Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Für mich stellt sich jetzt die Frage in Bezug auf den For schungsbereich und den Wissenschaftsbereich: Welche Be deutung misst die Landesregierung dem Thema Elektromobi lität bei? Welche Aktivitäten im Bereich von Wissenschaft und Forschung gibt es im Moment auf diesem Feld, und wie wer den diese gefördert?

Zweitens: Welchen Stellenwert haben die Enabling Techno logies, also die Technologien, die wir brauchen, um die Ent wicklung voranzubringen, z. B. die Leichtbauweise und die Batterietechnologien? Was wird in diesem Bereich getan? Welche Erwartungen können wir dabei an die Landesregie rung stellen?

Danke schön. – Das Wort hat Frau Ministerin Bauer.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Frage zum Thema E-Mobilität, das in der Tat ein Schlüssel für die großen Herausforderungen ist, vor denen wir in Baden-Württemberg, aber letztendlich auch auf dem gan zen Globus stehen.

Es geht darum, was wir tun können und müssen, damit wir Klimafreundlichkeit, Klimaschutz innerhalb kürzester Zeit nachhaltig voranbringen, damit wir weniger CO2-Emissionen produzieren, und was wir tun können, damit wir im Bereich der Energiewende vorankommen. E-Mobilität ist dafür eine Schlüsselfrage, sofern es uns gelingt, die Stromproduktion zu einem wesentlichen Anteil auf erneuerbare Energien umzu stellen.

Die Frage der Elektromobilität ist daher in einer ganz beson deren Weise für Baden-Württemberg elementar. Baden-Würt temberg ist ein Automobilland mit langer Tradition. In unse rem Land hängt derzeit jeder vierte Arbeitsplatz vom Auto mobil ab. Deswegen ist es auch eine Frage unseres Wirt schaftsstandorts, inwiefern bei uns die Automobile der Zu kunft produziert werden.

Deswegen haben wir, die gesamte Regierung, insbesondere im Wissenschaftsbereich in Verbindung auch mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium, die Aufgabe, alles dafür zu tun, die Kräfte zu bündeln und miteinander die Forschungsanstren gungen sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch in der anwendungsorientierten Forschung voranzubringen. Wir müssen Verbindungen zur Wirtschaft verstärken, um Technologietransfer zu beschleunigen, und das Know-how verbessern, um die neuen Entwicklungen auf die Straße bzw. konkret in Anwendung zu bringen.

Wir knüpfen im Forschungsbereich an einige Projekte an, die es im Land schon gibt, und werden sie mit Nachdruck mit Le ben erfüllen und voranbringen. Bei dieser Gelegenheit möch te ich mit ein paar Stichworten aufzeigen, was es schon gibt und an welchen Punkten wir weiter ansetzen wollen.

Im Bereich der E-Mobilität gibt es im Land die Landesinitia tive Elektromobilität, die Akteure zusammenbringt, die im Be reich Hybrid- und Elektromotoren forschen und arbeiten. Sie wird durch die Landesagentur e-mobil vertreten und vorange bracht. Deren Aktivitäten wollen wir verstärken. Dabei geht es sowohl um Standortmarketing als auch darum, die Akteu re zueinander zu bringen, die z. B. Verbundforschung betrei ben.

Zum universitären und zum Forschungsbereich lassen Sie mich auf drei Beispiele beschränken. Wir unterstützen z. B. im Karlsruher Institut für Technologie das Projekt e-drive, ein großes Forschungsprojekt in Kooperation mit Daimler. Das ist, soweit mir bekannt ist, das Projekt, in das Daimler die meisten Mittel in einer Kooperation mit einer Universität ein bringt. Es geht dabei darum, Hybrid- und Elektromotorenmo bilität voranzubringen.

Ein weiteres spannendes Forschungsprojekt gibt es in Stutt gart. Die Universität Stuttgart kooperiert dabei mit dem Ins titut für Fahrzeugbau. Dort wird ein Simulator betrieben, um Hybrid- und Elektromobilität zu erproben und weiterzuentwi ckeln. Es ist ein Projekt, das europaweit Beachtung findet. Wir wollen es zu einem Systemzentrum ausweiten.

Ein weiteres Beispiel: In wenigen Tagen wird ein neues Pro motionskolleg eröffnet werden, das Kooperative Promotions kolleg „Hybrid“. Dabei handelt es sich um eine Kooperation zwischen der Hochschule Esslingen und der Universität Stutt gart. Auch dabei geht es darum, Doktoranden und Doktoran dinnen im Kontakt und im Austausch mit der Industrie daran arbeiten zu lassen, wie die Hybridtechnologie weiterentwi ckelt und verbessert werden kann.

Zu einem zweiten Stichwort, das Kollege Schmidt-Eisenlohr angesprochen hat: Es geht dabei natürlich auch darum, das ge samte Umfeld von Elektromobilität mit zu erforschen und vo ranzubringen. Insbesondere geht es darum, die Enabler-Tech nologien zu fördern. Leichtbaumethoden und -stoffe sind da bei besonders wichtig, etwa neue Verbundfasern. In diesem Bereich ist Baden-Württemberg bereits nicht schlecht aufge stellt, aber wir stehen da – das ist völlig eindeutig – in einer harten Konkurrenz auch mit unseren Nachbarbundesländern. Wenn wir hier bei den Forschungsaktivitäten die Nase vorn haben und im Wettbewerb mit anderen Akteuren die zukunfts fähigen und zukunftsträchtigen Forschungsprojekte ins Land holen wollen, dann müssen wir vonseiten des Landes aktiv unterstützen.

Die Brennstoffzellentechnologie ist ein weiteres Stichwort.

Eines möchte ich zum Ende noch kurz anreißen: Es geht bei dieser Frage nicht nur um technologische Debatten. Diese As pekte sind wichtig und elementar in Bezug auf die Frage, wie es gelingen kann, Innovation und fertige Produkte auf den Markt zu bringen. Wir müssen aber für die neue Mobilitäts kultur gleichzeitig mit erforschen: Wie ist die Akzeptanz in der Bevölkerung? Wie nehmen die Menschen neue technolo

gische Möglichkeiten wahr? Welche Infrastruktur brauchen wir? Deswegen wird unsere Forschungsaktivität neben dem technologischen Bereich auch so etwas wie den wirtschaftli chen und den sozialwissenschaftlichen Arm stärker fördern, um die neue Mobilitätskultur in ihrer ganzheitlichen Dimen sion voranzubringen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Birk.

Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen. Das war jetzt eine Übersicht über die bereits von der Vorgängerregierung eingeleiteten Maßnahmen, die schon erfolgreich in der Umsetzung sind.

(Lachen bei den Grünen)

Dafür sind wir dankbar. Wir nehmen es gern auch als Kom pliment für die gute Wissenschaftspolitik unter der Vorgän gerregierung entgegen.

(Widerspruch bei den Grünen und der SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Vorbei ist vorbei! – Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Aber wir wollen jetzt doch einmal konkreter nachfragen. Frau Ministerin, wir sehen jetzt, dass vermutlich auch der Minis terpräsident versucht, seinen Frieden mit dem Auto zu schlie ßen und über das Thema Elektromobilität Anschluss an die sen Bereich zu erlangen. Das soll uns recht sein. Aber wir ha ben mehrere konkrete Fragen.

Wir haben in Baden-Württemberg eine ganze Reihe von wirt schaftsnahen außeruniversitären Forschungseinrichtungen – sie sind Ihnen ja bekannt –, die wir noch stärker mit den uni versitären Bereichen verknüpfen müssen. Welche Maßnah men wird die Landesregierung dazu durchführen? Das ist mei ne erste Frage.

Zweite Frage: Wir haben noch deutliche Ausbaupotenziale in der Zusammenarbeit zwischen der Universität Stuttgart und der Universität Karlsruhe. Was wird die Landesregierung tun, um auch auf dem Gebiet der Motorenforschung beide Univer sitäten stärker zu vernetzen und voranzubringen?

Dritte Frage: Die Agentur für Elektromobilität ist wichtig, ins besondere auch im Hinblick auf das Standortmarketing. Wie weit sind die Planungen der Landesregierung, hier noch mehr Partner hinzuzugewinnen?

Letzte Frage: Wie schätzen Sie denn die Wettbewerbssituati on Baden-Württembergs auf diesem Gebiet im Vergleich zu anderen Bundesländern ein? Welche Anstrengungen wird die Landesregierung unternehmen, um auf diesem Gebiet auch mit anderen Bundesländern verstärkt zu kooperieren, und um welche Bundesländer handelt es sich dabei gegebenenfalls?

Bitte, Frau Ministerin.

Vielen Dank, Herr Abg. Dr. Birk, für die vielen Fragen.

Wir sind jetzt vier Wochen im Amt. Ich hoffe, Sie verstehen, dass wir in diesen vier Wochen nicht täglich neue Maßnahmen entwi ckeln konnten. Ich freue mich auch darüber, dass Sie meine Aus führungen zu unseren Planungen durchaus als Kompliment ver standen haben. Das ist schon in Ordnung so. Sie sollen nicht nur auf den harten Oppositionsbänken leiden, sondern dürfen sich durchaus auch darüber freuen, dass wir nicht bei null anfangen.

Wir haben in Bezug auf den Wissenschaftsbereich immer ge sagt: Wir wissen, dass wir hier einen starken Forschungs- und Wissenschaftsstandort haben. Darauf sind wir auch stolz, und wir müssen hier die Welt nicht neu erfinden.

Dennoch hätte es nach unserem Geschmack – das haben wir, als wir noch in der Opposition waren, auch immer wieder sehr deutlich gesagt – ab und an schon ein bisschen schneller ge hen können. Beispielsweise bei den Aktivitäten in Sachen Elektromobilität waren wir in der letzten Legislaturperiode durchaus nicht zufrieden. Wir haben uns in diesem Saal im mer wieder Ankündigungen anhören müssen, wann es denn mit der Agentur für E-Mobilität losgeht. Dieses Thema stand schon am Anfang der letzten Legislaturperiode in der Koali tionsvereinbarung der Vorgängerregierung. Es dauerte bis kurz vor Schluss, bis es dann endlich so weit war.

Daher versuchen wir einfach zunächst einmal, bei unseren An sagen ein bisschen mehr Tempo vorzulegen, aber durchaus mit dem, was schon da ist, zu arbeiten.

Wir werden alle Anstrengungen unternehmen, um universitä re Forschung, Industriepartner und außeruniversitäre For schung im Bereich Elektromobilität zusammenzubringen. Wir wollen Akteure an den Tisch bringen, um z. B. gemeinsam EU-Gelder einzuwerben. Wir stärken entsprechende Online plattformen, damit sich die Akteure finden. Es gibt z. B. eine Agentur, die insbesondere im Bereich des KIT und der Uni versität Stuttgart die entsprechenden Netzwerke fördert. Wir werden dafür sorgen, dass wir nicht nur von einem Modell projekt zum anderen springen, sondern nachhaltige Struktu ren einziehen, damit solche Zusammenarbeit wachsen kann.

Ein Letztes will ich gern noch sagen, wenn es erlaubt ist. Denn eines würde ich gern noch richtigstellen: Man musste unse rem Ministerpräsidenten nicht mühsam nahelegen, dass er sei nen Frieden mit dem Auto macht. Vielmehr hat er völlig recht mit der Ansage – die Automobilindustrie versteht das im Üb rigen außerordentlich gut; es war nur immer relativ schwer, das Ihnen hier im Haus klarzumachen; die Automobilindus trie hat es schon lange sehr gut verstanden –: Wer dem Auto mobil eine Zukunft geben will und wer unserem Automobil land eine Zukunft geben will, der muss mit allem Nachdruck auf nachhaltige Mobilität setzen, auf integrierte Mobilitäts konzepte, die nicht nur am Auto für jeden Einzelnen festhal ten, sondern Gesamtlösungen suchen, damit man intelligent vom Auto zur Bahn, zur Schiene wechseln und auch aufs Fahrrad umsteigen kann; auch elektromobile Fahrräder gehö ren dazu. Das hat Winfried Kretschmann sehr früh verstanden und die Automobilindustrie im Übrigen auch.

(Beifall bei den Grünen)

Wir haben einen Partner und nicht einen Gegner, wenn wir sa gen: Das Automobil der Zukunft muss ein ökologisches sein und muss auch auf erneuerbare Energien setzen.

(Beifall bei den Grünen)

Danke schön. – Die Re gierungsbefragung ist damit beendet. Es ist 16:00 Uhr. Für die Regierungsbefragung stehen maximal 60 Minuten zur Verfü gung.

(Abg. Walter Heiler SPD: Das reicht doch!)

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft – Pläne der Landesregierung zum Atomausstieg und zur Energiewende – Drucksache 15/77

Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD, Drucksache 15/159, vor.

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.

Das Wort zur Begründung erteile ich Herrn Kollegen Renko nen für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen haben es sich auf ih rer Sonderdelegiertenversammlung zum Thema Atomausstieg nicht leicht gemacht. Trotzdem sind auch wir als Landtags fraktion zu dem Ergebnis gekommen, dass wir das Atomaus stiegsgesetz der Bundesregierung in dem Punkt Restlaufzei ten mittragen, und zwar aus dem Grund, weil wir die einma lige Chance haben, acht alte Schrottreaktoren vom Netz zu nehmen. Das ist das Ziel der Anti-AKW-Bewegung und auch der Grünen in den letzten Jahren gewesen. Deshalb wird auch die Landtagsfraktion diesen Beschluss selbstverständlich un terstützen.

(Beifall bei den Grünen)

Aber wir sagen auch ganz klar in dieser Runde: Wir werden politisch alles unternehmen, um die Atomkraftwerke Neckar westheim II und Philippsburg 2 früher vom Netz zu nehmen, und zwar mehrere Jahre früher, als es das Ziel der Bundesre gierung ist. Dafür werden wir Grünen auch hier im Land kämpfen.

(Beifall bei den Grünen)

Das Thema Kaltreserve beschäftigt natürlich auch unsere Fraktion und unsere Partei. Wir sagen: Eine atomare Kaltre serve ist energiepolitisch absoluter Blödsinn. Wir fordern auch hier als Landtagsfraktion die Bundesregierung noch einmal auf, davon ein für alle Mal abzusehen und, wenn überhaupt, dann Kohlekraftwerke als Kaltreserve vorzusehen. Es gibt kei ne atomare Kaltreserve mit den Stimmen der Grünen-Land tagsfraktion.