Ich mache fast alle Vorschläge mit, aber den Conrad-Hauß mann-Saal dürfen Sie mir nicht wegnehmen. Den Namen mei nes Namensvetters würde ich schon gern erhalten wissen,
(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Den Vornamen ändern! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)
(Abg. Peter Hauk CDU: Ich würde „Warminski-Leit heußer-Saal“ vorschlagen! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Die Debatte zeigt, dass der Internationale Frauentag, den die Vereinten Nationen jedes Jahr für den 8. März ausrufen, nach wie vor sehr wichtig ist. Den Internationalen Frauentag gibt es seit über 100 Jahren; als Tag für die Rechte der Frauen und für den Weltfrieden wird er von den Vereinten Nationen seit 1977 begangen.
Während der Zeit des Ersten Weltkriegs hatte man auch in Deutschland für die Gleichberechtigung der Frauen und die Einführung des Frauenwahlrechts gekämpft, das dann am 12. November 1918 in Deutschland eingeführt wurde.
Frau Gurr-Hirsch, Sie hatten angesprochen, dass amnesty in ternational jedes Jahr beispielhaft auf ein Land aufmerksam macht. Es gibt in diesem Jahr zahllose Beispiele aus dem Kon go. Aber ich will hier ein weiteres Thema ansprechen, das
Frauen weltweit noch immer sehr stark betrifft, nämlich die Genitalverstümmelung. Wir haben dieses Thema bereits im Sozialausschuss behandelt, und ich glaube, dass man dieses Problem auch immer wieder thematisieren muss.
Aber es ist nicht so, dass das Thema „Gewalt gegen Frauen“ an Deutschland völlig vorbeigeht. Eine Studie aus dem Jahr 2004 zur Lebenssituation, zur Sicherheit und zur Gesundheit von Frauen kommt zu dem Ergebnis, dass 25 % der befragten Frauen zwischen 16 und 85 Jahren berichten, dass sie eigene Erfahrungen mit häuslicher Gewalt gemacht haben. Das The ma ist also nicht nur international ein Thema, sondern es be trifft auch uns in Deutschland.
Im vergangenen Jahr haben wir einen interfraktionellen An trag auf Erhöhung des Budgets für die Anlaufstellen zur Be kämpfung von Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zwangsverheiratungen gestellt. Diese drei Anlaufstellen in Freiburg, Heilbronn und Stuttgart haben jetzt ein Budget von 355 000 €. Bisher lag das Budget bei 215 000 €. Die Entwick lung zeigt, dass man dieses Thema auch interfraktionell an geht.
Dem Thema Zwangsverheiratung wird schon seit vielen Jah ren eine große Bedeutung zugemessen. Der frühere Integrati onsbeauftragte und Justizminister Professor Goll hat das sehr stark forciert. Im Jahr 2007 gab es hierzu einen Maßnahmen plan. Inzwischen gibt es das Landesforum gegen Zwangsver heiratung. Ich glaube, das ist ein Thema, das unsere Integra tionsministerin aufgreifen könnte.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig! – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)
Man könnte die heutige Debatte zum Anlass nehmen, einen Landesaktionsplan gegen Zwangsverheiratung aufzulegen. Ich denke, das wäre ein wichtiger Impuls, gerade auch hier in Baden-Württemberg.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)
Wenn man in den 2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland schaut, kann man feststellen: Es gibt Fortschritte, aber ohne Zweifel sind nach wie vor noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Der Anteil der Frauen an den 2,2 Millionen Führungskräften in der Bundesrepublik Deutsch land beträgt 23 %; in der zweiten Führungsebene beträgt ihr Anteil 35 %. Auch hier ist also eine deutliche Verbesserung festzustellen. Aber bei Familien mit Kindern unter drei Jah ren sind nur noch etwa 30 % der Frauen berufstätig, während der Anteil der berufstätigen Männer bei 83 % liegt.
Das ist neben dem hohen Anteil von Frauen bei der Teilzeit arbeit auch eine der Ursachen für die festzustellenden Lohn unterschiede in Höhe von 22 % im Bundesgebiet bzw. 27 %
in Baden-Württemberg. Wenn man den Vergleich auf Perso nen der gleichen Altersgruppe, mit der gleichen Qualifikation und der gleichen Berufserfahrung bezieht, ist immer noch ein Unterschied von 8 % festzustellen. Die neuesten Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft stellen einen Unterschied von nur noch 4 bis 5 % fest. Aber diese Unterschiede in Hö he von 4 bis 5 % bzw. 8 % sind nicht erklärbar.
Ich will ein schönes Beispiel aufgreifen. Der 2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland gibt hierzu die entsprechende Auskunft. Wenn man die Qualifika tion, die Berufsabschlüsse betrachtet, stellt man fest, dass die Mädchen inzwischen höher qualifiziert sind, höhere Abschlüs se haben als die Jungs. Aber wenn man einmal die Berufswahl anschaut, stellt man fest, dass der Frauenanteil bei den tech nischen Ausbildungsberufen 10 % und bei ingenieurwissen schaftlichen Berufen 21,6 % beträgt, während bei den nicht akademischen Gesundheitsberufen umgekehrt die Situation festzustellen ist, dass die Männer nur mit einem Anteil von 20 % vertreten sind. Das ist eine der Ursachen für die ange sprochenen Lohnunterschiede.
Erfreulich ist – das ist auch aus dem erwähnten Atlas heraus zulesen –, dass bei uns inzwischen 30 % aller Existenzgrün dungen durch Frauen stattfinden. Im weltweiten Vergleich lie gen wir damit inzwischen an dritter Stelle. Ich denke, das ist ein beeindruckender Wert.
Diese Entwicklung gilt es zu fördern, und hierzu gibt es vie le Beispiele. Ein schönes Beispiel wurde im letzten Jahr von der IHK Region Stuttgart initiiert. Das ist der Arbeitskreis „Unternehmerinnen“. Dieser umfasst inzwischen 40 Unter nehmerinnen, die sich in einem Netzwerk zusammenfinden, die Vorbildfunktion übernehmen und versuchen, in dem Netz werk ihre Erfahrungen an andere Frauen weiterzugeben.
Über die Kontaktstellen „Frau und Beruf“ haben wir vor Kur zem in einer Debatte diskutiert. Auch das ist ein wichtiges Beispiel. Wenn ich es richtig im Kopf habe, wird der Finanz- und Wirtschaftsminister übermorgen erstmals eine der Kon taktstellen „Frau und Beruf“ besuchen.
Insofern sind wir sicher, dass dieses Thema weiterhin das Ge wicht findet, das es ihm beizumessen gilt.
Wenn man Überlegungen für Maßnahmen anstellt, geht es, denke ich, darum, die Qualifikation der Frauen entsprechend fortzuführen. Es gibt viele Beispiele für Maßnahmen, die das Land Baden-Württemberg, der Bund, aber inzwischen auch die Industrie- und Handelskammer, der Verband Südwestme tall, die Bildungswerke und viele andere Organisationen durchführen. Das ist der eine Bereich.
Wir brauchen auch den Ausbau der Kleinkindbetreuung, den Ausbau der Ganztagsschulen, auch, um eine echte Wahlfrei heit für Frauen zu schaffen – einerseits für Frauen, die sagen: „Wir wollen berufstätig bleiben“;
andererseits bedarf es der Wahlfreiheit aber auch für die Frau en, die sagen: „Wir wollen eine Zeit lang zu Hause bleiben.“ Bei der Betreuungsquote, die wir derzeit haben, ist die Wahl freiheit in dieser Form nicht gesichert. Das ist ein Thema, das auch die Generalsekretärin der FDP Baden-Württemberg so wie die FDP-Landesvorsitzende am kommenden Freitag auf greifen werden. Es wird hierzu Aktionen geben, um diese Wahlfreiheit einzufordern. Ich glaube, das ist ein ganz wich tiger Schritt, wenn es um die Gleichberechtigung, um die Gleichstellung von Männern und Frauen auch in Baden-Würt temberg geht.
Um ein Fazit zu ziehen: Der Internationale Frauentag ist wich tig, auch im Hinblick auf den Gesamtkomplex der Themen, die heute angesprochen wurden. Wenn wir aus dem Gleich stellungsatlas ein positives Fazit ziehen wollen, dann bietet sich zumindest ein Bereich an – dort stehen wir in BadenWürttemberg auf Rang 1 –: Die durchschnittliche Lebenser wartung beträgt in Baden-Württemberg für Frauen 84 Jahre; das ist die höchste Lebenserwartung in ganz Deutschland. In sofern haben wir hier zumindest in einem Bereich eine Spit zenposition – die es vielleicht aber auch noch auszubauen gilt.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Das In nenklima in Baden-Württemberg stimmt! – Abg. Karl Zimmermann CDU: 100 % freie Rede in der Aktuel len Debatte, 100 % FDP!)
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! „Und täglich“ – oder doch jährlich – „grüßt das Murmel tier“ – leider!
Denn wie in jedem Jahr reden wir auch heute wieder aus An lass des Weltfrauentags über Frauenpolitik. Ich sage ganz be wusst: über Frauenpolitik, und nicht über Chancengleichheits politik. Warum müssen wir über Frauenpolitik reden? Weil Frauen noch immer schlechter bezahlt werden als Männer, weil Frauen bei Beförderungen noch immer häufig übergan gen werden, weil noch immer zu wenige Frauen in den Par lamenten sitzen,
weil Frauen noch immer stärker als Männer an der Doppelbe lastung von Familie und Beruf zu tragen haben
Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es unsere Pflicht, jedes Jahr aufs Neue, aber nicht nur am Weltfrauentag, son dern auch in den Zeiten dazwischen, dieses Thema auf die Ta gesordnung zu setzen.
Das mag dem einen oder anderen in diesen Tagen Anfang März immer etwas zu viel sein. Manch einer schwätzt dann vielleicht lieber mit dem Sitznachbarn. Mich aber und auch meine Kolleginnen hier im Haus treibt dieses Thema um.