Denn es geht hier nicht nur um irgendwelche Dinge, die ganz weit weg sind, sondern es geht um Geschichten von Men schen, es geht um Geschichten von Frauen, es geht um viele, viele Einzelschicksale.
Lassen Sie mich nur einige dieser Einzelschicksale heute et was näher beleuchten, damit die Phänomene, über die wir heu te reden, die aber so oft weit weg scheinen, etwas klarer und etwas plastischer werden.
Frau Müller geht jeden Morgen zur Arbeit. Sie hat ihr BWLStudium mit der Note 1,7 abgeschlossen und arbeitet seit drei Jahren als Controllerin in einem großen Betrieb. Frau Müller verdient 43 120 € im Jahr. Herr Meier, der den gleichen Ab schluss hat, ebenfalls mit der Note 1,7, arbeitet in derselben Firma als Controller, ebenfalls seit drei Jahren. Herr Meier verdient 49 000 € pro Jahr.
Meine Damen und Herren, das ist die traurige Realität im Jahr 2013 in Deutschland: Frau Müller verdient 12 % weniger, ein fach deshalb, weil sie eine Frau ist.
Aber es geht weiter: Zehn Jahre später ist Frau Müller glück liche Mutter zweier Kinder, Herr Meier ist Vater von ebenfalls zwei Kindern. Frau Müller ist – dank der „Babypause“ ist das möglich – immer noch Controllerin und verdient 50 400 €. Herr Meier, mittlerweile Seniorcontroller, verdient 70 000 €. Es ist in Deutschland völlig normal, dass eine Frau nach zehn Jahren im Beruf 28 % weniger verdient als ein Mann.
Wenn wir noch weiter in die Zukunft blicken, stellen wir fest, dass Frau Müller nach ihrer Pensionierung bis zu 72 % weni ger erhält als Herr Meier, obwohl doch beide die gleichen Startbedingungen hatten.
Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann und darf nicht länger Realität in unserem Land sein.
Deswegen kämpfen wir im Bundesrat für klare, für eindeuti ge gesetzliche Regelungen zur Entgeltgleichheit. Wir belas sen es nicht – wie die derzeit amtierende Bundesregierung – bei ein paar schönen, warmen Worten, beim Vergießen von Krokodilstränen und bei laschen Appellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die vor mehr als zehn Jahren getroffenen freiwilligen Vereinbarungen haben nicht zu einem deutlichen und nachhaltigen Anstieg der Zahl von Frauen in Spitzenpositionen geführt.
Selbst wenn eine Frau sich dafür entscheidet, Karriere zu ma chen, wird sie früher oder später an die gläserne Decke sto ßen. Es gibt sie nicht? Es gibt sie doch. In den Top-100-Un ternehmen liegt der Anteil von Frauen in Vorstandspositionen bei unter 1 % – und das ist nur ein Beispiel.
Frauen sind heute zwar selbstverständlicher Teil der Arbeits welt, aber sie sind in Spitzenpositionen bei Weitem noch nicht angemessen vertreten. Selbst im öffentlichen Dienst, den wir sehr viel direkter beeinflussen können, sieht es nicht viel bes ser aus; kein Wunder, gelten hier doch die gleichen Gesetz mäßigkeiten, die den Frauen eben nicht wirklich gerecht wer den.
So müssen wir heute feststellen, dass die vor zehn Jahren ge schlossenen freiwilligen Vereinbarungen nichts, aber auch gar nichts gebracht haben. Deshalb ist die Zeit reif für eine ver bindliche gesetzliche Regelung zur geschlechtergerechten Be setzung von Entscheidungsgremien.
Nur mit einer gesetzlich festgeschriebenen Quote kann es ge lingen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen in einem akzeptablen Zeitraum angemessen zu erhöhen. Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht aus.
Dass die EU das genauso sieht, finde ich schön. Die EU hat vor wenigen Wochen einen entsprechenden Richtlinienvor schlag vorgelegt. Was mich allerdings auch nach der heutigen Diskussion sehr wundert und befremdet, ist die Meldung in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ mit der Überschrift: „Bundesregierung will die EU-Frauenquote kip pen“.
Deshalb hat das Kanzleramt jetzt nicht nur das pro Quo te eingestellte Arbeitsministerium auf Linie gebracht. Nach SZ-Informationen weist die Bundesregierung ihre Vertreter in Brüssel an, die „Ablehnung des Richtlinien vorschlags“ aktiv voranzutreiben.
(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ach nein! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Unglaublich! – Weitere Zuru fe von der SPD)
während gleichzeitig die Bundeskanzlerin und ihr Stab ihre EU-Vertretung in Brüssel anweisen, die Richtlinie zur Quote zurückzupfeifen, dann hat das eine gewisse anachronistische Note, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich möchte heute aber nicht nur auf andere zeigen, sondern diesen Tag auch nutzen, um darzustellen, was die grün-rote Landesregierung in ihrer bisherigen Regierungszeit in Sachen Frauenpolitik auf den Weg gebracht hat. Wir haben – das können wir feststellen – im öffentlichen Dienst zwar schon einiges erreicht, was Teil
zeit, Telearbeit und Tätigkeiten im Homeoffice angeht. Aber sobald es um die Besetzung von Führungspositionen geht, sind Frauen noch immer benachteiligt.
Deswegen ist eines unserer Ziele bei der Novellierung des Chancengleichheitsgesetzes, die Quote weiblicher Führungs kräfte in der Landesverwaltung zu erhöhen. Außerdem sollen Aufsichts- und Verwaltungsräte landeseigener Unternehmen schrittweise paritätisch besetzt werden. Ferner wollen wir die Rechte der Beauftragten für Chancengleichheit stärken und Gleichstellungsbeauftragte auf kommunaler Ebene gesetzlich verankern.
Derzeit werden Eckpunkte zur Novellierung des Chancen gleichheitsgesetzes erarbeitet. Diese werden wir mit den Res sorts und allen Beteiligten abstimmen. Im Anschluss daran geht es darum, das Chancengleichheitsgesetz zu novellieren. Ich sage schon heute an dieser Stelle – und ich sage es deut lich –: Das wird nicht nur ein Chancengleichheitsgesetz, son dern das wird ein Frauenfördergesetz werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei allen Problemen der Frauen in der Arbeitswelt, die ich vorhin geschildert ha be, können sich die Frauen in Deutschland immerhin glück lich schätzen, dass sie nicht in großer Zahl Opfer von Gewalt sind. Das geht nicht allen Frauen so. Es gibt Beispiele, dass Frauen aus Rumänien und aus anderen Ländern nach Deutsch land gelockt wurden mit dem Versprechen, sie könnten hier in kurzer Zeit viel Geld verdienen und davon etwas nach Hau se schicken, um ihre Kinder zu versorgen. Als die Frauen dann hier ankamen, stellten sie fest: Sie müssen in einem Sexklub arbeiten und werden dort teilweise wie Sklavinnen gehalten, wie in einem anderen Jahrhundert. Deshalb bin ich froh, dass wir für diese Frauen Hilfen zur Verfügung stellen können, bei spielsweise über die Fachberatungsstellen für die Opfer von Menschenhandel im Land, z. B. das FIZ in Stuttgart, die Mit ternachtsmission in Heilbronn und FreiJa in Freiburg, die wir mit jeweils 60 000 € pro Jahr fördern können, um genau die sen Frauen, die von Gewalt und von Zwangsprostitution be troffen sind, Hilfestellungen zu geben.
Lieber Herr Haußmann, Sie haben vorhin das Thema „Häus liche Gewalt“ angesprochen. Auch in puncto häuslicher Ge walt gegen Frauen und Kinder haben wir im Land Nachhol bedarf. Denn häusliche Gewalt ist bei allen Tabuthemen, die es noch gibt, eines, das am stärksten mit einem Tabu belegt ist. Häusliche Gewalt ist nicht abhängig von der Schicht oder von der Herkunft, sondern häusliche Gewalt kann nahezu überall vorkommen.
Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag verschiedene Maß nahmen festgelegt, um mit einer geeigneten Beratungs- und Unterstützungsinfrastruktur für Schutz suchende Frauen und Kinder im Land ein bedarfsgerechtes Angebot zu machen. Wir werden deshalb unter der Federführung meines Hauses einen Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen und Kindern er stellen, um genau dieses Tabu aufzubrechen, aber auch, um diesen Frauen und Kindern Unterstützung und Hilfe anzubie ten.
Eine nicht unwichtige Rolle zum Schutz von Frauen und Kin dern spielt auch die Förderung der Frauen- und Kinderschutz häuser. Nachdem sich jahrelang in diesem Bereich unter Ih rer Regierung nichts getan hat, bin ich froh, dass wir in den Jahren 2013 und 2014 die Mittel für die Frauen- und Kinder schutzhäuser um insgesamt 900 000 € erhöhen konnten, um diesen Frauen und Kindern Schutz zu geben, um ihnen aber auch wieder eine Perspektive zu eröffnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Internationale Frauentag bietet auch in seinem 102. Jahr Gegensätzliches. Er bietet uns Frauen einerseits Anlass, zu feiern, Anlass zur Freu de über das, was wir erreicht haben: vom Frauenwahlrecht bis hin zur Selbstverständlichkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er erteilt uns aber andererseits auch die Aufforde rung, nicht nachzulassen in unseren Bemühungen um die Gleichstellung der Frau, um die Förderung der Frau im All tag, im Beruf, aber auch und nicht zuletzt im politischen Le ben.
Ich möchte Sie alle heute kurz vor dem Frauentag auffordern, mitzuhelfen, dass Baden-Württemberg nicht länger die Schluss lichtposition hat, sondern dass Baden-Württemberg wie in vie len anderen Bereichen auch in der Frauenpolitik spitze wird.
Aktuelle Debatte – Schulpolitik der Landesregierung auf dem Prüfstand der Realität: Baden-Württemberg braucht die Realschule – beantragt von der Fraktion der CDU
Es ist die übliche Redezeit – wie auch bei Punkt 1 – vorgege ben. Ich darf Sie bitten, § 60 Absatz 4 der Geschäftsordnung im Blick zu halten und die Aktuelle Debatte in freier Rede zu führen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aktueller kann eine Debatte nicht sein als die heutige über die Realschulen unseres Lan des. Am heutigen Tag um 12:00 Uhr werden Herrn Minister Stoch 8 000 Unterschriften übergeben. Wesentlicher Inhalt: Es geht den Realschulen darum, dass ihre Schulart als eigen ständige Schulart erhalten bleibt.