Protokoll der Sitzung vom 19.03.2020

Die Rechtsaufsicht im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfe gesetzes war bisher beim Innenministerium. Künftig soll sie beim Sozialministerium angesiedelt sein. Wir verändern also nicht den Inhalt, sondern ausschließlich die zuständige Stelle.

Mutmaßungen, eine Rechtsaufsicht durch das Sozialministe rium würde automatisch in Richtung einer Fachaufsicht ge hen, sind unsinnig. Denn wir haben das beim Behinderten recht und beim Sozialhilferecht längst analog geregelt – oh ne jede Beschwerde. Die Anhörung hat uns in unserer Ein schätzung zusätzlich bestätigt.

Bei der Rechtsaufsicht geht es um rechtskonformes Verwal tungshandeln. Dafür ist die genaue Kenntnis der zugrunde lie genden Gesetze essenziell. Das Sozialrecht hat eigene Grund sätze, die in vielen juristischen Ausbildungen nicht vertieft werden.

In den dramatischen Kinderschutzfällen, in die wir als Abge ordnete Akteneinsicht hatten, war deshalb innerhalb der Lan desregierung immer das Sozialministerium zuständig. Das zu ständige Regierungspräsidium hat dann das rechtsaufsichtli che Verfahren durchgeführt. Auch das ändert sich nicht. Die Zuständigkeitsanpassung ist somit ein Beitrag zur Klarheit und Effizienz der Landesverwaltung.

Warum wir den Antrag der SPD zur SGB-VIII-Änderung jetzt nicht mit aufnehmen wollen – auch keine anderen –, haben wir ausführlich begründet. Einerseits geht es hier um eine sinnvolle Änderung, andererseits beinhaltet sie aber im Ge gensatz zu unserem Antrag keine organisatorische Korrektur, sondern eine Veränderung am Inhalt des SGB VIII. Wir ha ben eine Vielzahl von Änderungswünschen zum SGB VIII in haltlicher Art – vom besseren Selbstbehalt bei Ferienjobs von Heimkindern über einen Landesheimbeirat, die Ombudschaft und die Zusammensetzung des Landes-Kinder- und Jugend hilfeausschusses bis hin zu verbindlichen Ansprüchen auf Hil fen für Volljährige.

Es macht überhaupt keinen Sinn, hier jetzt einen Punkt her auszugreifen und wenige Monate im Landes-Kinder- und Ju gendhilfegesetz zu verankern. Denn aus dem Haus Giffey ist für dieses Halbjahr noch ein völlig neues Kinder- und Jugend hilfegesetz angekündigt. Das ist der richtige Ort. Und dann ist auch die richtige Zeit für inhaltliche Änderungen – nicht will kürlich, aber dann systematisch.

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die CDU spricht die Kollegin Neumann-Martin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Eindäm mung des Coronavirus beherrscht unsere Gedanken, bedarf unser aller Aufmerksamkeit und bestimmt auch das Handeln unserer Regierung und des Landtags von Baden-Württemberg. Unser Ziel ist es, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, den Krankenhäusern die nötige Zeit zu verschaffen, sich vor zubereiten, und vor allem, die Schwächsten in unserer Gesell schaft zu schützen.

Dieses Ziel, nämlich die Schwachen in unserer Gesellschaft zu schützen, verfolgen wir aber auch mit dem heutigen Tages ordnungspunkt 2, der Zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zum Gesetz zur Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg. Denn hier geht es u. a. auch darum, Klarheit zu schaffen, wer für die frü hen Hilfen bei Kindern mit Behinderungen zuständig ist.

Unabhängig von der derzeitigen Krise bedürfen Kinder mit Behinderungen des ganz besonderen Schutzes unserer Gesell schaft. Deshalb ist es auch richtig und wichtig, die zweite Le sung heute durchzuführen. Es geht darum, das Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg an Änderungen aus dem Bundesteilhabegesetz anzupassen. Leistungen für see lisch behinderte Kinder und Leistungen für geistig und kör perlich behinderte Kinder sollen von einer einzigen Stelle, dem Jugendamt, erbracht werden und nicht mehr von ver schiedenen Stellen, nämlich dem Jugend- und dem Sozialamt.

Konkret bedeutet dies für die Eltern und Familien eine enor me Erleichterung des Alltags. Aus der Praxis des Jugend- und Sozialamts weiß ich, wie wichtig es ist, möglichst einfache rechtliche Lösungen dort anzubieten, wo das alltägliche Le ben durch die Behinderung eines Kindes bereits zur Heraus forderung wird.

Im Rahmen der Beratung ist in einem weiteren Bereich Re gelungsbedarf aufgekommen. Darum haben die Regierungs fraktionen einen Änderungsantrag eingebracht, der aus unse rer Sicht vor allem das Ziel hat, eine sachgerechte Erledigung der Aufgaben zu ermöglichen und die Effizienz in der Verwal tungspraxis zu verbessern.

Derzeit ist das Innenministerium oberste Aufsichtsbehörde für die Jugendämter. Wir plädieren dafür, diese Rechtsaufsicht auf das Ministerium für Soziales und Integration zu übertra gen.

Die kommunalen Landesverbände hatten Einwände dagegen. Selbstverständlich nehmen wir die Einwände der kommuna len Familie ernst und haben bereits intensiv darüber beraten. In der Summe halten wir es jedoch für richtig, die Aufsicht über die Jugendämter an das Sozialministerium zu übertra gen.

Damit öffnen wir jedoch nicht Tür und Tor für weitere Ände rungen der Aufsichtspflicht. Die grundsätzliche Konzeption der Rechtsaufsicht über die Kommunen bleibt unverändert. Lediglich für diesen einen spezifischen Aufgabenbereich schaf fen wir eine Regelung, die de facto zwischen den Ministerien bereits üblich war.

Mit diesem Antrag schaffen wir also Rechtssicherheit und hal ten auch den Daten- und Persönlichkeitsschutz ein. Deshalb plädiere ich auch dafür, dass wir in diesem speziellen Bereich eine rechtssichere und praxisnahe Regelung schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall)

Nun darf ich die Kollegin Wölfle für die SPD ans Redepult bitten.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Lan desregierung umfasste lediglich die notwendige Umsetzung von Änderungen im Bundesrecht in unser Landesrecht. Dar über gab es wenig zu diskutieren, und deswegen hatten wir in den Vorberatungen auch vorgeschlagen, auf die Aussprache in der Ersten Beratung zu verzichten. Wir hätten dem ur sprünglich vorliegenden Gesetzentwurf im Ausschuss zuge stimmt, und die heutige Beratung wäre kurz und einvernehm lich über die Bühne gegangen.

Jetzt wird es für die Fraktion GRÜNE, die CDU-Fraktion und den Sozialminister leider etwas unangenehm, und es wird peinlich für den Innenminister. Irgendjemand aus diesem ge nannten Zirkel hatte nämlich die Idee, dass es doch vernünf tig wäre, dass die oberste Rechtsaufsicht für die Kinder- und Jugendhilfe vom Innenministerium auf das Sozialministeri um übergehen soll. Das wird dann ohne Widerstände in klei nem Kreis abgestimmt und mehrheitlich über einen Ände rungsantrag im Ausschuss beschlossen.

Niemand von den Genannten kommt aber auf die Idee, zu fra gen, was eigentlich die hauptsächlich betroffenen Kommunen dazu sagen – auch nicht der Herr Innenminister, der eigent lich wissen müsste, dass eine Anhörung der Kommunen zu Gesetzesänderungen, die sie ja auch betreffen, durch unsere Landesverfassung vorgeschrieben ist.

Um ehrlich zu sein: Es hätte nicht viel gefehlt und wir hätten in den Ausschussberatungen sogar zugestimmt. Inhaltlich kann man ja darüber diskutieren, wie einige der gestern ein gereichten Stellungnahmen auch zeigen.

Das Versäumnis, die verfassungsrechtliche Stellung der Kom munen in der Gesetzgebung zu achten, hätten wir zwar den Abgeordneten der Grünen und der CDU zugetraut, aber dem Innenminister auf keinen Fall. Dieser hat nämlich ganze Ab teilungen in seinem Ministerium, die für die Einhaltung der Verfassung zuständig sind und die auf die Rechte der Kom munen zu achten haben.

Deshalb haben wir in den Ausschussberatungen – und zwar aufgrund unseres Nichtwissens – pflichtgemäß die Frage ge stellt, inwieweit der eingereichte Änderungsantrag denn mit den Kommunen rückgekoppelt war. Aber so richtig damit ge rechnet, dass über allen Köpfen in den Reihen der Abgeord neten der Grünen und der CDU und bei den Vertretern der Landesregierung daraufhin die Fragezeichen erschienen, ha ben wir nicht.

Nachdem wir dann die Kommunen gefragt haben, welche Po sitionen sie denn eigentlich zu den Antragsbeschlüssen der grün-schwarzen Koalition im Ausschuss haben, sind die aus allen Wolken gefallen. Sie erfuhren erstmals von uns über haupt von diesem Ansinnen. Es folgte zu Recht ein bitterbö ser Beschwerdebrief an die Landtagspräsidentin.

Meine Damen und Herren, ich bin jetzt seit neun Jahren Mit glied in diesem Haus. Ich habe hier schon so manches erlebt. Aber dass der Innenminister und das Innenministerium hier nicht aufgepasst haben, ist nicht nur für mich, sondern für mei ne gesamte Fraktion völlig unbegreiflich und ruft nur noch Kopfschütteln hervor.

(Beifall)

Jetzt wurde das versäumte Anhörungsverfahren in letzter Mi nute nachgeholt. Denn sonst hätten wir heute ein verfassungs widriges Gesetz beschlossen, gegen das die Kommunen hät ten klagen können. Ich bitte Sie: Lesen Sie noch einmal die Stellungnahme des Kommunalverbands für Jugend und Sozi ales und natürlich auch die gemeinsame Stellungnahme des Städtetags und des Landkreistags durch. Die sind da sehr, sehr klar. Diese tragen sehr gute Gründe dafür vor, diese Änderun gen abzulehnen.

Wir werden uns jetzt der Stimme enthalten, weil wir dieses Verfahren nach wie vor für fragwürdig halten. Denn die Miss achtung der Rechte und die Position der Kommunen wiegen so schwer, dass wir klare Kante zeigen müssen. Für uns, die SPD, ist die Partnerschaft zwischen Land und Kommunen eben sehr, sehr wichtig. Und deswegen ist für uns klar, dass wir uns der Stimme enthalten.

(Beifall)

Frau Abg. Dr. Baum, bit te.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Hinsichtlich der notwendigen Anpassungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes für Baden-Württemberg spricht sicher fraktionsübergreifend nichts gegen eine Zustim mung, da die Anpassungen lediglich formaler und redaktio neller Art sind.

Dem Änderungsvorschlag der Grünen, die Rechtsaufsicht nunmehr auf das Sozialministerium zu übertragen, stimmten wir im Ausschuss ursprünglich zu. Die Befürchtungen der kommunalen Landesverbände diesbezüglich haben uns jedoch dazu bewogen, diesen Änderungswunsch noch einmal kritisch zu hinterfragen. Das Argument, dass eine Trennung von Fach aufsicht und Rechtsaufsicht sinnvoll ist und der Transparenz dient, ist absolut nachvollziehbar. Wir bedauern deshalb aus drücklich, dass diese Anhörung mit den entsprechenden Stel lungnahmen viel zu spät erfolgte.

(Beifall)

Ausdrücklich begrüßen und unterstützen wir die Forderung des Landesfamilienrats nach Mitwirkung im Landesjugend hilfeausschuss. Die dazu beantragten Änderungen bzw. Er weiterungen von § 4 Absatz 3 des Kinder- und Jugendhilfe gesetzes zur Aufnahme des Landesfamilienrats Baden-Würt temberg unter Ziffer 2 als Mitglied mit beratender Stimme fin den unsere volle Zustimmung, gerade auch in Bezug auf die Begründung, die wie folgt lautet:

Das zu Beginn der 1990er-Jahre reformierte Kinder- und Jugendhilferecht ist von Anfang an auch als Gesetz für Familien angetreten und verfügt nicht nur über einen spe ziellen Abschnitt „Förderung der Erziehung in der Fami lie“, sondern ist auch vor dem Hintergrund des im Ge setz in § 1 SGB VIII beschriebenen Prinzips der Eltern verantwortung geboten.

Aus diesem Prinzip resultiert auch die Verpflichtung der Ju gendhilfe, Eltern bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Eine diesbezügliche Änderung des Gesetzes wäre deshalb ein wich tiger Schritt, um der Familie wieder die Bedeutung zukom men zu lassen, die sie zur Aufrechterhaltung stabiler, tragfä higer und damit zukunftssicherer Lebensverhältnisse in einer Gesellschaft innehaben muss.

(Vereinzelt Beifall)

Vielleicht stellt diese Coronakrise auch eine Chance zur Rück besinnung dar, zur Rückbesinnung auf seit Jahrtausenden Be währtes: Die Familie gehört da an erster Stelle genannt.

(Beifall)

Deshalb haben wir einen Änderungsantrag zur Aufnahme des Landesfamilienrats als beratendes Mitglied in den Jugendhil feausschuss gestellt und bitten um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall)

Herr Kollege Keck, bitte, für die FDP/DVP.

Vielen herzlichen Dank. – Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist vieles von vielen gesagt worden, und sprichwörtlich kann man jetzt nur noch damit enden: nur nicht von jedem.

Aber zwei, drei Hinweise seien noch gestattet. Die Anhörung, die tatsächlich nicht so im Sinne einer Anhörung, sondern in Form von Stellungnahmen der Verbände stattgefunden hat, die bis gestern Abend noch durch fleißige Mitarbeiterinnen des Sozialministeriums nachgereicht wurden, ergab Rückmel dungen verschiedenster Art. Ich möchte hier nicht inhaltlich darauf eingehen, sondern nur den einen Hinweis des VPK mit ins Spiel bringen, den auch unsere Fraktion in der vergange nen Legislaturperiode immer wieder aufgegriffen hat und in verschiedene Briefe und Anregungen hat einfließen lassen: Der VPK soll als ständiges Mitglied im Landesjugendhilfe ausschuss aufgenommen werden. Ich werde meiner Fraktion nachher Zustimmung empfehlen.

Lassen Sie mich schlussendlich noch einen Satz sagen, der mir doch ein Lächeln ins Gesicht bringt, und zwar: Die Be reitstellung von 5 Milliarden €, die wir vorhin einstimmig be schlossen haben, ermöglicht Soforthilfen verschiedenster Art, die uns allen helfen, auch den Mitbürgerinnen und Mitbür gern. Jeder ist in den letzten Tagen in seinem Wahlkreis von verschiedener Seite angesprochen worden: „Helft mir! Wie kann ich Hilfe erfahren?“, ob es um die Tagesmütter geht, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Gastronomie. Ich bin sehr glücklich, dass wir in dieser Hinsicht nicht mit lee ren Händen in unsere Wahlkreise heimkommen, sondern tat sächlich etwas mitbringen und dementsprechend auch irgend wo Hilfe zuteilwerden lassen.

Vielen herzlichen Dank.