Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Ich verstehe jetzt Ihren Wortbeitrag nicht ganz. Sie sagen, die alte Landesregierung, die Sie auch mitgetragen haben, habe die Schulsozialarbeit in erster Linie nicht als bezuschussungs fähig gesehen, sondern andere bildungspolitische Projekte. Jetzt machen wir eine Drittelfinanzierung für die staatlichen Schulen, und jetzt sagen Sie, das sei zu wenig. Vorher haben Sie gesagt: „Das ist aus haushaltstechnischen Gründen nicht möglich.“

Können Sie versuchen, das einmal konsistent zusammenzu fügen? Sie selbst haben mit den k.w.-Vermerken entsprechen de Auflagen gemacht und die Anforderung gestellt, mehr zu sparen. Wo soll das passieren? Und wo soll die Landesregie rung die zusätzlichen Mittel für die Schulen in freier Träger schaft hernehmen, um auch dort bei der Schulsozialarbeit in eine Drittelfinanzierung zu gehen?

Herr Lehmann, ich will zwei Punkte dazu ansprechen.

Eingangs erwähnte ich den Pakt zur Stärkung der Chancen gerechtigkeit, der im Februar 2011 von der Landesregierung gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden verab schiedet wurde. Dabei einigte man sich darauf, dass das Land die Finanzierung der Pädagogischen Assistenten von 20 Mil lionen € auf 40 Millionen € verdoppelt und im Gegenzug die Kommunen in eigener Verantwortung die Schulsozialarbeit finanzieren. Dieser Pakt wurde mit dem Hinweis vereinbart, dass 2014 eine gemeinsame Überprüfung der entsprechenden Regelungen stattfinden wird. Insofern hätten Sie auch sagen können: Wir übernehmen den Pakt, wir konsolidieren den Haushalt.

Jetzt haben Sie entschieden, die Schulsozialarbeit wieder mit zufinanzieren. Das ist eine Entscheidung Ihrer Landesregie rung. Wenn Sie das schon machen, dann sollten Sie jedoch nicht zwischen Schülern erster Klasse und Schülern zweiter Klasse differenzieren. Bildungsgerechtigkeit in Baden-Würt temberg sieht anders aus.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Altpeter.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte hat mit wenigen Ausnahmen eindrück lich belegt, dass die Bedeutung der Jugendsozialarbeit an Schulen, die in den Achtzigerjahren an vereinzelten Schulen begann, heute unumstritten ist. Teile der Vorgängerregierun gen haben das dem Grunde nach erkannt, aber leider nicht ge handelt. Deshalb müssen wir die Märchenstunde von gerade eben beenden und bei den Fakten bleiben.

Erstens: Die Vorgängerlandesregierungen haben in den Jah ren 1999 bis 2005 die Schulsozialarbeit mit einem Gesamtvo lumen von 7 Millionen € gefördert. Im Jahr 2005 wurde die Förderung eingestellt mit dem Argument, es handle sich um eine rein kommunale Aufgabe.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Genau!)

Zweitens: Die SPD und die Grünen haben in den Jahren ihrer Regierung seit 2011, also in nahezu drei Jahren, insgesamt über 55 Millionen € für die Schulsozialarbeit bereitgestellt. Damit können wir jetzt ein nahezu flächendeckendes Ange bot an Schulsozialarbeit vorhalten.

Drittens: Der Pakt, den die alte Landesregierung im Februar 2011 geschlossen hat – Herr Haußmann, da wäre ich an Ihrer Stelle sehr zurückhaltend –, hat offensichtlich nicht sehr lan ge gehalten, so wie manch anderes Geschäft, das die alte Lan desregierung in der Zeit von Dezember 2010 bis März 2011 getätigt hat. Übrig geblieben scheint mir heute nicht mehr viel zu sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Bereits im Zuge der Arbeit des Sonderausschusses, der sich mit den Konsequenzen aus dem Amoklauf im Jahr 2009 be fasst hat, gab es ein Minderheitenvotum von SPD und Grü nen, die eine Wiederaufnahme der finanziellen Beteiligung des Landes an der Schulsozialarbeit gefordert hatten. Dies wurde von den damaligen Regierungsfraktionen, auch im Zu ge der Aufarbeitung des Amoklaufs, abgelehnt.

Nach dem Regierungswechsel haben wir unverzüglich die Landesförderung der Schulsozialarbeit auf den Weg gebracht mit der Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen und mit dem mit den kommunalen Landesverbänden geschlos senen Pakt für Familien mit Kindern, durch den ab dem Jahr 2012 bis zu 15 Millionen € und ab dem Jahr 2014 noch ein mal 25 Millionen € mehr pro Jahr zur Mitfinanzierung der Ju gendsozialarbeit zur Verfügung gestellt werden.

Wir wissen, dass Schulsozialarbeit ein Qualitätsmerkmal gu ter Schulkultur ist. Die Erhöhung der Zahl der Stellen von 800 auf mindestens 1 000 innerhalb von zwei Jahren ist eine or dentliche Bilanz. Diese Maßnahme verbessert – das ist mir wichtig – die Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler für mehr Schulerfolg, vor allem aber auch für mehr Bildungs gerechtigkeit. Mit dieser Ankündigung sind wir angetreten, und diese verwirklichen wir auch.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Entscheidend für uns ist, was insgesamt dabei herauskommt, also das, was unsere Investitionen bewirkt haben. Das kann sich durchaus sehen lassen. Denn wir haben mit dem Wieder einstieg in die Landesfinanzierung der Kosten einen regelrech ten Ansturm der Träger ausgelöst und einen flächendecken den Ausbau bewirkt. Dieser kann nach nur zwei Jahren natür lich noch nicht abgeschlossen sein. Aber wir können heute sa gen, dass heute bereits 2 600 Schulen in Baden-Württemberg Schulsozialarbeit anbieten. Das bedeutet, dass an jeder zwei ten Schule ein solches Angebot vorhanden ist. Das bedeutet auch, Schulsozialarbeit wird flächendeckend in jedem Stadt- und Landkreis angeboten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Gemäß unserem Grundsatz wird die Schulsozialarbeit natür lich bereits dort angeboten, wo es am wichtigsten ist, nämlich bei den Kleinen. Am weitesten verbreitet ist die Schulsozial arbeit bei den Grundschulen, dann kommen die Werkrealschu len und die Hauptschulen, dann die Realschulen und dann die Gymnasien.

Schulsozialarbeit bedeutet für die Schulen keinen Prestige verlust mehr, sondern genau das Gegenteil. Schulsozialarbeit ist zu einem Qualitätsmerkmal einer guten Schulkultur gewor den. Ich denke, das ist nicht zuletzt auch mit Blick auf die Ent wicklung hin zur Ganztagsschule eine ganz erfreuliche Ten denz.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Noch ein weiterer Punkt: Wenn Sie, Herr Kunzmann, sagen, die Schulsozialarbeit würde aus den Mitteln finanziert, die durch die Streichung des Landeserziehungsgelds frei gewor den sind, dann ist das schlicht die Unwahrheit. Sie wissen ge nau, dass wir mit den Mitteln des ehemaligen Landeserzie hungsgelds insbesondere arme Familien und von Armut be drohte Familien und deren Kinder fördern. Wir haben diese Mittel nicht dazu genutzt, Schulsozialarbeit zu fördern. Viel mehr ist die Schulsozialarbeit integraler Bestandteil des von uns mit den Kommunen geschlossenen Pakts für Familien.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ebenso können Sie davon ausgehen – jeder, der die Systema tik der Sozialgesetzbücher kennt, wird das auch tun –, dass wir die Mittel des Bundes, die für die Eingliederungshilfe ver sprochen sind und zur Verfügung stehen, nicht für andere Zwecke verwenden können. Denn die Eingliederungshilfe ist seither eine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch XII und wird dies auch in Zukunft sein. Sie kommt vor allem den Menschen zugute, die aufgrund eines Handicaps oder anderer Schwie rigkeiten nicht am Arbeitsleben teilhaben können, und ist nicht für die Schulsozialarbeit vorgesehen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Was Sie vergessen haben, ist, dass die alte Bundesregierung bereit war, mit den Mitteln aus dem Bildungs- und Teilhabe paket einen guten Teil der Schulsozialarbeit mitzufinanzieren, allerdings begrenzt bis zum Ende des Jahres 2014. Wenn uns allen so viel an der Schulsozialarbeit gelegen ist, wie Sie vor hin zum Ausdruck gebracht haben und wir durch unsere fi nanzielle Förderung zum Ausdruck bringen, dann wäre es doch gut, wenn Sie in Richtung Ihrer Parteifreunde nach Ber

lin vermelden würden, dass in einem zukünftigen Bildungs- und Teilhabepaket auch weiterhin die Schulsozialarbeit ent halten sein muss, damit wir wirklich zu einem ganz flächen deckenden Ausbau kommen.

Natürlich ist der Ausbau der Schulsozialarbeit nach zwei Jah ren noch nicht abgeschlossen. Wir sind aber mit der Erhöhung des Haushaltsansatzes auf einem guten Weg zur Verdichtung eines bereits jetzt flächendeckenden Angebots. Ich bin mir si cher, dass uns dies auch gelingen wird.

Schulsozialarbeit ist Teil des Schulalltags, ist Teil von Bil dung, ist aber auch Teil des kulturellen Lebens und des Zu gangs, den Kinder, Schülerinnen und Schüler haben sollen. Ich denke, sie ist damit ein Angebot, das wichtig ist für Kin der, für Schülerinnen und Schüler und das schlicht und ergrei fend zum Schulalltag gehört.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Gestatten Sie noch eine Nachfrage der Kollegin Gurr-Hirsch? – Die Frage ist zugelassen. Bitte schön.

Frau Ministerin, Sie ha ben gerade zum Abschluss einen sehr interessanten Satz ge sagt, nämlich dass Schulsozialarbeit auch Teil des kulturellen Lebens sei. Ich stelle in Ortschaften vor allem im ländlichen Raum mehr und mehr fest, dass Menschen im dritten Lebens abschnitt sagen: „Ich habe ein gutes Leben gehabt, und ich möchte mich gern einbringen.“ Als Jugendbegleiter ist ja, den ke ich, eine sehr erfolgreiche Tätigkeit möglich. Wie sehen Sie da die Sozialarbeiter in der Rolle, das kulturelle Leben et wa einer Gemeinde in die Sozialarbeit einzubeziehen?

Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Abg. Gurr-Hirsch, mitnichten schließen Schulsozialarbeit und bür gerschaftliches Engagement von älteren Bürgerinnen und Bür gern einander aus, sondern sie können sich immer dort, wo dieses Engagement gewollt ist, wo es auch gefördert wird, wo Menschen bereit sind, sich einzubringen in ein kulturelles Le ben, in einen Schulalltag, natürlicherweise ergänzen. Ich den ke, wir sind uns alle auch darüber im Klaren, dass bürger schaftliches Engagement vor allem lebt und sich weiterentwi ckelt durch professionelle Anleitung, durch professionelle Be gleitung. Ich sehe hier eine Ergänzung von Schulsozialarbeit und bürgerschaftlichem Engagement und keinen Gegensatz.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion spricht Kolle ge Kleinböck.

Herr Präsident, meine Da men und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich will mich nicht auf die Schulsozialarbeit an den allgemeinbil denden Schulen beschränken, sondern die Gelegenheit nut zen, hier auch einmal die beruflichen Schulen ins Gespräch zu bringen. Schließlich soll ja die Schulsozialarbeit für alle

Schularten gelten, wie das eben auch in der Antwort des Mi nisteriums auf die entsprechende Anfrage formuliert wurde.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und liebe Kol legen, es gibt 285 berufliche Schulen in Baden-Württemberg. Keine zwei beruflichen Schulen sind gleich. Deshalb müssen wir deutlich machen, dass wir es hier mit einer Besonderheit zu tun haben, die aber auch nicht verwundert. Über 300 Aus bildungsberufe, weit über ein Dutzend vollschulische Bil dungsangebote bis hin zum beruflichen Gymnasium sorgen dafür, dass in den beruflichen Schulen auch ein besonderer, sehr spezieller Bedarf an Schulsozialarbeit besteht. Wenn wir uns dann noch die Integrationsleistung deutlich machen, die von den beruflichen Schulen erbracht wird, ist das ein zusätz liches Argument, das wir hier berücksichtigen sollten.

Der Schulsozialarbeiter – das gilt nicht nur für die beruflichen Schulen – hat einen besonderen Zugang zu Schülerinnen und Schülern. Konflikte, die in den Klassen auftreten, werden auch in den beruflichen Schulen mithilfe der Schulsozialarbeiter angegangen. Ich selbst habe den Schulsozialarbeiter an mei ner Schule auch durch die Finanzierung der Ausbildung von sogenannten Konfliktcoaches unterstützt, die dafür sorgen, dass dieses Angebot weiter in die Breite getragen wird.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich denke, wir haben auch im Hinblick auf die Zahl der Ausbildungsabbrüche, die es im Bereich der dualen Ausbildung immer noch in der Grö ßenordnung von 20 % gibt, eine Aufgabe, die mit Unterstüt zung der Schulsozialarbeiter bewältigt werden kann. Deshalb ist es notwendig, an dieser Stelle einmal darauf hinzuweisen, dass wir bei der Weiterentwicklung der Berufsschulen zu re gionalen Kompetenzzentren, die wir in der Enquetekommis sion vereinbart und gefordert hatten, den Schulen vor Ort mehr Kompetenzen geben, sodass sie in der Lage sind, das Thema Schulsozialarbeit aufzugreifen und zielgerichtet zu agieren.

Wenn wir uns an das erinnern, was die Ministerin gerade ge sagt hat, an das Bildungs- und Teilhabepaket und daran, dass der Bund im Rahmen dieser Drittelfinanzierung einen Beitrag zur Finanzierung der kommunalen Grundsicherungsträger ge leistet hat, wenn wir daran denken, dass sich der Bund im Grunde genommen aus der Schulsozialarbeit verabschiedet hat und es uns, der SPD, nicht gelungen ist, in den Koalitions verhandlungen auf Bundesebene dieses Thema wieder aufzu greifen, dann sollte doch wenigstens die CDU im Land sich dazu bekennen, dass wir diese gemeinsame Aufgabe nur dann gut finanzieren können, wenn sich alle Beteiligten im gesell schaftlichen Kontext – Bund, Land und Kommune – gemein sam dieser Aufgabe stellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kunzmann.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kurz vor der Kommunalwahl wollten Sie sich sicherlich für die Mitfinanzierung einer ori ginär kommunalen Aufgabe feiern lassen.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Aber ich habe im Laufe der Debatte in die Gesichter in Ihren Reihen geschaut und muss zugeben, dass vielleicht der Be griff „feiern“ falsch gewählt ist. Heute wäre es für uns und auch für die kommunale Seite sehr viel interessanter gewe sen, zu erfahren, wie Sie die Kommunen bei der Inklusion un terstützen werden. Denn hinsichtlich der Inklusion scheitert es bisher bei Ihnen noch an der Finanzierung.