Protokoll der Sitzung vom 20.03.2013

Ja, das hat er mehrfach berichtet.

Nun ist klar – ich komme auf das Stichwort Konsens gleich zu sprechen –, dass wir da sehr, sehr früh aufgebrochen sind – mit 20 000 Studienplätzen. Diese Landesregierung brauch te nur noch nachzusteuern und 2 500 weitere Plätze zu ermög lichen. Das muss man an der Stelle doch auch fairerweise sa gen,

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

insbesondere, wenn man sonst eben ständig Nebelkerzen wirft, was die „Altlasten“ anbelangt. An dieser Stelle sage ich noch einmal offen: Da haben Sie eine sehr, sehr komfortable Ausgangslage vorgefunden.

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Der Bund beteiligt sich ja schon. Deswegen verstehe ich den Titel dieser Debatte auch nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Es ist zu laut.

Der Bund beteiligt sich frei willig schon im Rahmen des „Hochschulpakts 2020“. Das wissen Sie.

Jetzt komme ich zum Stichwort Konsens. Ich bin sehr für Konsens, aber diese Debatte irritiert ein bisschen. In der De batte vorher wurde klar, dass das innerhalb der Koalition et was differenziert gesehen wird – Gott sei Dank. Wir sind uns ja einig, dass es eine Landeskompetenz ist. Auch deswegen ist es verfehlt, dann zwischendurch auf einmal willkürlich auf den Bund zu zeigen, obwohl der sich freiwillig beteiligt. Das Ganze macht doch letzten Endes keinen Sinn. Es ist eine Lan deskompetenz, und wir brauchen mehr Geld.

Ich bin übrigens auch dafür, dass die Länder einen höheren Anteil am Mehrwertsteueraufkommen bekommen. Auch hier besteht also Konsens, und zwar mit genau derselben Begrün dung. Das wäre doch eine Möglichkeit, dass alle vier Frakti onen dieses Landtags gemeinsam agieren im Sinne einer hö heren Beteiligung am Mehrwertsteueraufkommen. Das wäre sachlich richtig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE und Wolfgang Drexler SPD)

Man kann auch über eine Ausweitung des Pakts reden, mit dem Bund verhandeln. Das ist auch eine Möglichkeit. Aber nachdem Sie jetzt freundlicherweise geklatscht haben, wer den Sie das wahrscheinlich gleich nicht mehr tun.

Wenn ich der Bund wäre und das Land käme mit der Forde rung: „Wir brauchen mehr Geld“, dann würde ich – das muss man schon einmal ehrlich sagen – sagen: Nutzt erst einmal eure eigenen Möglichkeiten. Führt z. B., wie von der FDP vor geschlagen, nachlaufende Studiengebühren ein, die nieman dem wehtun, auch wenn er kein Geld hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Um Gottes willen! Das ist ein alter Hut, und kein Mensch will das! Die Bay ern schaffen das ab!)

Aber es ist angeklungen: Es ist ein widersprüchliches Verhal ten, die Studiengebühren abzuschaffen

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die haben es in Bayern doch auch abgeschafft!)

und anschließend dem Bund zu sagen: Wir haben kein Geld. – Ja, gut, Bayern darf dann halt auch nicht zum Bund kom men. – Wenn ich es so mache, dann muss ich sagen: „Ich zah le es selbst.“ Schaffen Sie den notwendigen Ausbau, und be zahlen Sie es selbst.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie sind der letzte Mo hikaner!)

Wir können gemeinsam zum Bund gehen und wegen einer hö heren Beteiligung am Mehrwertsteueraufkommen verhandeln. Das ist in der Sache richtig.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Bauer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit vielen Jahren erleben wir in unserem Land zwei gegenläufige Entwicklungen: Auf der einen Seite haben die Schulen immer weniger Schüler, und auf der anderen Seite werden die Hochschulen immer voller, sodass wir mit dem Ausbau kaum hinterherkommen. Das ist kein baden-württem bergisches Spezifikum, sondern eine Entwicklung, die sich in ganz Deutschland vergleichbar abspielt. Die Schulstandorte ringen, insbesondere wenn es sich um Hauptschulen oder um Grundschulen handelt, um ihren Bestand, und unsere Hoch schulen platzen aus allen Nähten.

Wie passt das eigentlich zusammen? Diese Frage erschließt sich nicht jedem unmittelbar automatisch. Haben wir es hier wieder mit einer Entwicklung zu tun, die sich mit ein paar Jah ren Verzögerung zunächst im Schulbereich abspielt und sich dann in den Hochschulbereich verlagert?

Viele haben geglaubt, dass volle Hochschulen eine temporä re, kurzfristige Erscheinung seien und wir es innerhalb weni ger Jahre mit Kapazitäten zu tun hätten, die geschaffen wur den und wieder zurückgebaut werden müssten. Heute wissen wir: Die Annahme aus früheren Jahren, das Wachstum an un seren Hochschulen sei im Wesentlichen bestimmten Einmal effekten geschuldet, ist falsch.

Kollege Schmidt-Eisenlohr hat das Thema der doppelten Abi turjahrgänge erwähnt, die jetzt sukzessive in die Studienpha se überwechseln. Im letzten Jahr war es in Baden-Württem berg so, in diesem Jahr ist dies in Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, der Fall. Ferner kommen Einmaleffekte wie der Wegfall der Wehrpflicht hinzu, die da zu führen, dass wir es mit vollen Hochschulen zu tun haben.

Man hatte allerdings geglaubt, die demografische Entwick lung würde auch an den Hochschulen sukzessive ihre Wir kung entfalten. Deswegen hat man damals das Programm „Hochschule 2012“ so konzipiert, dass der Ausbau als eine kurzfristige Maßnahme vorgesehen wurde. Einzelne Aus bautranchen waren sogar auf nur zwei oder drei Kohorten aus gelegt, weil man davon ausgegangen war, dass sich die Ein maleffekte sehr schnell wieder abbauen. Entsprechend hat man im Wesentlichen auch nur befristet Personal eingestellt. Es ging vermeintlich darum, eine kurzfristige Erscheinung zu überbrücken.

Heute wissen wir, dass diese Rechnung so nicht stimmt. Denn der Rückgang der Schülerzahlen, den wir offenkundig auf grund der demografischen Entwicklung zu verzeichnen ha ben, wird überlagert von einer anderen Entwicklung, nämlich einem veränderten Bildungsverhalten. Immer mehr junge Menschen erwerben die Hochschulzugangsberechtigung, und

zwar besonders viele über den zweiten Bildungsweg – das ist ein Erfolgsmodell. Der Anteil derer, die eine Hochschulzu gangsberechtigung haben und dann ein Studium aufnehmen, hat sich dabei nicht verändert. Er ist verblüffenderweise gleich geblieben. Nur ca. 70 % derer, die das Recht hätten, zu stu dieren, nehmen ein Studium auf; die anderen suchen sich ei nen Ausbildungsplatz im dualen System.

Die KMK hat vor dem Hintergrund, dass auch sie zuvor von anderen Voraussetzungen ausgegangen war, ihre Berechnun gen der Studierendenzahlen kürzlich korrigiert, und zwar deutlich nach oben. Sie hat vor einem Jahr für Baden-Würt temberg bemerkenswerte Korrekturen bekannt gegeben. Im Jahr 2009 hatte sie bezüglich der Entwicklung der Studienan fängerzahlen in Baden-Württemberg für den Zeitraum 2011 bis 2015 noch die Zahl von 327 000 Studienanfängern vor ausgesagt. Im Jahr 2012, also vor einem Jahr, hat sie ihre Pro gnose korrigiert und hat jetzt für Baden-Württemberg die Zahl von 624 000 Studienanfängern für dieselbe Periode voraus gesagt. Das ist also fast eine Verdopplung der eigenen Prog nose für diesen Zeitraum. Zudem prognostiziert sie, dass die Studienanfängerzahlen mittelfristig auf einem recht hohen Ni veau verharren und nur leicht abschmelzen werden. Bis 2024/2025 reduzieren sie sich demnach sukzessive auf ein Ni veau, das immer noch oberhalb dessen liegt, was wir im Jahr 2005, dem Ausgangsjahr des Ausbaus, als Marge hatten. Das sind die Zahlen der KMK.

Warum gibt es heute diese Diskussion, beantragt von der Frak tion GRÜNE? Es ist der richtige Zeitpunkt, darüber zu reden; das möchte ich noch einmal betonen. Denn ich beobachte die se korrigierten Zahlen der KMK, die seit einem Jahr vorlie gen, mit großer Sorge. Die Zahlen wurden von mir direkt nach meinem Amtsantritt ebenfalls so vorhergesagt, verbunden mit der Warnung, dass bundesweit die bisherigen Ansätze zur Aus finanzierung des beschlossenen Hochschulpakts nicht ausrei chen werden.

(Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: So ist es!)

Seit über einem Jahr hat sich nichts getan. Die ehemalige Mi nisterin Schavan hat die Zahlen geleugnet und gesagt: „War ten wir einmal ab; wir werden ja sehen.“ Es ist viel Zeit ins Land gegangen, und die Nervosität an den Hochschulen wächst, weil sie nicht wissen, ob der beschlossene Hochschul pakt ausfinanziert wird.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr GRÜNE: Ja!)

Da reden wir nicht darüber, Kollege Dr. Goll und Kollege Dr. Birk, dass der grün-roten Landesregierung jetzt auf einmal einfällt, den Bund um Hilfe zu rufen. Wir reden darüber, dass ein beschlossener Pakt, übrigens die zweite Phase, vonseiten der Bundesregierung nicht ausfinanziert ist.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir reden nicht über höhere Finanzierungsanteile, sondern wir reden darüber, dass die Verabredungen eingehalten wer den müssen. Der gesamte Ausbau in Baden-Württemberg – Herr Abg. Stober hat zu Recht darauf hingewiesen – ist nur mithilfe dieser beiden Säulen erfolgt, der Anstrengung des Landes und der Anstrengung des Bundes.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Genau!)

Wir verlangen umgehend Klarheit, ob der Bund dazu steht, diese Säule auch weiterhin zu bedienen und die nötigen Mit tel zur Verfügung zu stellen, die wir brauchen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Deswegen müssen wir mit Nachdruck dafür sorgen, dass wir endlich zu einer Einigung finden. Auf Bundesebene wird ver handelt. Das ist gerade beschrieben worden. In der Tat gibt es Arbeitsgruppen, die jetzt noch einmal versuchen, zu verifizie ren, wie die Zahlen wirklich aussehen. Dann – so ist zu hof fen – müssten wir im April endlich zu einer Entscheidung kommen, die besagt, dass der Bund die im Grundsatz zuge sagte Finanzierung auch konkret in seinem Haushalt unter legt. Ich bitte Sie alle eindrücklich darum, an diesem Punkt den Bund in der Pflicht zu halten. Wir nehmen ihn nicht zu sätzlich in die Pflicht, sondern wir halten ihn in der Pflicht, das, was er früher zugesagt hat, auch finanziell zu unterlegen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Mir ist durchaus klar, dass wir nicht über Peanuts reden. Es geht um relevante Finanzierungslücken. Bei dem Deckel, den wir dringend angehoben sehen wollen, geht es um eine Anhe bung von 2,1 Milliarden € auf 7 Milliarden € in der Phase 2011 bis 2015, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden müssen, und weitere 2,7 Milliarden € für die Ausfinanzierung der Plätze für die Kohorten, die man bis zum Jahr 2018 auf nimmt.

Dann haben wir aber noch nicht darüber geredet, wie der „Hochschulpakt 2020“ für Studienanfänger im Zeitraum 2015 bis 2020 finanziert werden soll. So weit sind wir in den Ver handlungen noch gar nicht. Wir werden aber auch darüber re den müssen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zu diesem Pakt gehören in der Tat zwei Beteiligte: der Bund und die Länder. Die Länder müssen im Grundsatz dafür ein stehen, dass die Studienplätze geschaffen werden. Die Län der haben sich für die Gesamtfinanzierung der Studienplätze verantwortlich erklärt. Baden-Württemberg hat seine Pflicht getan und hat ausfinanziert.

In der mittelfristigen Finanzplanung haben wir auch die Be träge hinterlegt, die für die nächste Phase notwendig sind, um diese Studienplätze zu halten. Wir erwarten dies auch von den anderen Bundesländern.

Was wir nicht nachvollziehen können, ist, wie der Bund im Moment verhandelt, dass er versucht, den Beitrag zu maxi mieren, den die Länder jeweils als Kofinanzierung aufbrin gen. Wir bieten an – und halten das für realistisch –: Das, was der Bund an Finanzierung bringt, wird in einer hälftigen Fi nanzierung – sauber nachgewiesen – auch vonseiten des Lan des gebracht – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Zum Stichwort Masterausbau: Ich bin ein wenig stolz darauf, und ich bin dem Haus auch dankbar, im Haushalt entsprechen de Mittel zur Verfügung gestellt zu haben, damit wir hier in Baden-Württemberg den Masterausbau mutig anpacken kön