Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Jetzt müssen wir uns aber einmal Gedanken darüber machen, warum die Pensionsverpflichtungen bei uns besonders hoch sind. Das liegt schlicht und einfach daran, dass wir besonders viel Personal haben. Wo ist dieses Personal? Erstens in den Schulen, zweitens bei der Polizei und drittens in den Finanz verwaltungen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Na, na, na!)

Ich kann mich daran erinnern, dass gerade die damalige Op position immer wieder gefordert hat: mehr Lehrer, mehr Be amte in der Finanzverwaltung und auch mehr Polizei. Das ist das eine: Wir haben mehr Personal als die anderen.

Dazu kommt: Die Baden-Württemberger werden statistisch ein Jahr älter als der Durchschnitt der Deutschen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das wird sich mit dieser Regierung ändern! – Vereinzelt Hei terkeit)

Das ist in der Tat so.

Zweitens: Die Beamten werden, statistisch betrachtet, im Durchschnitt ein Jahr älter als die übrigen Baden-Württem berger. Das ist eine Tatsache, die sich natürlich niederschlägt. Das muss man einmal mit aller Deutlichkeit sagen. Es ist im mer mehr gefordert worden.

Lassen Sie mich noch eines klarstellen: Die beiden Begriffe „Rücklagen“ und „Rückstellungen“ sind hier oft durcheinan dergebracht worden. Wir sind unmöglich in der Lage, Rück lagen zu bilden, die so hoch sind, dass wir den gesamten Al tersverpflichtungen in Zukunft aus Zinsen und Dividenden nachkommen können.

Weil ich mir gedacht habe, dass dieser Punkt heute angespro chen wird, habe ich mir gestern einmal Zahlen geben lassen. So viele Schulden werden in Deutschland im Laufe eines Jah res gar nicht gemacht, als dass man in der Lage wäre, die rie sigen Summen für die Beamtenpensionen und vielleicht so gar noch für die Rentenversicherungen aus den entsprechen den Zinsen zu bezahlen. Das ist einfach nicht drin.

Hinzu kommt noch etwas ganz anderes: Wir wollen doch, dass der Staat in Zukunft weniger Schulden macht. Wo legen dann die Pensionskassen ihre Gelder an? Ich kann Ihnen sagen, wie das in Rheinland-Pfalz – dieses Land ist vorhin genannt wor den – geschieht: Das Land nimmt 1 Milliarde € auf und gibt es der Pensionskasse. Die Pensionskasse muss das Geld an schließend anlegen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Gibt es dem Staat!)

und sie legt es in Schuldverschreibungen des Landes an.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, klar! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wenn wir für Baden-Württemberg z. B. die Pro-Kopf-Ver schuldung des Landes Rheinland-Pfalz akzeptieren würden – dort liegt die Verschuldung um ungefähr 3 000 € pro Kopf der Bevölkerung höher als bei uns –,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: SPD! – Zu ruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

hätten wir 33 Milliarden € mehr Schulden. Wenn wir diese Summe in den Pensionsfonds einbringen würden, hätten wir – um auch dies klarzumachen – den größten Pensionsfonds der Welt. Ich halte allerdings nichts davon. Man sollte das Ganze als Rückstellungen ausweisen, wodurch klar wird, wo die Probleme liegen.

Das Geld anzusammeln wird einfach nicht möglich sein, mei ne Damen und Herren. Es wären nicht genügend deutsche Staatsanleihen vorhanden. Sie wollen ja nicht in Staatsanlei hen anderer Länder – ich will jetzt kein Land nennen – anle gen. Sie wollen nicht in Aktien anlegen, und Sie wollen auch vieles andere nicht.

Deswegen, meine Damen und Herren, rate ich zur Vorsicht. Ich bin der Meinung, man sollte das Ganze ausweisen. Es ist aber sinnlos, zu meinen, man könnte entsprechende Rückla gen bilden.

Alles in allem gebe ich ehrlich zu: Im Vergleich zum Idealzu stand könnte auch in Baden-Württemberg vieles besser sein. Verglichen mit allen anderen Bundesländern steht BadenWürttemberg aber noch immer hervorragend da.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, es lie gen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Stuttgart 21; Projektförderungspflicht einhalten – Rechtsstaat schützen – beantragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 40 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die einleitenden Erklärungen der Fraktionen und für die Redner in der zweiten Runde gilt eine Redezeit von jeweils fünf Minuten. Ich bitte auch die Landesregierung, die vorge gebene Redezeit zu beachten.

Ich erteile nun der Vertreterin der Fraktion der CDU, Frau Abg. Razavi, das Wort.

Ich weise für die ganze Legislaturperiode allgemein noch da rauf hin, dass die Aussprache im Rahmen einer Aktuellen De batte möglichst in freier Rede zu führen ist. Selbstverständ lich dürfen dabei einige Stichworte zugrunde gelegt werden.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Ein guter Hinweis!)

Sehr geehrter Herr Präsident, mei ne sehr geehrten Damen und Herren! Eine völlig verwüstete Baustelle, Schäden in Millionenhöhe und, vor allem, teils schwerstverletzte Polizeibeamte, das ist die erschütternde Bi lanz der gewalttätigen Proteste vom 20. Juni 2011.

Wer, wie ich, an diesem Abend vor Ort war, hat blinde Zer störungswut und Partystimmung erlebt. Dass der oberste Park schützer das alles als „gelöste Feierabendstimmung“ bezeich net, ist widerwärtig und erbärmlich.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der SPD)

Ebenso erschreckend war, dass die Polizei zurückweichen und zuschauen musste, wie Eigentum zerstört und Recht mit Fü ßen getreten wurde. An diesem Abend ist der Staat vor der An archie in die Knie gegangen.

Kann es denn wirklich sein, dass Chaoten in diesem Land freie Hand haben? Kann es denn wirklich sein, dass derjenige, der die Straße kontrolliert, auch das Recht kontrolliert? Viele fra gen sich: Warum nimmt diese Landesregierung all dies billi gend in Kauf?

Unsere Forderung an Sie ist klar: Bekennen Sie sich endlich ohne Wenn und Aber zu diesem Rechtsstaat, und setzen Sie ihn durch! Recht darf Unrecht nicht weichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Hören Sie endlich auf zu tricksen, zu tarnen und zu täuschen. Minister Hermann sagte am 10. Juni 2011 in der „Süddeut schen Zeitung“ – ich zitiere –:

Wir werden allergrößten Wert darauf legen, dass der Pro test gewaltfrei abläuft. Aber die Menschen wissen genau, worauf es jetzt ankommt.

Das, Herr Minister, ist ein vergifteter Friedensappell.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Anstiftung!)

Es ist schlimm, wie Sie Ihr Amt zur Stimmungsmache miss brauchen. Es ist unerträglich, wenn Sie denen, die im Recht sind, auch noch die Schuld für die Ausschreitungen in die Schuhe schieben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Als Beispiel nenne ich Ihr Interview in den „Fränkischen Nachrichten“. Ich zitiere:

Natürlich hat zu dieser Eskalation beigetragen, dass jetzt wieder gebaut wird. Es ist übel, wenn Beamte indirekt zu Opfern jener werden, die umstrittene Baupläne zu verant worten haben.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Skandalös! – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Unglaublich! – Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

Aber Schuld, meine Damen und Herren, haben doch nicht die jenigen, die ihr Baurecht ausüben.

(Zuruf der Abg. Tanja Gönner CDU)

Schuld haben doch die Chaoten und diejenigen, die die Stim mung anheizen. Das, was Sie machen, ist doch eine ganz per fide Form der Agitation.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU)

Ja, Herr Minister, Sie tun wirklich alles, um – wie Sie es selbst sagen – Stuttgart 21 zu verhindern. Dafür ist Ihnen jedes Mit tel recht. Mit gezielten, bewusst gestreuten Fehlinformatio nen

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

schaffen Sie Verwirrung und gießen Öl ins Feuer. Aber mer ken Sie denn nicht, wie Sie sich selbst immer mehr in Wider sprüchen verheddern?