Protokoll der Sitzung vom 10.10.2013

Aufgrund neuer, von Italien vorgelegter Informationen über die Risiken für Honigbienen, die von mit Fipronil behandel tem Maissaatgut ausgehen, erließ die EU aus Vorsorgegrün den die Durchführungsverordnung Nummer 781/2013 vom 14. August 2013. Danach darf der Wirkstoff Fipronil nur als Insektizid zur Behandlung von Saatgut zugelassen werden, das zur Aussaat im Gewächshaus bestimmt ist, sowie einiger im Freien kultivierter Gemüsearten, die vor der Blüte geern tet werden.

Eine Ausnahmegenehmigung nach Artikel 53 kann nach un serer Rechtsauffassung durch den Bund, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, für Kartoffeln grundsätzlich weiter erteilt werden. Ein entsprechender An trag kann bei der entsprechenden Bundesbehörde durch Ver bände gestellt werden. Ein solcher Antrag liegt bisher nicht vor.

Wir stehen im Kontakt mit der Erzeugergemeinschaft Früh- und Spätkartoffeln Baden-Württemberg, nach deren Einschät zung das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmit telsicherheit hierfür offenbar keine Chance sieht. Das ist aber, wie gesagt, eine Einschätzung, die uns auf der Basis der Kom munikation mit dem Erzeugerverband vorliegt. Wir sind da im Gespräch.

Wir haben großes Verständnis für die Situation der Kartoffel anbauer. Der Kartoffelanbau spielt in Baden-Württemberg für die regionale Produktion und die Kartoffel als Blattfrucht für die Auflockerung der Fruchtfolge eine wichtige Rolle. Wir ha ben ein großes Interesse, den Rückgang weiter aufzuhalten.

Ich muss allerdings festhalten: Die Aufgabe der Zulassungs behörde liegt beim Bund. Über einen Antrag auf Notfallzu lassung auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnis se und der aktuellen Rechtslage kann ausschließlich der Bund entscheiden.

Wir, die Landesregierung, haben in dem Bereich, in dem wir Handlungsmöglichkeiten haben, versucht zu unterstützen. Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg, das LTZ, beteiligt sich daher an einem länderübergreifenden Über wachungs- und Untersuchungsprogramm, das die Biologie dieser Schädlingsarten näher untersucht. Zunächst wurden die verschiedenen Drahtwurmarten mittels moderner molekular

biologischer Methoden, sogenannter PCR, und die Schnell käfer mittels Pheromonfallen differenziert.

Ein Ergebnis dieses Projekts war, dass die wärmeliebenden Schnellkäferarten mit einer schnelleren Entwicklungszeit als die anderen Arten bereits stärker verbreitet sind als erwartet. Die Eiablage erfolgt bevorzugt in dicht bewachsenen Bestän den, sodass die Schäden nach Umbruch mehrjährigen Klee grases oder verunkrauteter Bestände besonders hoch sind.

In Versuchen wurden produktionstechnische Verfahren wie Fruchtfolge, Bodenbearbeitung sowie Anbau von Fang- und Feinpflanzung getestet. Intensive Bodenbearbeitung kann die Tiere mechanisch oder durch Austrocknung schädigen. Mit produktionstechnischen Maßnahmen ließ sich bisher nur die Populationsdichte etwas senken.

Auch alternative Bekämpfungsmöglichkeiten zum einschlä gigen Wirkstoff wurden geprüft, insbesondere im Bereich Ne matoden und Pilze. Das Ganze erwies sich allerdings als sehr schwierig. Insofern liegen alternative oder schnelle Lösungen des Problems bisher nicht vor und sind auch nicht zeitnah zu erwarten.

Eine Nachfrage, Kolle gin Gurr-Hirsch.

Herzlichen Dank, Herr Minister. – Ich hatte mich genauso wie Kollege Dr. Lasotta an Sie gewandt, weil wir von der Erzeugergemeinschaft im Un terland kontaktiert wurden. Ihre Antwort war – so wie Ihre Ausführungen jetzt am Schluss –, dass diese Probleme noch eine Weile anhielten. Ich stelle das jetzt verkürzt dar.

Meine Frage ging dahin, wie Sie die regionale Produktion – über 60 % des Ertrags haben diese Löcher und sind nicht mehr vermarktbar – garantieren wollen. Wenn ich jetzt der Erzeu gergemeinschaft sage, sie solle einen Antrag stellen, dann würden Sie sich beim BVL dafür einsetzen, dass es eine Son dergenehmigung für einen bestimmten Zeitraum gibt. Habe ich Sie in diesem Sinn richtig verstanden?

Ich verstehe auch nicht, warum Sie sich darauf berufen kön nen, dass die Erzeugerverbände diesbezüglich eher defensiv fahren, und antizipieren, das BVL würde ohnehin keine Ge nehmigung aussprechen.

Frau Abgeordnete, ich habe Ihnen die Rechtslage geschildert. Ich habe auch geschildert, dass wir der Auffassung sind, dass nach geltendem Recht eine Ausnah mezulassung möglich sein könnte. Ich habe erklärt, dass die Erzeugergemeinschaft im Schreiben uns gegenüber ein sehr skeptisches Bild geschildert hat. Ich kann dazu aber nichts sa gen, außer auf die Schilderung des Verbands und auf unsere Rechtseinschätzung hinzuweisen.

Mein Haus ist in diesem Verfahren nicht die zuständige Be hörde. Vielmehr muss zum Schluss auf der Basis eines An trags die zuständige Bundesbehörde entscheiden. Sie wissen, wie da die föderalen Zuständigkeiten festgelegt sind. Das Land nimmt hier an der Zulassungsentscheidung nicht teil.

Eine Zusatzfrage, Herr Abg. Locherer.

Herr Minister, das Thema „Wett bewerbsvorteile, Wettbewerbsnachteile“ spielt in der Land wirtschaft und vor dem Hintergrund der Europäischen Union und der Vorschriften, die von der europäischen Ebene kom men, eine große Rolle.

Deshalb meine Frage: Ist Goldor Bait in anderen EU-Ländern erlaubt? Meine zweite Frage, wenn Sie erlauben: Bedingt die Harmonisierung des europäischen Pflanzenschutzrechts nicht, dass in allen Ländern gleich verfahren werden muss?

Herr Abgeordneter, herzlichen Dank für die Frage. – Die Durchführungsverordnung Nummer 781/2013 ist eine europäische Durchführungsverordnung. Die gesamte Durchführungsverordnung, die sowohl den Wirkstoff Fipro nil wie auch den ganzen Bereich der Neonikotinoide betrifft, gilt natürlich europaweit.

Ich gehe davon aus, dass von allen nationalen Zulassungsbe hörden entsprechend der europäischen Durchführungsverord nung vorgegangen wird. Mir liegen jetzt allerdings keine ex akten Daten vor, ob es hier Abweichungen gibt. Aber es han delt sich um eine europäische Durchführungsverordnung, die selbstverständlich im gesamten Geschäftsbereich der Europä ischen Union von den jeweiligen nationalen Behörden zu be achten ist.

Danke schön. – Eine wei tere Zusatzfrage, Herr Abg. Hahn.

Herr Minister, als ich die Münd liche Anfrage gesehen habe, habe ich noch einmal nachge schaut. Unsere Linzgaukartoffelproduzenten im konventio nellen Bereich haben das, was Sie vorhin gesagt haben, ei gentlich bestätigt.

Ich möchte den Kernpunkt noch einmal herausstellen: Draht würmer sind im Kern ein Fruchtfolgeproblem. Wir wünschen uns eine gute Fruchtfolge. Die Produzenten im konventionel len Bereich sagen aber, dass es eigentlich gar kein Problem sei, weil sich das Ganze durch die Fruchtfolge, die sie ma chen, auflöst; sie kennen das Mittel Goldor Bait in diesem Sinn gar nicht.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Und die Frage? – Zuruf: Wo war die Frage?)

Die Frage lautet: Stimmen Sie mir zu?

(Heiterkeit)

Herr Abgeordneter, ich bestätige Ihnen gern erneut, dass Sie sich mit dem Kartoffelanbau wesentlich intensiver befasst haben als ich.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord neten der SPD)

Herzlichen Dank. – Ich sehe keine weiteren Zusatzfragen. Damit ist die Behandlung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 6 und die Fragestunde ebenfalls beendet.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Integration – Staatsvertrag mit islamischen Glaubensgemeinschaften – Drucksache 15/3228

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Zur Begründung darf ich das Wort Frau Abg. Grünstein ge ben.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor nicht allzu langer Zeit haben wir alle gemeinsam über einen Staatsvertrag mit den bei uns lebenden Sinti und Roma gesprochen. Wir haben auch bereits ein Abkommen mit den israelitischen Kultusgemein den. Diese beiden Gruppen sind schon lange ein wichtiger und nicht mehr wegzudenkender Teil unserer Gesellschaft. Da war es dann an der Zeit, dass wir auch mit den über 600 000 Bür gerinnen und Bürgern islamischen Glaubens, die bei uns le ben, einen Vertrag schließen. Die Länder Bremen und Ham burg haben es uns vorgemacht. Sie, Herr Kollege Deuschle, haben gestern explizit auf die Stadtstaaten hingewiesen.

Ich bedanke mich beim Ministerium für Integration für die aufschlussreiche Stellungnahme zu unserem Antrag.

Wir alle wollen eine verbesserte Willkommenskultur in unse rem Land, wir wollen, dass die Menschen, die zu uns kom men, das Gefühl haben, dass wir uns freuen, dass sie bei uns sind, und wir wollen, dass sich diese Menschen dann auch in unsere Gesellschaft einbringen – mit allem, was sie zu bieten haben. Viele haben eine sehr qualifizierte Ausbildung, viele gehören Vereinen und Verbänden an. Sie machen unsere Ge sellschaft bunt, und das ist auch gut so.

Gerade haben wir in Baden-Württemberg den 3. Oktober, den Tag der Wiedervereinigung, groß gefeiert. Wie immer hatten am 3. Oktober die Moscheen ihre Türen weit geöffnet, und sehr viele Bürgerinnen und Bürger haben das Angebot ange nommen und sich in vielen Gesprächen mit den Mitgliedern der islamischen Gruppen ausgetauscht. Dabei ist auch wieder sehr deutlich geworden, dass die Menschen mit islamischem Glauben ein Teil unserer Gesellschaft sein wollen. Sie leben zwar in ihrem eigenen Glauben, aber dies grenzt sie doch nicht ab. Ob katholisch, evangelisch, jüdisch oder islamisch – wich tig ist der Mensch, der diesen Glauben lebt. Und viele wollen Deutsche sein.

Mit ihren rund 600 000 Mitgliedern stellen die islamischen Glaubensgemeinschaften die zweitgrößte religiöse Gruppe in Baden-Württemberg. Deshalb ist es auch nicht verkehrt, zu sagen, dass der Islam zu einem Bestandteil des Lebens in Ba den-Württemberg geworden ist. Als plurale und weltoffene Gesellschaft demonstrieren wir durch einen Vertrag mit den Bürgerinnen und Bürgern islamischen Glaubens, dass sie da zugehören, dass sie ein Teil dieser unserer Gesellschaft sind. Das heißt: Wir tragen Verantwortung für sie, aber sie tragen auch Verantwortung für das Land und für die Gesellschaft, in der sie leben wollen.

Ein Staatsvertrag kann aber keine Einbahnstraße sein. Er be deutet ein Sich-Begegnen, er bedeutet, aufeinander Rücksicht

zu nehmen und den anderen als gleichwertigen Teilnehmer im gleichen Verkehrsraum anzuerkennen. Ich denke, dass durch die vertragliche Einbindung von Menschen islamischen Glau bens von staatlicher Seite anerkannt wird, dass diese eine Mittlerrolle zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Tra ditionen im Einwanderungsland Deutschland einnehmen könnten. Ein Staatsvertrag zeigt unsere Ernsthaftigkeit im Be mühen, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger an dem kultu rellen und gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Er zeigt aber auch, dass wir Erwartungen haben, dass auch sie aktiv sein müssen, damit dies gelingen kann.

Im Landesverband der Islamischen Kulturzentren sind 40 is lamische Kulturzentren zusammengeschlossen. Es besteht ein Landesverband mit den Regionalverbänden Karlsruhe und Stuttgart. Außerdem gibt es die Aleviten und noch einige an dere vielköpfige Verbände, die wir alle zusammenbringen wol len. Der runde Tisch „Islam“, den unsere Ministerin Öney dan kenswerterweise ins Leben gerufen hat, ist ein hervorragen des Beispiel dafür, wie man miteinander umgehen muss, wie die unterschiedlichen Gedanken zusammengeführt werden können. Nur wer miteinander redet, kann Dinge verändern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen sowie des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Ich bin sicher, dass die Ministerin darauf noch eingehen wird.

Es gäbe viel zu diesem Thema zu sagen; aber ich bin sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir uns doch weitest gehend einig sind. Viele Aspekte spielen im Zusammenleben der Menschen in unserem Land eine Rolle. Lassen Sie uns ge meinsam dafür Sorge tragen, dass auch dieser Vertrag zum Nutzen aller auf den Weg gebracht werden kann.

Ich hoffe sehr, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass heu te nicht wieder so aggressive Töne angeschlagen werden müs sen wie z. B. gestern von dem netten Kollegen Deuschle,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ach was!)

der im Integrationsausschuss nicht gerade durch Wortbeiträ ge auffällt.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Unverschämtheit! Unglaublich! Ist das aggressiv!)

Wie ich bereits sagte: Ein Vertrag zwischen dem Land BadenWürttemberg und den islamischen Religionsgemeinschaften hat nicht nur die einseitige Anerkennung von Rechten zum In halt, sondern auch die wechselseitige Anerkennung von Ver pflichtungen. Ein Vertrag zwischen dem Land Baden-Würt temberg und den islamischen Religionsgemeinschaften kann – da bin ich mir sehr sicher – einer Diskriminierung und ei ner Islamfeindlichkeit effektiv entgegenwirken.

Da wir zu diesem Thema sicherlich noch mehrmals zusam menkommen werden, will ich es dabei bewenden lassen.