Das Thema Kaltreserve beschäftigt natürlich auch unsere Fraktion und unsere Partei. Wir sagen: Eine atomare Kaltre serve ist energiepolitisch absoluter Blödsinn. Wir fordern auch hier als Landtagsfraktion die Bundesregierung noch einmal auf, davon ein für alle Mal abzusehen und, wenn überhaupt, dann Kohlekraftwerke als Kaltreserve vorzusehen. Es gibt kei ne atomare Kaltreserve mit den Stimmen der Grünen-Land tagsfraktion.
Aber wir sagen auch: Wenn wir die alten Meiler abschalten, wollen wir eine klare politische Aussage des Energieversor gers EnBW, der der Anlagenbetreiber ist, dass er sich für die Kraftwerke Philippsburg 2 und Neckarwestheim II keine Hin tertür offenhält. Wir fordern deshalb eine verbindliche Erklä rung der EnBW, dass diese Kraftwerke nicht mehr als Kaltre serve ans Netz gehen.
Dies steht auch in dem gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von der SPD eingebrachten Änderungsantrag.
Für uns hat bei der Atomenergie – wenn wir schon die Kröte mit Restlaufzeiten bis 2022 schlucken müssen – die Sicher heit der Meiler im Land Baden-Württemberg absolute Priori tät. Deshalb muss unserer Meinung nach die Atomaufsicht vom Umweltministerium eindeutig verschärft werden. Das heißt, dass wir z. B. ein mobiles Notstromaggregat benötigen; dies ist auch von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktor sicherheit angefordert worden. Wir würden das Umweltmi nisterium auffordern, hier entsprechende Nachbesserungsmaß nahmen vorzunehmen, um die Sicherheit zu erhöhen.
Des Weiteren gehört für uns dazu, dass auf jeden Fall noch einmal eine Prüfung der Sicherheit des Meilers Neckarwest heim in geologischer Hinsicht stattfindet, um dauerhaft ein Maximum an Sicherheit zu gewährleisten.
Der Atomkonsens hat natürlich weitreichende Auswirkungen auf das Land Baden-Württemberg. Wir wollen, wie es der Mi nisterpräsident gesagt hat, Baden-Württemberg zu einem „Musterländle für Umwelttechnologien“ machen. Dazu ge hört nicht nur, dass wir Joint Ventures mit Unternehmen aus dem Land im Bereich der Speichertechnologien fördern, son dern dazu gehört natürlich auch ein Ausbau der Windkraft.
Hier setzen wir auch an und unterstützen das Umweltminis terium bei seinen Bestrebungen, Änderungen im Erneuerba re-Energien-Gesetz zu erreichen, insbesondere die dringend notwendige Wiedereinführung des Systemdienstleistungsbo nus von 0,5 Cent pro Kilowattstunde bis 2014, sodass es auch den kleineren Betreibern von Windkraftanlagen möglich ist, hier in potenzielle Standorte zu investieren. Deshalb die ganz klare Aussage: Wir werden Franz Untersteller und sein Um weltministerium in diesem Punkt auf jeden Fall aktiv unter stützen, Nachbesserungen im EEG zu erreichen, auch bei klei neren Fotovoltaikanlagen.
Was wir als Grüne allerdings kritisch sehen, ist die augen blickliche Debatte über einige Standorte für Windkraftanla gen im Land Baden-Württemberg in Bezug auf das Thema „Natur- und Vogelschutz“. Ich als Grüner habe nichts gegen Natur- und Vogelschutz. Ich finde aber, das Land Baden-Würt temberg muss klare Kriterien für die künftige Ausweisung der Standorte von Windkraftanlagen festlegen, damit nicht stän dig eine neue Debatte über das Thema „Windkraft kontra Vo gel- und Naturschutz“ stattfindet. Insofern fordern wir von den Ministerien einen Kriterienkatalog, wie er in Nordrhein-West falen erstellt worden ist.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zum Thema „Ge bäudesanierung und Energieeinsparung“ ausführen.
Unserer Meinung nach liegt hier das größte Potenzial in den nächsten Jahren. Hier ist von der CDU-geführten Regierung verdammt viel verschlafen worden; das muss man einfach sa gen. Dies hat der Fachverband Sanitär-Heizung-Klima bestä tigt: Es gibt 700 000 dringend sanierungsbedürftige Gebäude.
Die Sanierungsbereitschaft der Eigentümer lässt stark nach. Deshalb brauchen wir finanzielle Anreize.
Wir als Grüne schlagen deshalb vor, analog zum „Klima schutz-Plus“-Programm – das im Übrigen von der Vorgänger regierung aufgelegt worden ist; das muss man in diesem Fall loben – auch ein Zuschussprogramm für Privateigentümer auf zulegen. Unserer Meinung nach sollte dies nicht nur über zins vergünstigte Darlehen, sondern auch direkt über Zuschüsse laufen. Davon profitieren nicht nur die Hauseigentümer, son dern auch die mittelständischen Unternehmen in unserem Land.
In diesem Sinn sagen wir als Grüne: Wir wollen eine Klima schutzoffensive starten, die mit mehr Energieeinsparungen einhergeht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verabschiedung des Atomkonsenses der rot-grünen Bundesregierung ist nun etwa zehn Jahre her. Nach einigen Irrungen und Wirrungen in den letzten eineinhalb Jahren sind wir erfreulicherweise nun wie der da, wo wir unter Rot-Grün schon längst waren.
Man kann streiten, ob das neue Atomgesetz besser ist als das alte, das Rot-Grün beschlossen hatte. Die festen Zeitpunkte für die Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke sprechen dafür.
Was dagegen spricht, ist, dass Philippsburg 2 erst 2019 und nicht 2017, wie es von Rot-Grün vorgesehen war, abgeschal tet werden soll. Aber das sind Kleinigkeiten. Deswegen den ke ich, es ist wichtig, dass sich inzwischen alle Fraktionen im Bundestag und hier im Landtag dazu bekennen und dass nun auch CDU und FDP bei diesem Thema den Pfad der Tugend gefunden haben. Das ist positiv und anerkennenswert. Aber eines sollte man auch sehen: Das Problem, das im Augenblick gelöst wird, haben uns CDU und FDP im letzten Jahr durch die Laufzeitverlängerung erst einbrockt.
Tragik der Geschichte bleibt auch, dass erst der schlimme Atomunfall in Japan die Bundesregierung wachrütteln muss te und erst dann die Regierung zu der Auffassung gelangte, dass jegliches atomare Restrisiko nicht verantwortbar ist. Wir sind uns bewusst, dass dieser Unfall, der in Japan geschehen ist, in Deutschland nicht 1 : 1 passieren kann. Aber wir haben andere Risiken wie Erdbeben, Hochwasser, möglicherweise gezielte Terroranschläge auf Atomkraftwerke. Das ist ein nicht hinnehmbares Risiko. Das gilt für uns in Baden-Württemberg, das gilt genauso für die an unser Land angrenzenden Länder Frankreich oder Schweiz. Deswegen glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir auch beim Thema Sicherheit intensiv den Dialog mit unseren Nachbarländern suchen und darauf drän gen, dass auch dort die Sicherheitsstandards offengelegt wer
den, damit die Menschen, die in der Region um Freiburg oder anderswo leben, auch die Sicherheit haben, dass in Fessen heim, Beznau oder an anderer Stelle nichts passiert.
Es ist daher auf jeden Fall richtig, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie der Reaktor Krümmel abgeschaltet und auch alle anderen Reaktoren spätestens 2022 endgültig vom Netz genommen werden. Dies ist ein großer Erfolg der Antiatombewegung und damit vieler Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, die über viele Jahrzehnte zu Recht auf die Straße gegangen sind, um gegen die Gefahren der Atomkraft zu demonstrieren.
Unabhängig davon wird der Atomausstieg, der in den nächs ten Tagen im Bundestag und im Bundesrat beschlossen wer den wird, sicherlich eine historische Zäsur für uns in Deutsch land sein, auch wenn natürlich das Problem der Endlagerung, das leider noch viele Generationen nach uns beschäftigen wird, bei Weitem noch nicht gelöst ist.
Aber wir sind überzeugt, dass der Umstieg zu einer langfris tig rein regenerativen Energiewirtschaft gelingen wird. Wir sind auch überzeugt, dass Deutschland und vor allem wir in Baden-Württemberg Vorreiter sein wollen und sein können und dass dieses Vorbild, das wir hier in Deutschland aufbau en werden, auch international Schule machen wird und die Länder, die heute noch an der Atomkraft festhalten, überzeu gen wird, diesen Weg mit einzuschlagen.
Für eine gewisse Zeit werden wir dabei sicherlich auf fossile Energieträger zurückgreifen müssen. Wir sind aber überzeugt, dass wir keine atomare Kaltreserve brauchen – Herr Kollege Renkonen hat es schon gesagt –, die ja in Wirklichkeit eine Heißreserve ist, wenn man von jetzt auf nachher diese Blöcke anfahren möchte. Wir sind überzeugt, dass dies mit fossilen Kraftwerken gelingt, mit denen, die bereits in Betrieb sind, und mit denen, die z. B. in Mannheim oder in Karlsruhe im Bau sind.
Möglicherweise braucht es zusätzlich noch weitere Gaskraft werke. Wir haben die Situation, dass schon einige planfestge stellt sind und jederzeit gebaut werden könnten. Wir begrü ßen es ausdrücklich, dass das Umweltministerium hier Anrei ze schaffen möchte, damit diese Maßnahmen tatsächlich an gegangen werden und Investitionshemmnisse fallen. Auch dies halten wir für einen Schritt in die richtige Richtung.
Insgesamt gelingen wird die Energiewende aber nur, wenn die politischen Rahmenbedingungen dafür richtig gestellt wer den. Da geht es natürlich nicht nur um den Atomausstieg, son dern es geht insbesondere um drei Dinge: um den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausbau unserer Netze sowie um neue Speichertechnologien, aber natürlich auch um mehr Energieeffizienz; ich erinnere da vor allem an das große Thema Gebäudesanierung.
Hier setzt aber auch die Kritik an, und zwar die Kritik an dem, was im Augenblick auf Bundesebene geplant wird. Denn es gibt einige Bereiche bei der Novellierung des ErneuerbareEnergien-Gesetzes, bei denen wir mehr Hemmnisse für die Windkraft und für die Fotovoltaik sehen. Das sind übrigens die Energieträger, die – das wird deutlich, wenn man sich die Studie des Fraunhofer-Instituts in Freiburg anschaut – im Jahr 2020 schon zu einem sehr großen Teil und im Jahr 2050 dann
Deswegen – ich habe jetzt nur noch knapp eine Minute Rede zeit; aber ich bin überzeugt, dass Herr Umweltminister Un tersteller auch noch auf dieses Thema eingehen wird – ist es uns sehr wichtig, dass die ganzen Hemmnisse von Windkraft und Fotovoltaik, insbesondere bei den kleineren Anlagen, auch der kleineren Biogasanlagen, gelockert werden, gelöst werden.
Wir bekommen im Augenblick täglich neue Wasserstandsmel dungen von diesen Gesprächen, von diesen Verhandlungen, die unter größtem Zeitdruck stattfinden. Es gibt absurde Din ge wie z. B., dass Windkraftanlagen bei Repowering nur fünf mal so viel Leistung erzeugen dürfen wie die vorherigen. Wenn man bisher eine Anlage mit geringer Leistung hatte und das 20-, 30-Fache an Leistung herausholen könnte, ist das na türlich absurd, genauso wie die Vorgabe, dass man sie nur bei einem Alter zwischen 14 und 17 Jahren ersetzen darf. Das sind Dinge, über die wir uns sehr wundern, wenn wir diesen Ge setzentwurf durchlesen. Aber wie ich Ihren Ausführungen in der Öffentlichkeit hierzu in letzter Zeit entnommen habe, Herr Untersteller, sind Sie da auf dem Weg und in guten Gesprä chen. Wir sind gespannt, wie der derzeitige Sachstand ist, und freuen uns nachher auf Ihre Ausführungen.
Das Thema Energiewende ist insgesamt ein sehr spannendes Thema. Das wird heute die erste große Diskussion in diesem Haus hierüber sein. Sicherlich werden noch viele spannende Diskussionen folgen. Wir hatten uns schon vorhin in der Re gierungsbefragung mit dem Thema E-Mobilität befasst. Ich freue mich auf die Auseinandersetzung in diesem Haus.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein Thema für die Leidenschaft, aber in An lehnung an das, was Kollege Schmiedel heute Morgen gesagt hat, will ich mich um Sachlichkeit bemühen.
Es ist angesprochen worden: Wir stehen vor einem grundle genden Umbau unserer Energiewirtschaft. Das ist eine Her kulesaufgabe, das ist ein Mammutwerk. Allein die Gegenäu ßerungen im Bundesrat waren 150 Anregungen, Fragen und Ähnliches. Es ist natürlich unmöglich, sich in fünf Minuten seriös mit all dem auseinanderzusetzen. Deswegen sehen Sie es mir nach, dass ich mich auf einige grundsätzliche Aussa gen beschränken will.
Erstens: Wir, die CDU-Fraktion, wollen diesen Umstieg. Ich will mich dem anschließen, was unser Fraktionsvorsitzender den Fraktionsvorsitzenden der Regierungsfraktionen bereits geschrieben hat: Wir sind bereit, hieran konstruktiv mitzuwir ken. Wir wollen den Erfolg dieses Umstiegs.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, lösen Sie sich einmal von dem „Ricola-Syndrom“. Sie wissen: Das ist der kleine Kerl, der herumflitzt und fragt: „Wer hat’s erfun den?“
Es bestreitet kein Mensch: Der Atomausstieg war Ihr Kernthe ma. Es wäre geradezu albern, wenn man das bestreiten woll te.
Aber: Das eine ist das Formulieren des Ziels. Herr Minister Hermann hat mich vorhin darauf hingewiesen, dass wir nicht mehr in der Regierung sind. Richtig. Deswegen kann ich an dererseits Erwartungen für die Umsetzung formulieren – das ist schon erwähnt worden, gestern z. B. auf dem Tag der Wind kraftbranche –: Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie, Herr Mi nister Untersteller, viele Ziele und Projekte über Presse, Funk und Fernsehen kommunizieren, dass Sie Planzahlen wie 150 Windkraftanlagen pro Jahr nennen. Was wir aber nicht von Ihnen bekommen, sind ganz konkrete Gesetzesvorschläge, mit denen wir uns ganz konkret auseinandersetzen können.
(Abg. Johannes Stober SPD: Nach sechs Wochen! – Zurufe von den Grünen: Sechs Wochen! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)