Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einfach noch einmal einen Appell an die Landesregierung richten, also an Sie, Herr Ministerpräsident, und an den Herrn „Finanz- und Restwirt schaftsminister“: Wenn Sie auf Delegationsreisen gehen, neh men Sie immer das Paket „Tourismus“ mit. Nehmen Sie es bewusst und öfter mit als bisher. Denn damit wird sicherlich
eine positive Botschaft in die Welt ausgesendet. Eigentlich darf kein Flieger mit einem Mitglied der Landesregierung an Bord abheben, ohne dass das Touristenland Baden-Württem berg sozusagen im Aktenkoffer mit dabei ist.
Meine Damen und Herren, noch ein zweiter Punkt, und zwar zu den Destinationen: Ich habe Wachstumsdestinationen an gesprochen. Herr Minister, dabei ist man auf einem guten Weg; da werden gute Dinge gemacht. Daran gibt es keinen Zweifel. Trotzdem habe ich eine Bitte, und zwar im Zusam menhang mit der Grünen Woche; darauf warten Sie sicher schon. Ich will klarstellen: Wenn man ein „Genießerland“ sein will, wenn man den Genusstourismus fördern will, muss man mehr tun. Es wurde zwar schon ein bisschen mehr getan, aber es reicht nicht aus. Nicht einmal das „Weinland Baden-Würt temberg“ hat stattgefunden, und auch die Verbände waren nicht vertreten. Ich appelliere auch an die Verbände: Am Bei spiel von Bayern, Thüringen oder Sachsen kann man etwas lernen, meine Damen und Herren. Selbst im Vergleich zu Schleswig-Holstein waren wir jämmerlich vertreten.
Ich darf, Herr Minister, hierzu Dieter Keller vom „Schwäbi schen Tagblatt“, 18. Januar 2014, zitieren, der unter der Über schrift „Magere Kost in Berlin“ Folgendes schrieb:
Mir liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Wie kommt der Ausbau der Inklusion voran? – Drucksache 15/3472 (Ge änderte Fassung)
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wie kommt der Ausbau der Inklusion vo ran? Uns eint das Grundziel, die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Menschen mit und ohne Behinderungen sollen in unserer Gesellschaft in allen Bereichen selbstverständlich zusammenleben,
Uns eint das Ziel, aber wir vermissen bei der Landesregierung den konkreten Ehrgeiz, hier wirklich weiterzukommen.
Wir vermissen den Ehrgeiz, über allfällige Sonntagsreden zur Vielfalt in unserer Gesellschaft hinaus mit konkreten Taten an Verbesserungen zu arbeiten. Dies vermissen wir in allen Be reichen der Politik für behinderte Menschen, nicht nur in der Schule.
Der gemeinsame Unterricht ist in der Tat ein Beitrag zu mehr Inklusion. Wir wollen, dass dieses Angebot ausgebaut wird. Wir wollen, dass für diejenigen Kinder, die in den Sonder schulen am besten gefördert werden können, auch dieses Bil dungsangebot erhalten bleibt. Wir wollen ein qualifiziertes Wahlrecht für die Eltern bei der Entscheidung für einen die ser beiden Wege. Der Inklusionsprozess soll nicht weniger, sondern mehr Wahlmöglichkeiten eröffnen, und wir wollen die Möglichkeit des inklusiven Unterrichts dabei nicht auf ei ne Schulart beschränkt wissen.
Uns geht es dabei nicht um Quantität, sondern um Qualität. Lediglich die Inklusionsquote zu erhöhen, mag in der politi schen Diskussion vordergründig Lorbeeren einbringen, hat per se jedoch mit bestmöglicher Bildung für Kinder mit und ohne Behinderung eher wenig zu tun. Das Wohl der Kinder muss bei allem im Mittelpunkt stehen.
Blicken wir einmal nach Berlin, von wo es aktuelle Meldun gen gibt. Berlin freut sich über eine Inklusionsquote von über 50 %, hat nun aber die flächendeckende Inklusion verscho ben. Was hören wir aus Berlin? Ich verweise auf die Presse berichte: Darin geht es um die Klassenlehrerin, die sich al leingelassen fühlt, es geht um die Sonderpädagogin, die sich „verbraten“ fühlt; es geht um die Schülerin, die mangelnde Vorbereitung von Lehrern beklagt; es geht um Schulen, die sagen: „Die Einstellung allein reicht nicht. Bei uns hat sich Resignation breitgemacht.“ So kann die Einführung von In klusion zum Wohl aller Beteiligten nicht laufen.
Aber wir brauchen gar nicht nach Berlin zu schauen. Wir ken nen auch Beispiele aus unserem Land. Da muss eine Grund schullehrerin ohne Vorbereitung ein behindertes Kind in ihre Klasse aufnehmen. Unvorbereitet soll sie mit vier Stunden sonderpädagogischer Hilfe dieses Kind allein fördern und wei ter begleiten. Das ist unverantwortlich, und das wollen wir nicht.
Wir wollen nicht, dass Inklusion auf dem Rücken der Kinder und auf dem Rücken der Eltern ausgetragen wird. Wir wol len, dass Qualitätsstandards eine wesentliche Rolle spielen und nicht nur die Quantität.
Wir brauchen ein pädagogisches Konzept, wir brauchen Fort bildungskonzepte für die Lehrer, wir brauchen ein starkes Un terstützungsnetz für Schulen und Lehrer, wir brauchen effizi ente Verfahrenswege, damit Eltern nicht im Dickicht langer Antragsverfahren verzweifeln, und wir brauchen Ressourcen. Wir haben Erfahrungen aus den Modellregionen, die zeigen, dass die zugewiesenen Lehrerstunden dort bei Weitem nicht ausreichend waren.
Aber welche Konsequenzen ziehen Sie daraus – Sie, die jetzt die Verantwortung haben? Mit welchen zusätzlichen sonder pädagogischen Ressourcen rechnet die Landesregierung? Wie groß wird die sonderpädagogische Unterstützung im täglichen Unterricht tatsächlich sein? Welche zusätzlichen Lehrerstun den wird es für die regulären Lehrkräfte geben? Die Regel schulen können die Inklusion mit den vorhandenen Ressour cen allein nicht stemmen.
Die Inklusion wird Lehrerstunden und Ressourcen benötigen. Vor dieser Aussage aber drückt sich die Landesregierung, weil sich die Koalitionspartner nicht einig sind. Gelten starre Aus sagen zum Stellenplan, oder soll zunächst der Bedarf für die Inklusion und für andere Aufgaben geklärt werden? Es ist Zeit für ehrliche Antworten.
Es fehlen viele Antworten: bauliche Veränderungen, Ausstat tung, Mittagsbetreuung, Schülerbeförderung, Schulbegleitung – wer stellt sie ein, wer bezahlt, wer entscheidet? Was ist seit der Debatte im Dezember passiert? Welche Schritte hat die Landesregierung unternommen, um die Inklusion im Schul terschluss mit den kommunalen Landesverbänden zu stem men?
Wir erwarten konkrete Antworten. Es bedarf einer bis zum Ende gedachten Konkretisierung der Prozesse und der Verant wortlichkeiten.
Herr Minister, in diesen Wochen beginnen die Informations veranstaltungen für die Einschulung in die Grundschule und den Übergang in weiterführende Schulen. In den Kommunen herrscht große Verunsicherung darüber, wie es nun weitergeht und was sie den Eltern raten sollen. Wie lange wollen Sie den Beteiligten denn diese Verunsicherung noch zumuten?
Herr Minister, in den Schulen stehen demnächst Zwischen zeugnisse an. Wie auch immer Sie zu Noten stehen: Beim The ma Inklusion kann im Zeugnis der Landesregierung nur ste hen: „Ehrgeiz und Tun ungenügend“ – eine glatte Sechs.
Herr Präsident, meine Da men und Herren! Die Antwort auf Polemik und Schwarzma lerei ist Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit.
Grün-Rot hat sich im Koalitionsvertrag zu einer engagierten Umsetzung der UN-Konvention bekannt und mit der Gemein schaftsschule erstmals einen ausdrücklich inklusiven Schul typ gesetzlich verankert. So weit ist die heutige Opposition nie gekommen.
Der inklusive Umbau des gesamten Schulsystems erfordert eine hohe Fachlichkeit und auch die Bereitschaft zur gesell schaftlichen Auseinandersetzung. Denn es bestehen bei Leh renden wie bei Eltern erhebliche Ängste, ob Inklusion gelin gen kann, ohne dass die Qualität des Bildungssystems insge samt leidet. Das hängt auch damit zusammen, dass ein inklu sives Schulsystem in Baden-Württemberg vor Grün-Rot nie ernsthaft gewollt war.
Die wenigen ernsthaften Inklusionsversuche in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre wurden beendet, obwohl sie aner kanntermaßen erfolgreich waren. Zuletzt von Schwarz-Gelb installierte Modellregionen waren ein Mangelkonstrukt. Der Erkenntnisgewinn ist mager. Immerhin: Die Erfahrungen der sogenannten Außenklassen sind hilfreich; denn die dort prak tizierte Integration ist ein Zwischenschritt zur Inklusion.
Eine bildungspolitische Strategie für Inklusion muss hohen Maßstäben genügen. Ich nenne dazu ein paar Punkte.
Zum Ersten: Die inhaltliche Kritik der klassischen Sonderpä dagogik ist ernst zu nehmen. Eine inklusive Debatte muss ihr fachlich standhalten. Umgekehrt ist aber auch von gestande nen Sonderpädagoginnen und -pädagogen zu erwarten, dass sie sich auf gelungene Beispiele für inklusive Beschulung ein lassen. Viele, die Inklusion im Rahmen eines mehrwöchigen Austauschs live erlebt haben, kommen mit anderen Augen in ihre bisherige Praxis zurück und stellen fest: Es ist anders, als ich mir das vorgestellt habe, aber eigentlich gar nicht so schwer.
Eine inklusiv ausgerichtete Lehrerinnen- und Lehrerausbil dung mit den Inhalten „individuelle Förderung“ und „zieldif ferenter Unterricht“, ein qualifizierter Erfahrungsaustausch sowie gute Fortbildungsangebote für alle Lehrkräfte sind des halb unverzichtbar.