Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

Saatgut steht immer am Anfang der Lebensmittelkette. Bei Agrogentechniken muss deshalb besonders vorsichtig vorge gangen werden. Deshalb erfordert die Aktuelle Debatte um die Zulassung des gentechnisch veränderten Maises 1507 un ser politisches Engagement. Der Handlungsspielraum der Bundesländer ist gering. Wir müssen uns aber mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Anbauzulassung dieser Nutzpflanze engagieren.

Auf EU-Ebene steht Anfang Februar die Entscheidung über die Zulassung der Maissorte 1507 an. Neben einer Herbizid resistenz gegenüber dem Wirkstoff Glufosinat bildet diese Sorte zusätzlich als Insektizid Bt-Proteine. Es handelt sich al so um eine Pflanze, die eigenständig Pflanzen- bzw. Insekten gift ausscheidet.

Insbesondere Bedenken hinsichtlich negativer Auswirkungen auf Nichtzielorganismen wie beispielsweise viele Schmetter lingsarten haben dazu geführt, dass sich das Europäische Par lament gegen eine Anbauzulassung ausgesprochen hat. Die Bedenken gegenüber gentechnisch veränderten Nutzpflanzen werden – wie zuletzt auch bei der Konferenz der Amtschefs der Agrar- und Verbraucherministerien der Länder im Januar in Berlin deutlich wurde – in zahlreichen Agrarressorts bun desweit geteilt. Dieses einmütige Votum hat mich darin be stärkt, gemeinsam mit fünf weiteren Kolleginnen und Kolle gen aus den Ländern an die Bundeskanzlerin zu schreiben, um sie zu bitten, die Bedenken der Verbraucherinnen und Ver braucher, aber auch die Bedenken der Landwirtschaft – diese wurden zuletzt auch vom Bundesbauernverband auf der Grü nen Woche deutlich geäußert – ernst zu nehmen und mit der Stimme Deutschlands in Brüssel mit einem Nein die Zulas sung dieser Maissorte zu verhindern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist jetzt eine Na gelprobe, wenn heute Mittag im Deutschen Bundestag die Ab geordneten in namentlicher Abstimmung ein klares Signal an die Bundesregierung senden können, sodass die Sorgen und Ängste der Menschen, aber auch der mittelständischen Wirt schaft ernst genommen werden.

Frankreich hat bereits signalisiert, dass es mit Nein stimmen wird. Es wäre peinlich, wenn Deutschland mit einer Enthal tung die entscheidende Stimme wäre, dass gegen die Interes sen unserer Bevölkerung, gegen die Interessen der mittelstän dischen Agrar- und Lebensmittelwirtschaft entschieden wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwi schenfrage des Kollegen Dr. Bullinger?

Nein, jetzt nicht. Vielen Dank. – Sehr ge ehrte Damen und Herren, die Bäuerinnen und Bauern in un serem Land sollen ihre Flächen auch zukünftig gentechnik frei bewirtschaften können. Voraussetzung dafür ist, dass auf unseren Flächen kein gentechnisch verändertes Saatgut aus gesät wird. Voraussetzung ist, dass hier tatsächlich auch die Ent scheidungsfreiheit der Landwirte bestehen bleibt und nicht, wie wir es auf anderen Kontinenten erleben, über das Freiset zen der Risikotechnologie, über das Entfernen des Stöpsels aus der Flasche hier Fakten geschaffen werden, die nicht rück gängig gemacht werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen die Be denken der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst. Wir wen den uns gemeinsam gegen eine Anbauzulassung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen. Wir werden auch in den nächsten Tagen und Wochen nichts unversucht lassen, um auf die bun despolitische Diskussion, auf die Diskussion in Europa Ein fluss zu nehmen. Hier steht eine entscheidende Weichenstel lung an. Es geht darum, ob der Anbau gentechnisch veränder ter Pflanzen auf den Äckern zugelassen wird.

Wenn ich die Positionen, die hier vorgetragen wurden, rich tig verstanden habe, haben wir alle ein großes Interesse dar an, eine europäische Fehlentscheidung zu verhindern. Dann müssen wir uns nicht hinterher darüber streiten, weshalb man dann mit der europäischen Gesetzgebung leben muss – das ist eine Debatte, die Teile der Opposition hier aufgemacht haben. Ich will nicht damit leben müssen, dass Europa falsch ent scheidet. Ich will vielmehr alles dafür tun, dass Europa rich tig entscheidet und dass die Bundesregierung Teil einer rich tigen Entscheidung ist, meine sehr verehrten Damen und Her ren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE spricht nochmals Kollege Dr. Rösler.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich möchte zuerst eine kurze Replik auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Bullinger geben: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Der Lan desvorsitzende der FDP hat sich am 16. Januar 2014 im Eu ropäischen Parlament dafür ausgesprochen, diese Genmais sorte zuzulassen.

(Abg. Muhterem Aras GRÜNE: Was? – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Bin ich Landtagsab geordneter oder Europaabgeordneter?)

Dann möchte ich noch auf den Beitrag des Kollegen Burger eingehen. Ihre Analyse teilen wir offensichtlich quer über al le Parteien hinweg. Die Frage ist nur: Wie stimmt die CDU ab? Der Minister hat es bereits angesprochen: Wie wird die Bundestagsfraktion heute Nachmittag im Bundestag abstim men?

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Dann fragen Sie doch die und nicht uns!)

Wird sie die Linie, die Sie signalisiert haben, durchhalten? Ich appelliere noch einmal an Sie: Wirken Sie mit Ihren Kollegin nen und Kollegen aus den Ländern darauf hin, dass heute Nachmittag im Bundestag so abgestimmt wird, dass wir ei nen klaren Auftrag für die Bundesrepublik Deutschland ha ben, am 11. Februar im Allgemeinen Rat diesen Genmais nicht zuzulassen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wem bringt diese Gentechnik etwas? Cui bono? Wir alle wis sen, dass sie den Landwirten nichts bringt. Sie bringt den Ver brauchern nichts. Sie bringt unserer Natur nichts. Man kann exemplarisch noch einmal zitieren, was die Evangelische Lan dessynode in einer Stellungnahme formuliert hat: Gentechnik

liefert keinen essenziellen Beitrag zur Bekämpfung des Welthungers

auch das, Kollege Burger, möchte ich noch einmal an Ihre Adresse richten; das ist eine klare Aussage –, sie

bringt für die praktische Landwirtschaft keine Vorteile und lässt eine Wahlfreiheit für Landwirte und Verbrau cher hinsichtlich der Koexistenz von Gentechnik nutzen dem und gentechnikfreiem Anbau nicht zu.

(Abg. Peter Hauk CDU: Derzeit! – Glocke des Prä sidenten)

Kollege Dr. Rösler, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Locherer?

Ja, gern. Ich lasse Zwi schenfragen immer zu.

Herr Kollege Dr. Rösler, wir sind uns in der Einschätzung der Gefahren der grünen Gentechnik einig. Allerdings vermisse ich von Ihnen und auch von Herrn Minister Bonde – der leider nie Fragen zulässt; Kollege Dr. Bullinger und ich hatten uns gemeldet; es wurden keine Fra gen zugelassen; deshalb stelle ich die Frage an Sie – Hinwei se auf die Forschung. Baden-Württemberg ist zweifellos ei ner der besten Forschungsstandorte in ganz Europa. Darauf dürfen wir stolz sein.

Jetzt meine Frage an Sie: Wie stehen Sie zur Forschung, üb rigens auch zur Risikoforschung in Bezug auf die grüne Gen technik? Dazu hätte ich gern etwas von Ihnen gehört, nach dem der Minister keinen Satz dazu gesagt hat.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ministerin Bauer hat dazu etwas gesagt!)

Die Position der Grünen – ich glaube, die Antwort darauf ist Ihnen bekannt – lautet hier wie folgt: Erstens darf es keine öffentlichen Gelder des Lan

des für Gentechnikforschung geben. Zweitens gilt die Frei heit der Universitäten, selbst darüber zu entscheiden, was sie mit ihren Mitteln tun.

Abschließend will ich darauf hinweisen, dass die Evangeli sche Landessynode zudem gesagt hat:

Darüber hinaus bestehen auch für die klein- und mittel bäuerlichen Betriebe Gefahren einseitiger Abhängigkeits verhältnisse durch Monopolisierung der Saatgutindust rie über die Konzentration gentechnologischer Forschung und die Patentierung von Saatgut. Solchen Entwicklun gen gilt es entschieden entgegenzuwirken.

Diesem Statement der Kirche ist nichts hinzuzufügen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal sagen: Wenn im Par lament Konsens besteht – dieser war klar und deutlich zu er kennen –, wenn wir gemeinsam sagen, dass wir keine Gen technik auf dem Acker und so weit wie möglich auch keine Gentechnik auf dem Teller haben wollen, dann erhoffe ich mir und erwarte ich auch von den Kollegen hier im Haus, dass sie ein klares Signal an ihren Minister in Berlin senden, wie er am 11. Februar abzustimmen hat,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: An welchen Minister soll ich mich wenden?)

nämlich gegen die Zulassung der Maissorte 1507.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion spricht Kol lege Klaus Burger.

Herr Präsident, meine sehr verehr ten Damen und Herren! Es war tatsächlich in weiten Teilen eine Konsensdiskussion: Nein zur Gentechnik. Ich bleibe aber dabei, dass ich Ja zur Forschung sage, und zwar kontrolliert hier in Deutschland gemäß dem Regelwerk unserer Gesetze.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Was ist mit der Abstimmung?)

Ich sage aber noch einmal, auch an die Adresse des Ministers gerichtet: Wäre es nicht gut gewesen, man hätte 2004 die For derungen der Grünen an die eigene grüne Ministerin, Frau Künast, mit den gleichlautenden verbalen Wortmeldungen ge stellt wie heute?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Das war vor zehn Jahren! – Zuruf des Abg. Peter Hauk CDU)

Nun zum Klimawandel. Ich frage Sie: Sind unsere Züchtun gen in der Lage, auf die großen Fragen des sich schnell wan delnden Klimas – Trockenheit, Hitze und Nässe – zu reagie ren? Die Pflanzen müssen sich darauf einstellen. Kann das mit der herkömmlichen Züchtung erfolgen?

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Burger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hahn?

Bitte schön.

Kollege Burger, Sie nehmen Bezug auf die damalige Bundesregierung. Ist Ihnen bekannt, dass die faktische Gentechnikfreiheit, die wir haben, und zwar aufgrund der Haftung des Inverkehrbringers, unter dem Hut von Renate Künast entstanden ist?

Herr Kollege Hahn, ich habe vor hin dargestellt, dass damals im Anschluss an die Entscheidung das Regelwerk implementiert wurde. Es ist aber unzureichend. Für die Bauern bleibt das Risiko.