Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Landauf, landab gibt es viele Diskussionen über genau diese Hochwasserschutzmaßnahmen.

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

Es ist nicht so, als wäre es eine kleine Maßnahme, die da um gesetzt werden soll. Es wird diskutiert über die finanzielle Be teiligung der begünstigten Gemeinden und der Gemeinden, auf deren Gemarkungen dieses Becken dann entstehen soll. Es wird diskutiert über Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Es wird diskutiert über Beeinträchtigungen von Fauna, Flora oder auch des Jagdwesens. Es wird diskutiert über die Vor- und Nachteile von ökologischen Flutungen oder auch über Mückenplagen, die durch das stehende Wasser be günstigt werden. Alle diese Fragen sind berechtigt, diese Fra gen müssen aber vor Ort aufgegriffen werden, sie müssen dis kutiert werden, und es muss auch eine alsbaldige beherzte Ent scheidung kommen, weil diese ganzen Entscheidungen in der Regel auch gerichtlich überprüft werden. Da darf keine Zeit verloren gehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ich hoffe, dass zukünftig der Rechnungshof unseres Landes nicht mehr die Frage aufwerfen wird, ob wir zu viel Geld in den Hochwasserschutz schießen oder nicht. Ich glaube, auch die Damen und Herren in dieser Behörde dürften aus diesem Hochwasser 2013 viel gelernt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Sie haben die Bilder gesehen. Die Menschen in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt sind wirklich schlimm dran. Sie haben zum Teil zum zweiten Mal ihr Hab und Gut verlo ren. Werkstätten stehen unter Wasser, Unternehmen müssen dichtmachen, Schulen sind kaputt, Infrastruktur – Schienen, Straßen – ist kaputt.

Auch Sie haben – zumindest wenn Sie die Rheintalbahn be nutzen – in den letzten Wochen die Auswirkungen des Hoch

wassers gespürt und haben gemerkt, was es bedeutet, wenn Züge umgeleitet werden müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, die SPD steht hinter den Hochwasseropfern. Deswegen werden wir zusammen mit un serem Koalitionspartner auch dafür Sorge tragen, dass das Geld für die Flutopferhilfe kommt.

Die SPD sagt auch Dank allen Kameradinnen und Kamera den vom Deutschen Roten Kreuz, vom Technischen Hilfs werk, von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft, aber auch den Polizistinnen und Polizisten sowie den Frauen und Männern bei der Bundeswehr, vor allem auch den vielen, un zähligen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die zum Teil bis zur psychischen und physischen Erschöpfung gear beitet haben. Herzlichen Dank dafür. Sie haben die Not gelin dert.

(Beifall bei den Grünen und der SPD sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Unruhe)

Die SPD erwartet von der Landesregierung, dass jetzt tatsäch lich noch mehr Zug in den Hochwasserschutz gebracht wird. Die Voraussetzungen sind vorhanden. Ich zeige Ihnen jetzt ein kleines Schaubild dazu, was die neue Landesregierung seit 2012 in diesem Bereich geleistet hat.

(Die Rednerin hält ein Schaubild hoch.)

2012 sind die Mittel um 50 % auf 38 Millionen € erhöht wor den. In diesem und im nächsten Jahr erfolgt eine Verdopplung der Mittel im Vergleich zu denen, die 2011 im Staatshaushalt enthalten waren; dann werden es 48 Millionen € pro Jahr sein. Das ist richtig so. Das ist eine Verdoppelung im Vergleich zu den Mitteln, die die Vorgängerregierung bereitgestellt hat, und so kommt Zug in die Sache.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Oje!)

Situationen wie in Grimma und Deggendorf darf es eben in Baden-Württemberg nicht geben.

Wir müssen auch Lehren aus diesem Hochwasser 2013 zie hen, das heißt, unsere geplanten Maßnahmen überprüfen. Sind die Deiche nach den Erhöhungen tatsächlich hoch genug? Sind die Intervalle zwischen den Überprüfungen der Deiche in einem Kontrollsystem kurz genug? Sind die Deiche bei Hochwasser in Notsituationen befahrbar? Das sind Fragen, die wir aufgrund des jetzigen Hochwassers beantworten müs sen.

Es wurde schon gesagt, dass sich das Hochwasser 2013 nicht nur an den großen Flüssen Rhein, Neckar, Main und Donau ausgewirkt hat. Vielmehr müssen wir auf das gesamte Gewäs sersystem achten und dieses bei unseren Planungen berück sichtigen. Denn letztendlich sind es die kleinen Bäche, die ge waltige Wassermassen transportieren können. Ich habe dies 1987 selbst erlebt. In der gesamten Region Freiburg schien damals die Sonne, aber im Brettental, einem wirklich kleinen Tal, kam es zu Niederschlägen, die man sich vorher nicht vor stellen konnte. Diese ließen einen kleinen, idyllischen Berg bach zu einem reißenden Fluss anwachsen, der durch Wald und Wiesen floss und erhebliche Schäden anrichtete. Wir müs sen also das gesamte Gewässersystem berücksichtigen.

Darüber hinaus müssen wir den Bächen und Flüssen Platz schaffen – das ist schon gesagt worden –, denn wenn wir das nicht tun, dann schafft sich der Fluss, der Bach diesen Platz selbst, und dann zeigt sich immer wieder: Wasser ist stärker als der Mensch.

Es gibt also viel zu tun. Packen wir es an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht der Kollege Glück.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Dank an alle Helferinnen und Helfer wurde bereits von allen Fraktionen ausgesprochen. Ich möchte mich dem selbstverständlich anschließen.

Als Präsident des Deutschen Roten Kreuzes in Reutlingen ha be ich mir natürlich ein Bild von der Lage vor Ort gemacht und die Hilfskräfte z. B. in Bad Urach besucht. Es war faszi nierend, zu sehen, auf welche vorbildliche Art und Weise die zum großen Teil ehrenamtlichen Mitarbeiter der unterschied lichen Organisationen zusammengearbeitet haben und wie Eh renamtliche einen Schichtdienst eingerichtet haben, der ge währleistete, dass sie über mehrere Tage hinweg über 24 Stun den am Tag einsatzfähig waren. Ihnen gilt unser Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Anbetracht der Fernsehbilder, die wir immer noch aus anderen Regionen Deutschlands zu sehen bekommen, neigen vielleicht manche dazu, zu sagen, dass wir in Baden-Württemberg noch einmal glimpflich davongekommen sind. Auch wenn diese Aussage vielleicht nicht ganz falsch ist, wollen wir an dieser Stelle nicht vergessen, dass es Einzelne ganz schwer getroffen hat. Hier geht es nicht um das Hab und Gut. Vielmehr mussten wir neben einem tragischen Todesfall in Bad Urach zwei weitere Todesfälle in Baden-Württemberg beklagen. Daher möchte ich von dieser Stelle aus den Angehörigen unsere aufrichtige Anteilnahme aussprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine absolute Sicher heit vor Hochwasserschäden wird es auch in Zukunft nicht geben. Im Hinblick auf alle Naturgewalten gilt, dass wir trotz aller technischen Hilfsmittel keine absolute Sicherheit und keinen absoluten Schutz garantieren können. Trotzdem haben wir in Baden-Württemberg schon seit Langem den Anspruch, Hochwasserschutz auf höchstem Niveau zu bieten.

Ich möchte einige Beispiele nennen. Wir haben in BadenWürttemberg allein 1 000 km Dämme. Wir haben Rückhalte räume, von denen jetzt 45 Millionen m3 in Anspruch genom men wurden; es waren übrigens noch weitere Kapazitäten vor handen. Die Hochwasservorhersagezentrale, die an die LUBW angegliedert ist, gibt es schon seit den Neunzigerjahren. Mo bile Hochwasserwände und flächendeckende Strukturen, z. B. durch Hilfsorganisationen, Feuerwehren und technische Or ganisationen – all diese Maßnahmen haben Gott sei Dank gut funktioniert und sind effektiv. Aber sie sind eben auch – Stich wort „Aufrechterhaltung der Infrastruktur“ – teuer. In diesem Zusammenhang kann man in der Tat beklagen, dass man in

den vergangenen Jahren vielleicht weniger Geld in den Hoch wasserschutz gesteckt hat, als wünschenswert gewesen wäre; in Anbetracht der angespannten Haushaltslagen ist dies durch aus verständlich und nachvollziehbar.

Übrigens hat die damalige Opposition dies damals mitgetra gen und keine zusätzlichen Mittel für den Hochwasserschutz gefordert, im Gegenteil. Sie können der Drucksache 14/6348 entnehmen, dass die damalige Opposition, nämlich Grüne und SPD, zugestimmt hat, die Umsetzung des Integrierten Rhein programms bis ins Jahr 2028 zu strecken.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Hört, hört, hört!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungs fraktionen, Sie haben nun Steuereinnahmen, die so hoch sind, wie sie in Baden-Württemberg noch nie waren.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Fakten!)

Dadurch haben Sie die Möglichkeit, etwas mehr Geld in den Hochwasserschutz zu stecken. Das kritisieren wir ausdrück lich nicht.

Übrigens gilt dies nicht erst seit dem vergangenen Hochwas ser. Auch in meiner Haushaltsrede im letzten Jahr habe ich be reits gesagt, dass ich die Mittel, die für den Hochwasserschutz eingestellt wurden, nicht kritisieren möchte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein paar Bereiche sind meiner Meinung nach für den gewöhnlichen politischen Streit ungeeignet. Der Hochwasserschutz ist für mich ein sol ches Thema.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Ganz genau!)

In diesem Zusammenhang stört es mich schon ein kleines biss chen, wenn sich Herr Marwein hier hinstellt und so tut, als ob die jetzige Landesregierung den Hochwasserschutz erfunden hätte.

Ich fordere alle Fraktionen auf, in Zukunft beim Hochwasser schutz gemeinsam zu arbeiten; denn auch dann, wenn wir zu künftig alle zusammenarbeiten, bleibt der Hochwasserschutz in Baden-Württemberg eine große Herausforderung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung spricht Herr Umweltminister Untersteller.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch in Baden-Württemberg hat das Hochwasserereignis am Ende der Pfingstferien, wie wir alle mitbekommen haben, zu Überflutungen und Schäden geführt. Wir hatten im Land drei Todesfälle zu beklagen.

Ursache für das Hochwasser war der ergiebige Dauerregen in den Tagen zwischen dem 30. Mai und dem 2. Juni. Um Ihnen einen Eindruck von den Regenmengen zu geben: Im Durch schnitt fielen innerhalb von 60 Stunden etwa 100 mm pro Stunde. Auf der Schwäbischen Alb und im Allgäu lagen die

Spitzenwerte zwischen 120 und 140 mm. Zum Vergleich: Üb licherweise beträgt die Niederschlagsmenge im gesamten Mai etwa 90, 95 mm.

Dazu kam, dass wir in den Wochen zuvor intensive Regenfäl le hatten mit der Folge, dass die Böden gesättigt waren. In die sen Tagen waren die bisherigen Meldewerte an 36 Pegeln teil weise massiv überschritten. Wenn man das alles zusammen nimmt, kann man von einem flächendeckenden Hochwasser ereignis in diesen Tagen sprechen, ein Ereignis von einem Ausmaß, wie es zuletzt 1978 aufgetreten ist.

Trotz der Schäden an Gebäuden und für die Landwirtschaft können wir mit Blick auf die Hochwassersituation an Elbe und Donau feststellen, dass wir in Baden-Württemberg bei diesem Ereignis noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen sind.

Herr Kollege Jägel, lassen Sie mich dazu sagen: Das hat we nig mit dem Glück der Tüchtigen zu tun. Der „Tüchtige“ saß in diesem Fall – ich sage es einmal so – vor allem im Himmel und hat einen Namen, nämlich Petrus. Was meine ich damit? Wir hatten schlicht und ergreifend das Glück, dass die Wetter lage, die in Bayern und Sachsen noch Tage später geherrscht hat, nicht nach Baden-Württemberg übergegriffen hat und in Baden-Württemberg am darauffolgenden Montag und Diens tag nicht mehr so starke Niederschläge fielen wie in den Nach barländern. Nur deshalb sind wir hier in Baden-Württemberg einer Katastrophe entgangen.

Hinzu kam natürlich das, was Sie gesagt haben und was auch ich an dieser Stelle noch einmal betonen will: Dass nichts pas siert ist, hängt auch mit dem landesweiten, sehr intensiven Einsatz von vielen ehrenamtlich Tätigen zusammen, dem Ein satz all derer, die im Katastrophenschutz, beim THW, beim Roten Kreuz, bei der Feuerwehr und anderen in diesen Tagen aktiv waren, aber auch dem Einsatz zahlreicher Behördenver treterinnen und -vertreter auf allen Ebenen, von der kommu nalen Ebene über die Ebene der Landkreise oder der Regie rungspräsidien bis hin zu den beteiligten Ministerien.