Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Zur ersten Frage: Ich habe mich auf die Aussagen des Kolle gen Jägel bezogen, der sinngemäß gesagt hat: Die vorherige Landesregierung hat vorgemacht, wie gute Hochwasserschutz politik geht. Das kann ich nicht teilen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir auch nicht!)

Ich habe versucht, deutlich zu machen, warum ich das nicht teilen kann, insbesondere im Hinblick auf den Sanierungsstau, den wir bei den landeseigenen Dämmen haben, und auch im Hinblick auf die Ausstattung des IRP mit den notwendigen Fi nanzmitteln. Deswegen bin ich froh, dass hier die Koalitions fraktionen mit dem Finanzminister und mir gemeinsam eine Wende in dieser Frage eingeleitet haben und dass wir heute hier vor einer besseren Situation stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Zum Zweiten: Es ist in diesem Haus in der Vergangenheit im mer Usus gewesen, dass die Grundzüge des Integrierten Rheinprogramms oder auch des Integrierten Donauprogramms politisch nie strittig waren. Dafür waren meine Vorgängerin und mein Vorgänger dankbar, und dafür bin auch ich dankbar. Trotzdem ist es natürlich notwendig, die erforderlichen Fi

nanzmittel bereitzustellen. Da bin ich auch dankbar, wenn die Opposition mich unterstützt.

Selbstverständlich haben uns die Maßnahmen, die meine Vor gängerin und meine Vorgänger oder auch andere hier ergrif fen haben, geholfen.

(Abg. Ulrich Lusche CDU: Das wollte ich einfach mal hören!)

Aber noch einmal: Ich habe versucht, Folgendes deutlich zu machen: Wenn es so gekommen wäre, wie es in Bayern und Sachsen gekommen ist, Herr Kollege Lusche, dann würden wir heute über andere Probleme reden. Insbesondere – auch da habe ich Ihnen vorhin ein Beispiel genannt – bei der Fra ge „Hätten unsere Deiche gehalten, nach der intensiven Durchnässung in den Wochen zuvor, mit der hohen Boden feuchte, wenn es auch bei uns so hohe Niederschläge gege ben hätte wie in Bayern und Sachsen-Anhalt?“ muss ich Ih nen sagen: Daran habe ich erhebliche Zweifel. Ich vermute, dass es aufgrund des Zustands einiger unserer Dammanlagen wohl auch bei uns zu Dammbrüchen, Unterspülungen usw. gekommen wäre.

Das hängt natürlich damit zusammen – diesen Vorwurf kann ich den früheren Landesregierungen nicht ersparen –, dass für den Erhalt dieser Infrastruktur in der Vergangenheit schlicht und ergreifend zu wenig getan wurde. Ich finde, in einer sol chen Situation kann man so etwas auch durchaus einmal ein gestehen und sagen, dass man da vielleicht in der Vergangen heit das eine oder andere falsch eingeschätzt hat.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Herr Abg. Dr. Bullinger.

Herr Minister, ein Rückhaltebecken ist dann ein gutes Rückhaltebecken, wenn es Wasser aufnehmen kann, das heißt, wenn die Kapazität, Wasser aufzunehmen, dann zur Verfügung steht, wenn solche Regenfälle auftreten. Ein Hochwasserrückhaltebecken wird aber häufig auch für Freizeitaktivitäten – Wassersport, Ange lei und anderes – genutzt, was auch gut ist und den Bürge rinnen und Bürgern auch Freude macht. Wenn es aber zum Schwur kommt, muss es für den eigentlichen Zweck zur Ver fügung stehen und darf nicht voll sein. Denn sonst passt kein zusätzliches Wasser mehr hinein.

Meine Fragen an Sie: Haben Sie eine Übersicht, inwieweit solche Einrichtungen genutzt werden? Wird auch regelmäßig überwacht oder kontrolliert, dass die geschaffenen Kapazitä ten dann, wenn überraschend tatsächlich ein Hochwasserer eignis eintritt, auch zur Verfügung stehen? Könnten Sie uns vielleicht bis Herbst eine Übersicht zukommen lassen? Damit würden Sie mir ersparen, einen Antrag einzubringen.

Herr Abgeordneter, vielen Dank für die Frage. Ich bin gern bereit, dem Umweltausschuss – den Fachleuten im Haus – etwas Schriftliches dazu zuzuleiten.

Generell lässt sich sagen, dass die Einrichtungen bei dem jüngsten Hochwasserereignis zwischen dem 30. Mai und 2. Juni dort, wo sie vorhanden waren, hervorragend funktio

niert haben und die Maßnahmen auch gegriffen haben. Das sind die großen Rückhalteräume am Rhein. Vorhin ist ange sprochen worden, dass wir am Rhein ein Rückhaltevolumen von 45 Millionen m3 hatten, was dazu geführt hat, dass in Maxau der Wasserfluss zwischen dem 2. und 3. Juni um etwa 380 m3 pro Sekunde reduziert werden konnte und damit der Scheitel des Hochwassers in Maxau um etwa 25 bis 26 cm ab gesenkt werden konnte.

Ähnliche Maßnahmen haben auch an den kleineren Flüssen in Baden-Württemberg gegriffen. Insbesondere in den Sei tentälern des Neckars, aber auch im Allgäu haben diese Maß nahmen gegriffen. Sie können aber davon ausgehen, dass wir, mein Haus, in der Nachbearbeitung des Ereignisses, auch mit den nachgeordneten Behörden, nochmals einen kritischen Rückblick anstellen werden. Ich bin gern bereit, darüber auch im Nachgang nochmals im Umweltausschuss zu berichten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Für die zweite Runde haben die Frak tionen noch Redezeit.

Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Jägel.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, eines muss ich doch klarstellen: Ich hatte gesagt, dass wir unter der Vor gängerregierung einen guten Hochwasserschutz betrieben ha ben, aber ich hatte ebenso gesagt, dass das, was gemacht wur de, bei Weitem nicht ausreicht und noch viel mehr zu tun ist, um solchen Ereignissen gerecht zu werden. Dies liegt eben nicht nur am Geld. Ich sage Ihnen: Ich halte es fast für klein kariert, wenn wir heute darüber streiten, ob 25 Millionen € oder 30 Millionen € oder 40 Millionen € oder 50 Millionen € angemessen sind.

(Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜNE)

Schauen Sie einmal nach Bayern. Der Freistaat Bayern hat in den vergangenen zehn Jahren 1,6 Milliarden € in den Hoch wasserschutz gesteckt. Wenn wir vom Klimawandel reden und ihn ernst nehmen, dann wissen wir, dass sich in den letzten zwei, drei Jahren erhebliche neue Erkenntnisse eingestellt ha ben, denen wir auch gerecht werden müssen.

Ich möchte noch etwas anderes erwähnen: Hier wird die Flut katastrophenhilfe des Bundes kritisiert. Es wird kritisiert, der Bund hätte 8 Milliarden € zur Verfügung gestellt und 4 Mil liarden € auf die Länder abgewälzt und würde hier unseriös finanzieren. Meine Damen und Herren, wenn ich im Fernse hen sehe, wie Politiker erklären, es gebe unbürokratische Hil fe, dann – das gebe ich Ihnen offen zu – mache auch ich mir Gedanken darüber, wie eine solche unbürokratische Hilfe ei gentlich aussieht.

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Da haben Sie recht!)

Wir wissen sehr wohl, dass es häufig sehr lange dauert, bis das Geld kommt. Angela Merkel will jetzt unbürokratisch und schnell helfen, und da kann es nicht sein, dass die Länder um die Finanzierung pokern.

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Es hat niemand ge pokert! Die Länder haben sich bereit erklärt!)

Da heißt es: Entweder man meint es mit unbürokratischer Hil fe ernst, oder man meint es nicht ernst damit.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Sehr geehrter Herr Minister, ich möchte noch auf einen wich tigen Punkt eingehen, den Sie erwähnt haben. Das Geld für den Hochwasserschutz ist immer richtig angelegt. Da haben Sie recht. Diese Auffassung teile ich, diese Auffassung teilen wir. Aber wir wissen auch, dass es teilweise um ganz andere Dinge geht. Damit komme ich zu den Dammsanierungen. Über deren Notwendigkeit können wir übrigens erst reden, seitdem es geotechnische Untersuchungen gibt, die von unse rer Regierung in Auftrag gegeben worden waren.

Die Realität zeigt mir z. B. Folgendes: Ich war vor anderthalb Jahren im Regierungspräsidium Karlsruhe und habe einmal gefragt, wie es mit den Dämmen in meinem Wahlkreis aus sieht. Daraufhin habe ich die Antwort bekommen: „Bis zum September“ – gemeint war also der September letzten Jahres – „gibt es eine Priorisierungsliste. Anhand dieser Liste wis sen wir, wie dringend und wie rasch welcher Damm zu sanie ren ist.“ Diese Liste liegt bis heute nicht vor.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf des Abg. Tho mas Marwein GRÜNE)

Aber gehen Sie einmal zu den Bürgermeistern, in deren Ge meinden diese Dammsanierungen notwendig sind.

Wenn heute ein Damm zu sanieren ist, brauchen wir – darauf hat die Kollegin richtigerweise hingewiesen – landseitig mehr Fläche als beim bisherigen Damm. Wir brauchen mehr Flä che deshalb, weil Dammverteidigungswege angelegt werden müssen, die notwendig sind, damit man mit schwerem Gerät kommen kann, wenn zu helfen ist.

Für dieses Mehr an Fläche müssen die Gemeinden oft mit Pri vatleuten verhandeln, damit sie diese Fläche erwerben kön nen. Das ist in vielen Fällen schwierig genug; das wissen wir alle. Aber die Gemeinden müssen auf ihren Gemarkungen auch ökologische Ausgleichsflächen zur Verfügung stellen, die notwendig werden, weil hier ein Damm angelegt wird – der jedoch später wieder mit Gras bewachsen ist oder sogar zu einem Biotop wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, daran scheitert es. Reden Sie mit den Bürgermeistern vor Ort. Sie haben oft kei ne Flächen mehr zur Verfügung. Wenn Hochwasserschutz ei ne allgemeine Aufgabe ist – ich teile die Ansicht, dass alle mit dafür verantwortlich sind –, müssen wir alle – also auch Ge meinden, die nicht direkt betroffen sind – in der Lage sein, solche Ausgleichsflächen zur Verfügung zu stellen.

Ich möchte nicht verhehlen: Die CDU war dabei, als es um den ökologischen Ausgleich ging und wir dies beschlossen haben. Aber die Realität zeigt heute, dass dies überdacht wer den muss. Wir müssen darüber nachdenken, inwieweit wir hier Änderungen herbeiführen, die es dann leichter und schneller ermöglichen, die Dämme zu sanieren.

Darüber hinaus gibt es Fälle, bei denen wir – ich denke an den Polder in Rappenwört – im Umweltausschuss über Jahre hin weg gestritten haben, ob es eine gesteuerte Maßnahme oder ob es ungesteuerte ökologische Flutungen geben soll. Über diese Frage haben wir jahrelang gestritten, Zeit verloren, bis heute doch die gesteuerte Maßnahme verwirklicht wird.

Sehr geehrter Herr Umweltminister, Sie haben uns auf Ihrer Seite, was den Hochwasserschutz betrifft. Sie haben uns bei jedem Euro, den wir dafür zur Verfügung stellen, an Ihrer Sei te. Aber wir müssen auch in der Lage sein, teilweise politisch, ideologisch motivierte Dinge zur Seite zu schaffen, Rechts fragen schneller zu klären und Verständnis bei den Menschen zu fördern. Andernfalls wird es uns nicht gelingen, einen Hochwasserschutz, der langfristig Sicherheit für die Men schen bringt, umzusetzen.

Hochwasserschutz darf keiner Ideologie unterliegen. Hoch wasserschutz ist Menschenschutz, und deshalb müssen wir gemeinsam marschieren.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zuruf des Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jawohl! Das ist der richtige Weg! Sehr gut!)

Für die SPD-Fraktion spricht die Kol legin Rolland.

Herr Jägel, eines lasse ich nicht zu: dass man den Hochwasserschutz und den Naturschutz mit ih ren Ausgleichsmaßnahmen gegeneinander ausspielt. Das geht nicht.

(Zurufe von der CDU)

Es gibt unglaublich kreative Möglichkeiten, wie man selbst Ausgleichsflächen sinnvoll hinbekommen kann.

(Abg. Karl-Wolfgang Jägel CDU: Dann gehen Sie raus, und reden Sie einmal mit den Leuten!)

Die Gemeinden können das durchaus machen. Es ist sicher lich nicht richtig, zu sagen: Hochwasserschutz scheitert an den Ausgleichsmaßnahmen, die gemacht werden müssen.

Ich höre aber: Wir sind uns einig. Es gibt hier einen Konsens. Wir sind technisch, finanziell und rechtlich auf dem richtigen Weg, um Hochwasserschutz in Baden-Württemberg zu betrei ben. Das werden wir tun.