Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Dort haben Sie Verantwortung. Kümmern Sie sich um die He rausforderungen! Andernfalls wird diese Landesregierung Ge schichte schreiben; denn in Zeiten des historisch höchsten Steueraufkommens, wie wir sie gerade erleben, sorgen Sie für die historisch höchsten Ausgaben.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Skandal!)

Sie geben das Geld mit beiden Händen aus; Sie bilden Reser ven und Kreditermächtigungen ohne Ende und machen dabei auch weiterhin immer neue Schulden. Der nächste Tagesord nungspunkt wird es erneut zeigen: Sie haben kein Einnahme problem, sondern ein Ausgabenproblem. Darum müssen Sie sich kümmern.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Baden-Württemberg müsste längst keine neuen Schulden mehr aufnehmen – nein, wir könnten sogar bestehende Schulden abbauen. Kommen Sie bitte nicht mit dem Begriff „Erblas ten“. Die Schulden, die jetzt entstehen, haben Sie zu verant worten. Sie können gar nicht so schnell neue Steuern eintrei ben oder neue Steuerarten schaffen, wie Sie Geld ausgeben. Die Ausgabenseite ist Ihre Baustelle; für diese tragen Sie Ver antwortung, und hier sollen Sie sich einsetzen.

(Abg. Nikolaus Tschenk GRÜNE: Die Schulden stam men von euch!)

Meine Damen und Herren, 2014 begehen wir das 500-JahrJubiläum des Bauernaufstands, der unter dem Namen „Armer Konrad“ in die Geschichte eingegangen ist. Den badischen Kollegen werde ich nachher gern noch nähere Erklärungen hierzu geben. Herzog Ulrich von Württemberg war bekannt für seine Verschwendungssucht. Er benötigte immer mehr Geld. Vor 500 Jahren kam es daraufhin zu einem Aufstand von Bauern und Handwerkern gegen diese Verschwendungssucht. Jetzt könnte man versucht sein, einen Vergleich zwischen dem Handeln der Landesregierung und dem der Verantwortlichen der damaligen Zeit zu ziehen.

(Abg. Klaus Käppeler SPD: Kann man nicht!)

Sie, Herr Minister Schmid, wären dann vermutlich mit Her zog Ulrich zu vergleichen; denn auch Sie geben das Geld mit beiden Händen aus – und das bei den historisch höchsten Steu ereinnahmen, die wir je erzielten. Auch Ihr Hunger nimmt kein Ende.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Weit und breit kein Auf stand in Sicht!)

Bitte passen Sie auf! Der „Arme Konrad“ lebt, und er kann auch wieder zuschlagen.

Etwas anderes ist mir noch ganz wichtig: Namens der CDULandtagsfraktion sende ich ein ganz klares Signal an die Wirt schaft dieses Landes mit der Aussage: Die kleinen, mittleren und großen Unternehmen in unserem Land sorgen dafür, dass es uns so gut geht.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Mit einem Bruttosozialprodukt von rund 390 Milliarden € im Jahr 2012 – 2013 waren es sogar über 400 Milliarden € – zählt die Wirtschaftsleistung Baden-Württembergs zu den europa weit höchsten. Die Jugendarbeitslosenquote ist bei uns gleich zeitig eine der niedrigsten. Uns geht es wirklich glänzend. Die Unternehmen im Land investieren und schaffen Arbeitsplät ze, und sie zahlen im Übrigen Sozialabgaben und Steuern; da bei sind die Einnahmen aus der Gewinnsteuer immer nur ein Teil der Steuereinnahmen. Das verdient unsere höchste Aner kennung.

Die CDU freut sich über jedes Unternehmen, das hier in Ba den-Württemberg angesiedelt ist, das hier investiert, das Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter einstellt, und die CDU freut sich auch über jedes Unternehmen, das zu uns ins Land kommt. Wir stellen die Unternehmen nie in die Ecke der Steuerhinter zieher. Aber wir sagen auch: Im Rahmen der sozialen Markt wirtschaft werden wir, die CDU, Fehlentwicklungen beobach ten und, wenn notwendig, die Rahmenbedingungen anpassen.

Was die sogenannte aggressive Steuerplanung betrifft, so ste hen wir im Sinne des Koalitionsvertrags auf Bundesebene für eine Überprüfung und danach für überlegtes Handeln – aber nicht im Wahlkampf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Kol legin Aras.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zuerst zu Ihnen, lieber Herr Kollege Paal. Sie haben recht: Steuergestaltung ist nicht gleich Steu erhinterziehung. Sie haben auch darin recht, dass, wenn sich daraus Fehlentwicklungen ergeben – das ist eine Tatsache –, die Politik zu handeln hat. Genau das tun wir, indem wir die heutige Debatte führen und indem die Landesregierung, bei spielsweise mit Bundesratsinitiativen, aktiv wird. Genau das ist politisches Handeln in einer Situation, in der sich Fehlent wicklungen zeigen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Fast täglich können wir in der Wirtschaftspresse Meldungen dazu lesen, dass große Firmen, vor allem Firmen, die „schwe relose“ Produkte wie beispielsweise Datenmengen oder In formationen verkaufen, durch eine extrem niedrige Steuer quote auffallen. Facebook, Google, Apple und andere Unter nehmen liegen deutlich unter der Steuerquote, die ein inlän disches Unternehmen aufweist.

Die Folgen dieser Steuergestaltungen, dieser Steuertricks – die legal sind – sind fatal. Die Zahlen hat Kollege Maier schon genannt: Europaweit entgehen den Staaten über 1 Billion € – Mittel, die diesen Staaten dann für wichtige Infrastrukturpro

jekte wie z. B. Kitas, Hochschulen, Universitäten, Kranken häuser oder auch Straßen oder ÖPNV fehlen. Es sind Mittel für eine Infrastruktur, wie sie auch von den Unternehmen selbst, gerade auch von den inländischen Unternehmen, be nötigt wird. Wenn wir entsprechende Steuereinnahmen hät ten, könnten wir durchaus über Steuersenkungen nachdenken und hätten möglicherweise überhaupt keine Staatsverschul dung mehr. Insofern macht es sehr wohl Sinn, sich mit die sem Thema auseinanderzusetzen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Steuergestaltungsmöglichkeiten entstehen, wenn Märkte of fen sind, wie dies beispielsweise EU-weit der Fall ist. Es gibt jedoch keine EU-weite gemeinsame Steuerpolitik, und es gibt erst recht keine weltweite gemeinsame Steuerpolitik.

Ein Finanzwissenschaftler hat in einem Interview im „Han delsblatt“ einmal gesagt: Früher hat man Doppelbesteuerungs abkommen geschaffen, um eine Doppelbesteuerung von Un ternehmensgewinnen zu vermeiden; heute braucht man Maß nahmen, um eine doppelte Nichtbesteuerung zu verhindern. Es geht also darum, dass sich die Dinge in ihr Gegenteil ver kehrt haben – und das kann es nicht sein.

Die OECD hat Anfang 2013 einen Aktionsplan gegen Ge winnverkürzung und Gewinnverlagerung entwickelt, der von den Finanzministern der G-20-Staaten gebilligt und verab schiedet wurde. Mit diesem Aktionsplan, der 15 Maßnahmen enthält, geht es für die Mitgliedsstaaten darum, sich bis 2015 auf gemeinsame Regelungen gegen Steuergestaltungen durch Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen – Instrumen te, die gerade von Unternehmen genutzt werden, die multina tional arbeiten – zu einigen. Ich glaube, es ist zunächst ein mal richtig und wichtig, hieran zu arbeiten. Darüber sind wir sicherlich auch im Konsens.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich bin allerdings skeptisch, ob das international umgesetzt werden kann. Es ist doch heute auch in Europa so, dass die Staaten oft nach der Devise handeln: „Ein Dollar in meinem Staat ist mir lieber als zehn Dollar in einem anderen Staat.“ Solange das so ist, gibt es natürlich Wettbewerbsverzerrungen durch Steuerverzerrungen.

Man darf eines nicht vergessen: Dieser OECD-Aktionsplan ist 2013 vorgelegt und 2014 verabschiedet worden. Noch im Jahr 2013 hat z. B. Großbritannien einen Niedrigsteuersatz für Lizenzen von 10 % eingeführt. Es geht also darum, dass man international oder wenigstens auf der europäischen Ebene ge meinsame Regelungen schaffen muss, um gegen Steuerdum ping vorzugehen. Doch solange Steuerdumping auch mitten in Europa stattfindet, bin ich skeptisch.

Natürlich ist es gut, dass man diesen Weg geht. Herr Kollege Paal, Sie haben den Koalitionsvertrag zitiert. Sie haben recht: Dort werden viele Punkte erwähnt – das habe ich auch gele sen –, aber in einem Punkt geht der Koalitionsvertrag nicht weit genug, und zwar in der Frage der Transparenz. Da geht es ausschließlich um die Transparenz im Rohstoff- und im Bankensektor. Ich finde, da könnte die Koalition durchaus weiter gehen und die Transparenz auf alle Bereiche erweitern. Das wäre eine Aufgabe, bei der Sie, liebe Kollegen der CDU

und auch der SPD, sich einbringen können. Hier erhoffe ich mir durch diese Bundesratsinitiative weiter gehende Punkte.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Insofern begrüße ich es sehr, dass die Landesregierung die Bundesratsinitiative eingebracht hat. Das ist auch eine Bot schaft an die mittelständischen Unternehmen in unserem Land. Es ist ein wichtiges Signal. Wir stehen zum Mittelstand, wir stellen uns den Herausforderungen. Dass wir Steuerge staltungen eindämmen, die zu Fehlentwicklungen geführt ha ben und die von multinational tätigen Unternehmen miss braucht werden, trägt zu mehr Steuergerechtigkeit bei und wird auch dazu beitragen, dass die Wettbewerbsverzerrungen zwischen international agierenden Konzernen und dem Mit telstand zumindest etwas relativiert werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion der FDP/DVP spricht Kollege Dr. Rülke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Aktuellen Debatte, die die SPD-Fraktion beantragt hat, werden im Grunde drei Dinge miteinander vermischt: Das eine ist die völlig unstrit tige Tatsache, dass Vergehen gegen die Steuergesetzgebung verwerflich und zu bestrafen sind. Zum Zweiten gibt es eine Steuergestaltung auf europäischer Ebene, die durchaus dis kussionswürdig ist. Auch hier sind wir der Auffassung, dass manches von dem, was heute möglich ist, auf den Prüfstand gehört. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit jetzt unbe dingt der Landtag von Baden-Württemberg die Keimzelle von Veränderungen sein muss,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, ja! – Heiterkeit des Abg. Manfred Hollenbach CDU)

wenn die Dinge ohnehin schon im Koalitionsvertrag der Gro ßen Koalition in Berlin angedacht sind.

Das Dritte sind – auch das ist häufig zu hören, insbesondere vom Finanzminister – Illusionen von einheitlichen Steuersät zen in Europa. Bei Letzteren wird man ganz sicher nicht aus dem Landtag von Baden-Württemberg heraus nun alle Regie rungen der 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union über zeugen.

Insofern teile ich die Vermutung des Kollegen Paal, dass die se Aktuelle Debatte nicht wirklich dem Ziel dient, Fehlent wicklungen in Europa zu korrigieren, sondern es ist der ver mutlich leicht scheiternde Versuch, nun einen kleinen popu listischen Beitrag zum Europawahlkampf zu leisten.

(Vereinzelt Beifall)

Das wurde schon vor einigen Wochen durch eine Pressemit teilung des Finanzministers versucht – Herr Paal hat sie zitiert –, die nirgendwo in den Landesmedien einen großen Nieder schlag gefunden hat, weil man gemerkt hat, dass diese Versu che nicht sehr tauglich sind. Deshalb ist diese Aktuelle Debat te sozusagen der zweite Versuch, es den Landesmedien viel leicht doch noch einzutrichtern, dass Grüne und Rote unter

wegs sind, die schlimmen Missstände auf europäischer Ebe ne zu bekämpfen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Bei allen diesen The men haben sie doch Probleme! – Zuruf des Abg. Manfred Lucha GRÜNE)

Bei allen diesen Themen gibt es Probleme. Vielen Dank für den ermutigenden Zwischenruf, Kollege Zimmermann.

Wenden wir uns zunächst einmal den unstrittigen Themen zu, die anzudiskutieren sind, den Themen Steuerflucht und Steu erumgehung. Auch da erkennen wir Fehlentwicklungen. Es ist ohne Frage richtig, dass – allerdings von der nationalen Ebene ausgehend – über diese Themen diskutiert wird. Das selbe gilt für die Frage der Steuerschlupflöcher, die zu schlie ßen sind.

Allerdings hätte ich mir schon gewünscht, dass man das eine oder andere konkrete Beispiel liefert und durchaus den Mut dazu hat, sich mit Großunternehmen aus Baden-Württemberg kritisch auseinanderzusetzen. Ich darf nur an die Steuergestal tung damals bei Porsche erinnern, die durch die Medien ge gangen ist, als es um die Übernahme durch VW ging. Da wur de etwa eine halbe Milliarde Euro gespart.