Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei: Da klatscht kein Praktiker! – Glocke des Präsiden ten)

Ein weiterer Punkt: Entgegen Ihrer Ankündigung, nicht diri gistisch vorgehen zu wollen, schreiben Sie in Ihrem Konzept ganz klar vor, wohin die Reise der baden-württembergischen Schulen gehen soll. Sie wollen nämlich eine Zweisäulenschul struktur.

(Zuruf von der CDU: Vorher schon!)

Entscheidend und entlarvend dabei ist aber, dass die zweite Säule nach Ihren Vorstellungen immer an integrativen Struk turen ausgerichtet sein soll. Das heißt, Sie haben Ihr Ziel im mer noch nicht aufgegeben, dass die zweite Säule letztlich im mer die Gemeinschaftsschule sein soll. Sie müssen aber den Menschen in Baden-Württemberg offen und ehrlich sagen, dass aus Ihrer Sicht, dass aus grün-roter Sicht für Hauptschu len, für Werkrealschulen und für Realschulen mittelfristig kein Platz mehr ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Deswegen werden sie ausgehungert!)

Meine Damen und Herren, es muss doch wie Hohn in den Oh ren der Kolleginnen und Kollegen an den Schulen klingen, wenn die bestehenden Schularten es als Chance begreifen sol len, ihre pädagogischen Konzepte auf stärker differenzieren de Lernmethoden hin auszurichten,

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

wie Sie, Herr Minister, dies soeben gesagt haben. Als ob es an unseren Schulen bisher keine differenzierenden Lernme thoden gegeben hätte!

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Bravo!)

Außerdem setzen Sie nun einen neuen Hebel an, um Ihr Lieb lingskind Gemeinschaftsschule auch gegen Widerstände wei ter auszubauen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Einheits schule!)

So betonen Sie, Herr Minister Stoch, an mehreren Stellen Ih rer Rede die „Erreichbarkeit von Bildungsabschlüssen“. Über setzt auf Deutsch heißt das konkret: An der Gemeinschafts schule werden alle Abschlüsse angeboten. Somit besteht für die nahegelegene Realschule keine Daseinsberechtigung mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist die Wahrheit!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP/DVP-Landtags fraktion wird sich auch weiterhin mit aller Kraft für den Er halt und für die Fortentwicklung der erfolgreichen Realschu len in unserem Land einsetzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Dass Ihr Konzept unausgegoren und eben kein großer Wurf ist, zeigt sich auch an weiteren Punkten. Erstens: Die berufli chen Schulen bleiben weitestgehend außen vor, als wären sie nicht elementarer Bestandteil unseres Bildungswesens.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Stiefkin der!)

Diese teilweise Ausgrenzung der beruflichen Schulen halten wir für falsch.

Zweitens: Sie klammern komplett auch die G-8-/G-9-Problematik aus – die die Menschen im Land aber wirklich bewegt –, an statt sich unseren Vorschlag anzueignen.

Drittens: Wesentliche Weichenstellungen im Bereich Inklusi on oder Ganztagsschule haben Sie nicht vorgenommen, ob wohl gerade diese Fragen für die Gestaltung des Schulange bots vor Ort ganz entscheidend sind.

Und beim einzigen konkreten Punkt Ihrer Rede, Herr Minis ter, nämlich der Frage der Schulmindestgröße, zeigen Sie, dass Sie den Verantwortlichen vor Ort eben keine Entscheidungs freiheit geben wollen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Basta!)

Denn sonst hätten Sie eine Möglichkeit der flexiblen Ausge staltung vor Ort eingeräumt und damit vielen Standorten ei ne Perspektive geboten.

(Zuruf des Abg. Siegfried Lehmann GRÜNE)

Nach Auffassung des Gemeindetags ist die Zahl 40 eine poli tische Festlegung und etwa mit der seit Langem angewende ten Mindestzahl von 16 Schülerinnen und Schülern pro Klas se nicht in Einklang zu bringen. „Die stabile Zweizügigkeit reicht als Kriterium aus“, so der Präsident des Gemeindetags Roger Kehle. Das ist exakt die Position, für die die FDP/DVPLandtagsfraktion auch in der vergangenen Legislaturperiode gekämpft hat.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Seit wann bedeuten 16 Schüler eine stabile Zweizügigkeit?)

Wenn Sie, Herr Minister Stoch, bei Ihrer politisch am Reiß brett festgelegten Zahl bleiben, dann werden nach Angaben des Gemeindetags in absehbarer Zeit alle verbliebenen 862 Haupt- und Werkrealschulen geschlossen werden.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist das erklär te Ziel!)

In der Tat stellt sich doch auch bei diesem Punkt die Frage der Glaubwürdigkeit, wenn Sie, Herr Minister Stoch, bei der Ge nehmigung der Gemeinschaftsschulen die eigenen Maßstäbe ad absurdum führen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Unter den 86 künftigen Gemeinschaftsschulen sind 25 einzü gig.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Herr Minister Stoch, in der Presse wurde Ihre heutige Regie rungserklärung bereits vor Tagen als Ihr Gesellenstück ange kündigt. Nun: Bisher war die Bildungspolitik der neuen Lan desregierung ganz wesentlich grün dominiert. Die Gemein schaftsschule ist in erster Linie eine grüne Schule. Die ein schneidenden Sparvorgaben im Bildungsbereich sind ein Pro jekt aus dem Staatsministerium – also ebenfalls grün angestri chen. Beim Thema G 8/G 9 haben sich die Grünen ebenfalls durchgesetzt.

Es waren also vor allem grüne Bildungsprojekte, an denen Ih re Amtsvorgängerin, Gabriele Warminski-Leitheußer, kra chend gescheitert ist.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wie hieß die?)

Herr Minister Stoch, die regionale Schulentwicklungsplanung hätte in der Tat Ihr Gesellenstück werden können, mit dem Sie sich von der grünen Dominanz im Bildungsbereich hätten frei schwimmen können. Sie sind aber an Ihrer Halbherzigkeit und an der Angst vor der eigenen Courage gescheitert.

(Zuruf des Abg. Walter Heiler SPD)

Ihre Aufgabe war es, eine echte regionale Schulentwicklungs planung vorzulegen, die diesen Namen auch tatsächlich ver dient hat. Abgeliefert haben Sie aber heute ein zentrales Schul schließungsprogramm mit Beteiligungsfeigenblatt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Panikpo litik! – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Dr. Kern, gestatten Sie eine Nachfrage des Kollegen Lehmann?

Herr Dr. Kern, Sie haben gefragt: Warum wird hier jetzt dieser regionale Schulentwick lungsprozess aufgesetzt, wenn doch nur Dinge gemacht wer den, die ohnehin selbstverständlich sind? Wie erklären Sie sich bei dieser Selbstverständlichkeit, die Sie hier anmahnen und von der Sie sagen: „Das hat es ja schon immer gegeben“, dass in Baden-Württemberg über 64 % der Klassen an den Haupt- und Werkrealschulen weniger als 20 Schüler und da mit eine Größe haben, die weit unter dem Klassenteiler liegt?

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Offensichtlich hat doch in den vergangenen Jahren die regio nale Schulentwicklungsplanung der alten Landesregierung nicht funktioniert.

(Abg. Walter Heiler SPD: Es gab gar keine! – Zuruf des Abg. Karl Klein CDU)

Herr Kollege Lehmann, ich habe das Gegenteil von dem gesagt, was Sie gerade vorgetra gen haben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Zuhören!)

Ich habe gesagt, dass die drei Anlässe, nach denen Ihre Schul entwicklungsplanung ablaufen soll, Selbstverständlichkeiten sind. Hätten Sie mir zugehört, hätten Sie erfahren, dass diese Landesregierung angesichts der zahlreichen Baustellen, die Sie angefangen haben, die Schulentwicklungsplanung längst hätte in Angriff nehmen müssen. Denn Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern leiden doch unter Ihrer Bildungspolitik, weil es eben keine Planung im Bildungsbereich gegeben hat.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig!)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Wacker.