ten Maßnahmen getroffen, um die Sichtbarkeit dieses Landes programms zu erhöhen. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Regierungsfraktionen, dass sie es ermöglicht haben, für das Jahr 2013 zusätzliche Mittel in Höhe von 67 000 € bereit zustellen, um erste Konsequenzen aus der Evaluation zu zie hen.

Sie sehen: SPD und Grüne haben sofort nach Bekanntwerden der Evaluationsergebnisse – wie gesagt: Ende November 2012 wurden die zentralen Ergebnisse den Fraktionsvorsitzenden zur Verfügung gestellt – gehandelt und Anträge gestellt.

Das zeigt, dass die Regierungsfraktionen und auch die Lan desregierung selbst bereit sind, zusätzliche Mittel für diese Kontaktstellen in die Hand zu nehmen. Wir werden das um eine gemeinsame Zielvereinbarung mit den Trägern und den Leiterinnen der Kontaktstellen ergänzen, um deren Profil zu schärfen und um genau diese Einbettung und Sichtbarkeit der Kontaktstellen als Landeseinrichtungen zu erhöhen.

Wir werden im weiteren Verlauf auch prüfen müssen, wie wir weitere Mittel für die Kontaktstellen mobilisieren können. Wir haben bislang die vorhandenen Mittelansätze plus 67 000 € weitergeführt. Wir haben keine Mittel gekürzt.

(Abg. Peter Hauk CDU: Sie geben 3 Milliarden € mehr aus!)

Das Klagen darüber, dass die 2,5 Planstellen für jede Kontakt stelle nicht voll besetzt sein können, ist nicht neu. Denn mit den beim Regierungswechsel vorgefundenen Mitteln ist es nicht möglich, in allen Kontaktstellen 2,5 Planstellen zu fi nanzieren.

(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Man muss Ak zente setzen! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Erblast!)

Wenn man das wollte, müssten wir 200 000 € in die Hand neh men. Das haben weder Sie von der FDP/DVP noch Sie von der CDU bei den letzten Haushaltsberatungen beantragt.

Deshalb weise ich darauf hin: Jawohl, hier gibt es etwas zu tun. Das ist auch das, was Prognos unter dem Stichwort „Pro fessionalisierung“ angemahnt hat, nämlich dass man ausrei chend Personal haben sollte.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das ist eine Analyse und ei ne Feststellung, aber man tut es nicht!)

Wir werden uns auch die Stetigkeit der Finanzierung und der Personalstellen in den Kontaktstellen anschauen. Teilweise sind die Stellen befristet. Auch das werden wir noch einmal überprüfen. Allerdings können wir nach einer ersten Durch sicht feststellen, dass die überwiegende Zahl der Stellen un befristet ist. Aber auch dieses Thema muss man im Auge be halten, weil es uns um die Kontinuität der Förderung geht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Uns ist auch bewusst, dass es Regionen gibt, in denen noch keine Kontaktstellen eingerichtet sind, nämlich in HeilbronnFranken und im nördlichen Schwarzwald.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Die haben es damals sogar abgelehnt!)