Protokoll der Sitzung vom 11.04.2013

(Abg. Johannes Stober SPD: Die haben doch noch Redezeit! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullin ger FDP/DVP)

Kollege Deuschle.

Vielen Dank, Herr Minister, für die Zulassung der Zwischenfrage. – Baden-Württemberg will in den nächsten acht Jahren einen Anteil der erneuerba ren Energien an der Stromerzeugung von 38 % erreichen, Bay ern im gleichen Zeitraum einen Anteil von 50 %, Niedersach sen und Brandenburg 90 % und Schleswig-Holstein sage und schreibe – rechnerisch – 400 %.

Meine Frage: Stimmen Sie mir zu, dass eine der größten He rausforderungen zum Gelingen der Energiewende in einer bes seren Koordination der Ausbaumaßnahmen und Ausbauziele der Bundesländer liegt, und, wenn ja, welche Maßnahmen hat die Landesregierung von Baden-Württemberg in Bezug auf die bessere Koordination auf Lager?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Kollege Deuschle, Koordination ist vorhanden, und zwar von Anfang an. Die kann man hier und da sicher noch verbessern. Aber ich finde, das muss vor allem eine ge meinsame Sache sein. Das darf nicht nur eine Angelegenheit von Baden-Württemberg sein, sondern muss auch eine Auf gabe der Bundesregierung darstellen.

In den letzten anderthalb Jahren gab es regelmäßige Treffen der Umweltminister. Es gibt regelmäßige Treffen der Minis terpräsidenten auch mit der Kanzlerin. Vor rund drei Wochen gab es ein Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten zum Thema Strompreisbremse. Daher ist diese Koordination vorhanden.

Die unterschiedlichen Ausbauziele, die Sie angesprochen ha ben, hängen auch mit den unterschiedlichen Gegebenheiten zusammen. Es ist völlig klar, dass ein Land wie SchleswigHolstein beispielsweise im Bereich des Ausbaus der Wind energie – onshore, offshore – andere Möglichkeiten hat als Baden-Württemberg.

(Zurufe von der CDU: Aha! – Zuruf des Abg. Win fried Mack CDU – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Das hat noch nie jemand bestritten!)

Auch in anderen Bereichen gibt es Unterschiede, was nicht bedeutet, Herr Kollege Mack, dass wir in Baden-Württemberg die Windenergie nicht ausbauen. Aber in Schleswig-Holstein oder Brandenburg liegt der Anteil der Windenergie schon heu te bei 40, 50, 60 %,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ja!)

und er wird dort weiter steigen. Daher haben wir unterschied liche Ausgangssituationen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Wenn man solche Ausbaukapazitäten hat, wie Sie sie in Be zug auf Schleswig-Holstein oder Brandenburg angesprochen haben, muss das Ziel doch sein, dass wir die in Zukunft auch für uns im Süden – das heißt sowohl in Baden-Württemberg als auch in Bayern – nutzbar machen. Das heißt vor allem, dass wir gerade aus baden-württembergischer Sicht darauf drängen müssen, dass die Netze in den kommenden Jahren so ausgebaut werden, wie das im Netzentwicklungsplan bis zum Jahr 2022 vorgesehen ist. Ich finde, das ist eines der vordring lichen Ziele.

Aber auch da gibt es diese Koordination, nämlich dergestalt, dass es alle vier Wochen Sitzungen des Beirats der Bundes netzagentur gibt, in dem alle Länder – ich z. B. für BadenWürttemberg – mit am Tisch sitzen und wo wir regelmäßig auf den Stand der Dinge beim Netzausbau schauen. Daher ist es nicht so, dass es da keine Koordination gäbe. Noch einmal: Man kann die Koordination zwischen den Bundesländern im mer hier und da verbessern, aber sie findet nun wirklich statt.

(Beifall der Abg. Andrea Lindlohr und Andreas Schwarz GRÜNE)

Kollege Dr. Bullinger.

Herr Umwelt- und Energieminister, Schleswig-Holstein und Niedersachsen ha ben auch zu viel Milch. Die fährt man auch in den Süden.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Auweia!)

Ich habe eine spezielle Frage. Sie haben häufig als Argument genutzt – heute nicht –, dass wir noch nie so viel Strom ex portiert haben wie in den letzten Jahren. Ich glaube, es war im letzten Jahr sogar mit die höchste Summe, die wir exportiert haben.

Mich würde interessieren: Wie viel und zu welchen Preisen haben wir denn exportiert, und wie viel, zu welchen Preisen und zu welchen Zeiten haben wir importiert? Das Thema Spei cherung ist bei uns, wie überhaupt, glaube ich, das Kernpro blem. Da ist bisher zu wenig von Ihnen gekommen.

Herr Kollege Bullinger, ich empfehle Ihnen ein fach: Bringen Sie nicht alles durcheinander.

Wir hatten in Deutschland über die Jahre hinweg immer ei nen Exportüberschuss beim Strom. Er schwankte. Allerdings

hatten wir im letzten Jahr einen enormen Exportüberschuss in der Höhe von weit über 20 TWh. Das war für alle, auch für mich, überraschend.

Womit hängt das zusammen? Das hängt mit den niedrigen Börsenpreisen, die wir in Deutschland hatten, zusammen. Da durch war es attraktiv, in Deutschland einzukaufen. Das hing mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland zusammen, aber es hing vor allem damit zusammen, dass die Braunkohlekraftwerke in Deutschland rund um die Uhr ge laufen sind – rund um die Uhr! – und produziert haben. Mit solchen Trivialitäten hängt das zusammen.

Umgekehrt zeigen diese etwa 20, 21, 22 TWh, die wir an Ex portüberschuss hatten, dass wir jetzt nicht – um ein anderes Thema aufzugreifen – in einer Phase sind, in der wir in Deutschland vor einem drohenden Blackout stünden. Das ist überhaupt nicht der Fall.

Wenn Sie mit den Netzbetreibern reden, dann stellen Sie fest: Die haben zwar verstärkt Eingriffe in das Netzgeschehen, aber niemand, auch bei TransnetBW niemand, wird Ihnen irgend welche Zahlen bringen, wonach wir vor dem Hintergrund der Energiewende Gefahr liefen, dass wir einen drohenden Black out bekämen. Vielmehr geht man nach wie vor davon aus, dass diese Dinge beherrschbar sind.

Auch das ist ein Fall, bei dem ich glaube: Man ist gut bera ten, keine Ängste zu schüren, dass die Versorgungssicherheit gefährdet sei, genauso wie es keinen Grund gibt, Ängste zu schüren, dass die Strompreise durch die Decke gingen.

Die Zahlen, die uns vorliegen – beispielsweise vom Institut für Energie in Leipzig, das auch schon für die Vorgängerlan desregierung, für das Wirtschaftsministerium begutachtet hat und das regelmäßig Berichte für uns abgibt –, belegen: Wir hatten in der Vergangenheit Strompreissteigerungen, und wir werden auch in Zukunft Strompreissteigerungen haben. Aber wir haben keinen Anlass, zu glauben, dass die Strompreisstei gerungen in den nächsten Jahren stärker ausfallen, als sie in der Vergangenheit waren.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Der Ministerpräsident hat sinkende Strompreise versprochen!)

Ich plädiere dafür, diese Debatte auf das Niveau zurückzufüh ren, auf das sie gehört, nämlich auf ein sachliches Niveau. Es sollten keine Mondzahlen in die Welt gesetzt werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE spricht die Kollegin Sitzmann.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Bei manchen Ausführungen, die von seiten der Opposition gemacht worden sind, stellt sich mir die Frage, ob Sie wirklich zur Energiewende stehen, Herr Nemeth.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Natürlich!)

Wenn Sie wirklich zur Energiewende stehen und wenn Sie sa gen, dass die CDU in Baden-Württemberg diese tatkräftig vo ranbringen will, dann können Sie nicht gleichzeitig die Strom preisbremse von Umweltminister Altmaier verteidigen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Der Umweltminister hat es ausgeführt, und auch der Kollege Stober hat es angesprochen: Diese Strompreisbremse bremst den Strompreis nicht wirklich; denn hierbei handelt es sich um eine Entlastung um 16 € pro Haushalt und Jahr. Das ist keine echte Strompreisbremse. Diese könnte aber zur Folge haben, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zum Erlie gen kommt.

Wenn Sie das befürworten, frage ich mich, wie Sie eigentlich zur Energiewende stehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Paul Nemeth CDU meldet sich.)

Außerdem hat das zu einer enormen Verunsicherung geführt. Der Umweltminister hat das am Beispiel der EnBW aufge zeigt. Es wäre ein einmaliger Vorgang gewesen, Kürzungen im Bestand vorzunehmen. So etwas könnten wir nie und nim mer gutheißen. Ich bin deshalb froh, dass sich der baden-würt tembergische Umweltminister gemeinsam mit seinen Länder kollegen auf Bundesebene dafür eingesetzt hat, dass so etwas keinesfalls passiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Kollegin Sitzmann, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Nemeth?

Der Kollege Nemeth hat gleich das Wort und kann dann all das sagen, was ihm wich tig ist.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das würde aber sehr gut passen!)

Lassen Sie mich jetzt weiter ausführen, was ich mir notiert habe. Klar ist: Diese Strompreisbremse ist eine Energiewen debremse. Deshalb wird sie entschieden von uns abgelehnt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Tatsache, dass wir für die heutige Sitzung eine Aktuelle Debatte zur Strompreisentwicklung beantragt haben, beruht darauf, dass über dieses Thema besonders virulent diskutiert wird. Der Kollege Stober hat vollkommen recht, wenn er sagt, dass die Strompreise heftig diskutiert werden, obwohl ande re Energieformen deutlich mehr Aufwendungen für private Haushalte bedeuten.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Sie haben die Debatte be antragt!)

Deshalb gilt es, auf der einen Seite eine ehrliche Debatte über Strompreise zu führen und auf der anderen Seite auch die Kos ten für Wärme und Benzin einzubeziehen.