Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wann denn? – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wie denn? Wo denn?)

Der ländliche Raum ist das Rückgrat unseres schönen Landes – mit der CDU.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wo denn?)

(Beifall bei der CDU und des Abg. Leopold Grimm FDP/DVP)

Meine Damen und Her ren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Große Anfrage besprochen und Punkt 2 der Tagesordnung beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege und zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes – Drucksache 15/4852

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ar beit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren – Drucksache 15/5170

Berichterstatter: Abg. Wilfried Klenk

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache über den Gesetzentwurf eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Herrn Abg. Kunz mann für die CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pfle ge – kurz WTPG genannt – zielt – das erkennen wir als Op position ausdrücklich an – in die richtige Richtung. Der heim rechtliche Schutz wird auf ambulant betreute Wohngruppen ausgedehnt. Diese Zielsetzung wird von der CDU-Fraktion unterstützt.

Sie bleiben jedoch auf halbem Weg stehen. Sie ermöglichen die ambulant betreuten Wohngruppen. In Wirklichkeit miss trauen Sie aber den Anbietern und verpassen ihnen ein büro kratisches Korsett, das die Wirtschaftlichkeit praktisch un möglich macht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP)

In ambulant betreuten Wohngruppen zu leben ist, wenn die ses Gesetz kommt, ein Privileg für Reiche. Es gibt viele Rei che in Baden-Württemberg. Aber viele sind eben auch nicht reich; diese Menschen werden sich diese Wohnform nicht leis ten können.

Überhaupt ist zu sagen, dass der Weg von der ersten Präsen tation des Gesetzentwurfs im Sommer des vergangenen Jah res bis zur heutigen Verabschiedung für Sie, Frau Sozialmi nisterin Altpeter, eine einzige Ohrfeige gewesen ist. Legendär ist die Überschrift Ihrer Pressemitteilung vom 5. September 2013, als Sie getitelt haben: „Viel Lob für das neue Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz“. Da waren Sie angesichts der massiven Kritik der Verbände und Anbieter schon ziemlich voreilig.

Sie haben dann noch einmal ein halbes Jahr zur Beratung ge braucht und nachgebessert. Nach der Anhörung gab es dann noch einmal einen Nachbesserungsantrag der Regierungsfrak tionen. Selbst in der Ausschusssitzung am letzten Donnerstag gab es noch weitere Nachbesserungsanträge von Ihrer Seite.

Das will ich Ihnen jetzt nicht vorwerfen – lieber nachbessern als stur bleiben. Aber es zeigt doch die Unausgegorenheit des Gesetzentwurfs, des Stückwerks – auch noch zum heutigen Zeitpunkt.

Wir begrüßen es, dass die grün-rote Mehrheit von ihrer bis da hin starren Haltung, die Grenze für sogenannte Pflege-WGs bei acht Bewohnern zu ziehen, abgewichen ist. Damit kommt die Koalition einer wesentlichen Forderung der CDU und der Verbände nach.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Trotzdem ist das eben nur eine halbe Sache. Nach außen wird die Grenze auf maximal zwölf Bewohner gesetzt und damit dem Schein nach auf die umfassende Kritik bei der Verbän deanhörung eingegangen. Tatsächlich jedoch werden die Vo

raussetzungen für eine solche Pflege-WG, was die räumliche Ausstattung, die Qualifizierung und die Präsenz des betreu enden Personals betrifft, derart hoch angesetzt, dass hier von einem Placebo für die Anbieter gesprochen werden muss.

In der Ausschussberatung blieb zudem die Frage der CDU un beantwortet, warum Sie für die ambulant betreuten Wohngrup pen für behinderte Menschen nicht ebenso die Änderung auf zwölf Bewohner vorsehen – entgegen der Empfehlung der Verbände übrigens. Diese Regelung bleibt für uns weiterhin rätselhaft.

Das alles ist nicht die einzige Kritik am Gesetzentwurf. Aber es ist die ausschlaggebende, um diesen Entwurf abzulehnen.

Warum belassen Sie es bei der wachsweichen Formulierung zur Vergleichbarkeit der Prüfberichte? Warum bleiben Sie bei der Fachkräftequote so stur? Warum eröffnen Sie den Geneh migungsbehörden nicht wenigstens einen gewissen Ermes sensspielraum bei der Wohnfläche in Bestandsbauten?

Viele Regelungen in diesem Gesetzentwurf sind so unklar, dass Sie damit das Ziel, bezahlbaren betreuten Wohnraum zu schaffen, konterkarieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf Initiative der CDULandtagsfraktion hat der Landtag einstimmig die Einsetzung einer Enquetekommission „Pflege“ beschlossen. Sie haben zu Beginn noch gemutmaßt, dass viele Themen dieser Enquete kommission mit diesem Gesetz bereits abgearbeitet seien. Es ist aber doch eher so, dass dieses Gesetz mehr Fragen offen lässt als beantwortet. Deshalb geht der Enquetekommission die Arbeit ganz bestimmt nicht aus. Wir sind sicher, dass auch dort so manches wieder diskutiert werden muss, von dem Sie meinen, es jetzt mit Ihrer Mehrheit beschließen zu müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜ NE erteile ich Frau Abg. Mielich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem neuen WTPG, mit dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz, schaffen wir neue Standards vor allem im Bereich der neuen Wohngemeinschaf ten, der ambulanten Wohngemeinschaften. Darauf sind wir stolz – wie ich finde, zu Recht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Wir haben 2007 das erste Landesheimgesetz verabschiedet. Das war die erste Möglichkeit nach der Föderalismusreform, diese neue Kompetenz auf Landesebene auch umzusetzen. Ich finde es schon erstaunlich, wenn ich jetzt höre, wie die CDU kritisiert, wir seien bei diesem Gesetz auf halbem Weg stehen geblieben. Da möchte ich einmal daran erinnern, dass 2007 überhaupt gar keine Rede davon gewesen ist, dass wir uns mit Wohngruppen insgesamt auseinandersetzen. Da wurde das rundweg abgelehnt. Es war ein Gesetz, das einzig und allein die stationäre Versorgung in Pflegeheimen zum Inhalt hatte. Alle Versuche unsererseits, dieses Gesetz auch weiter gehend zu regeln und zu öffnen, sind damals abgelehnt worden.

Dieses Gesetz hat damals überhaupt keine öffentliche Auf merksamkeit bekommen. Das Gesetz jetzt, das neue Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz, wird hingegen von einer hohen öffentlichen Aufmerksamkeit begleitet. Das zeigt, dass wir in einem gesellschaftlichen Wandel sind, der auch bedeutet, dass gerade im ländlichen Raum die Initiativen ganz andere sind als bisher. Den Bürgermeistern und Gemeinden ist längst klar geworden: Sie müssen sich engagieren, sie müssen sich stre cken, wenn sie wollen, dass der ländliche Raum lebendig bleibt. Dazu gehört, Möglichkeiten zu schaffen, Wohngrup pen für Menschen im Alter einzurichten. Genau das macht un ser Gesetz, und entsprechend lebendig ist diese Diskussion gestaltet worden.

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, haben die se gesellschaftliche Entwicklung komplett verschlafen,

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

wenn Sie jetzt diesem Gesetz nicht zustimmen. Ihre Kritik an dem Gesetz ist wirklich so marginal, dass sie letztendlich an der grundsätzlichen Ausrichtung vorbeizielt. Sie sagen, dass das Gesetz im Grundsatz richtig sei; Sie begrüßen, dass es die Möglichkeiten schafft, ambulante Wohnformen zu etablieren. Nun ist es aber nicht komplett, in der letzten Ausgestaltung, so, wie Sie sich das vorstellen, und daher stimmen Sie dem Gesetzentwurf insgesamt nicht zu und verabschieden sich da mit aus dieser politischen Debatte, die für den ländlichen Raum ganz besonders wichtig ist. Das finde ich höchst bedau erlich, und ich glaube, dass es für Sie nicht wirklich ein gro ßes Kompliment ist.

Herr Kunzmann, Sie haben gesagt, dass das Gesetz nicht sämt liche Fragen kläre und dass es in einigen Bereichen unklar for muliert sei. Das ist ganz bewusst so; denn wir glauben, dass es wichtig ist, mit diesem Gesetz die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es flexible Wohnformen gibt und flexible Le bensbedingungen ermöglicht werden. Das bedeutet auch, dass ein Gestaltungsspielraum vor Ort erhalten bleiben muss, der natürlich die kommunale Heimaufsicht mit einschließt.

Wir erwarten, gehen davon aus und haben großes Vertrauen, dass die Heimaufsicht durchaus in der Lage ist, das in sie ge setzte Vertrauen und den Geist des neuen Gesetzes auch wi derzuspiegeln und umzusetzen, wenn es darum geht, gerade bei den Wohngruppen für Menschen im Alter die entsprechen den Genehmigungen zu erteilen und die Bewertungen vorzu nehmen, damit diese eingerichtet werden können.

Damit bin ich bei dem Beispiel, das ich noch einmal anbrin gen will: Wir haben uns in der Tat darauf verständigt, dass die mögliche Zahl der Bewohner in ambulant betreuten trägerge führten Wohngruppen für Menschen im Alter von acht auf zwölf Personen erhöht wird. Das ist dem Ergebnis der Anhö rung geschuldet, und das ist eher ein Kompliment für unsere Debattenkultur. Es ist natürlich aber auch der Erkenntnis ge schuldet, dass die Wirtschaftlichkeit von Wohngruppen in der Tat nur gewährleistet ist, wenn diese maximal zwölf Personen umfassen können.

Es ist uns allen ein wichtiges Anliegen gewesen, dass das Wunsch- und Wahlrecht der einzelnen Menschen gewährleis tet ist und der Anspruch erfüllt wird. Wohngruppen dürfen da her in der Praxis nicht teurer sein als beispielsweise Pflege plätze in der stationären Pflege. Aber klar ist auch: Es gibt an

dere Standards; es gibt bei Wohngruppen mit zwölf Personen andere Standards in der Personalausstattung, und es gibt auch andere bauliche Standards. Diese baulichen Standards sind versehen mit der Formulierung – das war eigentlich doch auch in Ihrem Sinn, Herr Kunzmann – „in der Regel“. „In der Re gel“ heißt, dass es für die Heimaufsichten Gestaltungsspiel raum gibt, die Standards entsprechend der ganz konkreten Projekte zu verändern. Deswegen ist es nicht richtig, dass, wie Sie sagen, damit nicht ermöglicht werde, solche Wohngrup pen umzusetzen. Ganz im Gegenteil, es ist sozusagen der Ak tion vor Ort, dem konkreten Projekt überlassen, sich entspre chend zu engagieren und dafür zu sorgen, dass die Genehmi gung letztendlich ausgesprochen wird.

Ich bin überzeugt, dass die Wohngruppen für Menschen im Alter, aber auch für Menschen mit Behinderung in Zukunft ein unverzichtbarer Bestandteil des Angebots an Wohnmög lichkeiten sein werden, vor allem im ländlichen Raum. Aber ich bin auch überzeugt – das ist ein ganz zentraler Aspekt –, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Kommunen einge bunden werden müssen. Es wird niemals möglich sein, träger geführte Wohngruppen einzurichten und diese zu akzeptieren, wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht ganz zentral an der Gestaltung und Ausgestaltung der Betreuung beteiligt sind.

In diesem Sinn bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetz entwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Reusch-Frey.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die Anhörung zum Gesetzentwurf für unterstüt zende Wohnformen, Teilhabe und Pflege hat eines gezeigt: Wir in Baden-Württemberg brauchen ein neues Heimgesetz. Viele warten darauf, und wir können heute diesem guten und ausgereiften Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Nach der Einbringung des Gesetzentwurfs hat ein intensiver Anhörungsprozess stattgefunden. Es war ein Dialog, der die sen Namen verdient. Wichtige und weiterführende Anregun gen haben wir nämlich aufgenommen.