Protokoll der Sitzung vom 20.07.2016

Warum es dann in der Folge zu einem Amoklauf kommt, der in irgendeiner Form auch noch islamistisch verbrämt wird,

das ist die entscheidende Frage, über die wir uns kundig ma chen müssen und bei der wir auch wirklich zu Antworten kom men sollten, die uns in der Frage der Sicherheit weiterhelfen.

Ich glaube auch, dass dies die entscheidende Frage ist, wenn wir bei der Tat in Würzburg – die ein unbegleiteter minder jähriger Flüchtling verübt hat, der eigentlich in relativ stabile Verhältnisse eingebunden war, der auch durch soziale Diens te umsorgt wurde, der sogar in eine Pflegefamilie eingebun den war, der auch eine Ausbildungsstelle in Aussicht gestellt bekommen hatte – überlegen, was bei dieser Person diese Handlung ausgelöst hat. Ich glaube, wenn wir da sorgfältig schauen, dann können wir auch entsprechende Antworten da rauf finden, wie wir solche Taten vermeiden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort für die SPD-Frakti on erteile ich Herrn Abg. Hinderer.

Herr Abg. Dr. Merz, es ist schon aberwitzig, wenn Sie hier mir oder – wie Sie sagen – der „lin ken Ecke“ vorwerfen, dass wir die Gewalttaten mit der eige nen Traumatisierung der Täter entschuldigen würden. Genau das Gegenteil habe ich gemacht. Ich habe deutlich gemacht, dass bei uns eine Nulltoleranzstrategie gegen Terror und Ge walt gilt. Ich habe deutlich gemacht, dass wir großen Wert da rauf legen, die innere Sicherheit zu verbessern und Risiken zu minimieren. Nichtsdestotrotz können wir die Risiken nicht ganz ausschalten.

Ich habe aber auch darauf aufmerksam gemacht – das mache ich jetzt noch mal –, dass jemand, der mit einem Beil und ei nem Messer durch ein Zugabteil läuft und Menschen nieder metzelt, oder jemand, der mit einem Lastwagen in eine Men schenmenge rast, oder jemand – ich ergänze –, der ein Flug zeug von Germanwings zum Absturz bringt,

(Zuruf: Ja, genau!)

oder jemand, der mit einer Schusswaffe durch eine Schule läuft und wahllos auf Schülerinnen und Schüler und auf Leh rer schießt, eine kranke Seele hat und psychisch krank ist.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Offensichtlich ist die IS-Propaganda ein Ventil oder ein Be schleuniger, um solche kranken Menschen in Richtung Ge walt zu steuern.

Deshalb gilt für uns: genau hinschauen, das Problem in sei ner Vielschichtigkeit betrachten. Repression und Prävention sind zwei Seiten einer Medaille. Das ist für uns wichtig, und darum geht es.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der FDP/DVP)

Vielen Dank. – Jetzt darf ich Herrn Abg. Dr. Lasotta für die CDU-Fraktion ans Rednerpult bitten.

Ich bitte um Entschuldigung. Nach der vorgesehenen Reihen folge wäre Herr Abg. Dr. Lasotta schon vorher an der Reihe gewesen, aber Herr Abg. Hinderer stand schon am Redner pult. Herr Abg. Dr. Lasotta, ich bitte um Verzeihung.

In Zukunft rufe ich die Rednerinnen und Redner auf. Ich bit te Sie, nicht aufzustehen, bevor Sie an der Reihe sind. Das ir ritiert manchmal. – Danke.

(Abg. Winfried Mack CDU: In kleinen Dingen sind wir großzügig! – Weitere Zurufe)

Frau Präsidentin, das ist überhaupt nicht schlimm, weil ich mir auch gar nicht sicher bin, ob die von der AfD beantragte Debatte überhaupt etwas bringt.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Es werden einfach zu viele Punkte miteinander vermischt. Sie von der AfD legen selbst auch kein klares Arbeitsprogramm vor. Es fallen Aussagen, wonach unser Land in einer Katast rophe ende. Das alles wird den Gegebenheiten überhaupt nicht gerecht.

Natürlich gilt: null Toleranz bei Gewalt. Natürlich bekämp fen wir den Hass und die Radikalisierung – das macht uns doch allen Sorgen – in dieser Gesellschaft, und zwar in allen möglichen Gruppen dieser Gesellschaft, nicht nur auf Musli me bezogen. Natürlich gelten bei uns Rechtsstaatlichkeit, De mokratie und Gewaltenteilung.

(Zuruf von der AfD: Gewaltenteilung!)

Deswegen ist doch Baden-Württemberg, ist Deutschland so attraktiv: weil das in anderen Ländern eben nicht geachtet wird.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Unsere Grundsätze sind Humanität und Toleranz. Wir wollen unsere Freiheit erhalten. In diesem Spannungsbogen muss man das Thema Integration diskutieren.

Aber dem wird mit man dem Grundtenor der Debatte, dass im Grunde genommen die Muslime jetzt an der Situation schuld seien und sie die größte Gefahr darstellten, in keinster Weise gerecht.

Schauen Sie sich einmal die Zahlen an, wer alles nach Deutschland und Baden-Württemberg kommt. Selbst ohne die Flüchtlinge haben wir einen Bevölkerungszuwachs von über 100 000. Die Wahrheit ist, die Zuwanderung nach Deutsch land und Baden-Württemberg ist katholisch:

(Beifall der Abg. Daniel Andreas Lede Abal und The kla Walker GRÜNE)

Polen, Italien, Spanien, Kroatien. Schauen Sie sich die Zah len an. Unser Arbeitsmarkt hungert nach Menschen, die in die sem Land arbeiten, die sich gut integrieren.

(Zuruf von den Grünen: So sieht es aus! – Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Das tun sie ja auch!)

Deswegen müssen wir doch die positiven Ansätze der Integ ration nach vorn stellen. Und wenn es Probleme gibt, müssen wir mehr für die Integration machen und dürfen nicht be stimmte Gruppen ausgrenzen. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Im Grunde genommen hat die Debatte nur einen Sinn: Sie of fenbart nämlich das Menschenbild von Ihnen. Sie gehen nicht empathisch auf die Menschen zu, die zu uns kommen.

(Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Sie argumentieren nicht mit Vernunft, sondern Sie appellie ren an irgendwelche dumpfen Gefühle. Ich will nichts ver harmlosen. Wir alle finden es schlimm, wenn Gewalttaten pas sieren. Wirklich, hier hat niemand verharmlost. Aber Sie dür fen solche Taten nicht politisch instrumentalisieren, um in der Bevölkerung eine Stimmung zu erzeugen, als ob unsere Ge sellschaft aus dem Ruder laufen würde. Das ist unehrlich, und das ist populistisch. So macht man keine Politik in BadenWürttemberg.

(Beifall bei der CDU, den Grünen, der SPD und der FDP/DVP)

Wir wollen diejenigen, die zu uns kommen, fit machen: Spra che, Ausbildung, Kurse, Arbeitsmarkt. Egal, wie lange sie hierbleiben, wir wollen ihnen Kompetenzen geben, damit sie sich in die Gesellschaft integrieren oder damit diejenigen, die wieder in ihre Heimatländer zurückgehen, wenn ein Krieg be endet ist, Kompetenzen haben, um ihre Länder aufzubauen. Wir hatten da auch mit den Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien eine Blaupause.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Deswegen glaube ich, dass wir diese positiven Punkte in den Vordergrund stellen sollten. Deswegen haben Sie mit Ihren Debattenbeiträgen leider versagt, weil Sie keine positiven An satzpunkte für die Weitergestaltung in unserer Gesellschaft geliefert haben.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Keck das Wort.

Ich kann den Worten des Herrn Lasotta eigentlich nur noch hinzufügen: Er hat recht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sie nutzen die begründeten Sorgen, Ängste und Nöte aufgrund der furchtbaren Anschläge, die von furchtbaren Menschen, aber nicht von gläubigen Menschen verübt werden, deren Re ligion der Islam oder eine andere Religion ist, sondern die Hasspredigern zum Opfer gefallen sind und sich ihnen ange schlossen haben. Genauso sind Sie als Rattenfänger für Ihre Dinge unterwegs, und das finde ich furchtbar.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Schämen Sie sich für solche Ausdrücke!)

Bringen Sie tatsächlich konstruktive Vorschläge, wie die In tegration gelingen kann, statt mit dem Finger auf andere zu zeigen und nur Ängste und Sorgen zu verbreiten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für den Zusammenschluss der fraktionslosen Abgeordneten erteile ich Herrn Abg. Dr. Fiech tner das Wort.

(Beifall bei fraktionslosen Abgeordneten)

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Schöne Re den am Anfang nach einem solchen Ereignis, und die Sequenz dieser Reden häuft sich und wird immer kürzer. Ich bin fas sungslos über die Augenwischerei und über das Wegdrehen von den eigentlichen Fakten.