Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

Es beeindruckt mich, wenn ich dieser Tage von der großen und kreativen Hilfsbereitschaft vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger hier in Baden-Württemberg erfahre. Seit Corona liegt vielerorts eine europäische Selbstverständlichkeit in der Luft. Lassen Sie uns nach Corona daran festhalten und zusam men dafür arbeiten, dass Gemeinschaft und Solidarität in Eu ropa weiter wachsen, und lassen Sie uns übereinkommen, dass es in der europäischen Politik immer schwierig bleiben wird, alle zufriedenzustellen. Natürlich: Ergebnisse beruhen zumeist auf komplizierten Kompromissen. Aber am Ende stehen alle Beteiligten besser da als ohne europäische Zusammenarbeit.

(Vereinzelt Beifall)

Spätestens mit Corona sollte uns klar geworden sein: Das Eu ropa der unverwundbaren Vaterländer gibt es nicht. Wir ha ben jetzt die Chance, durch gemeinsame Lösungen in Europa die Pandemie zu bewältigen und gestärkt aus dieser Krise her vorzugehen. Ich hoffe, Sie alle sind dabei mit an Bord.

Herzlichen Dank.

(Beifall)

Meine Damen und Her ren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.

Dann können wir die Aktuelle Debatte unter Punkt 3 der Ta gesordnung beenden und in die Mittagspause eintreten.

Sie haben schon gehört, dass es Änderungen bei den Tages ordnungspunkten 6 und 8 gibt.

Wir beginnen den Nachmittagsteil der Sitzung um 14:45 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:33 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:47 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Sitzung fort.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Fragestunde – Drucksache 16/7931

Die erste Mündliche Anfrage unter Ziffer 1 stelle ich zunächst zurück, weil der Herr Minister noch in einer Schalte ist. Aber er kommt; wir vergessen es nicht.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 2 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. K l a u s D ü r r A f D – W i n d s t r o m a u s b e u t e i m S c h u r w a l d , i n s b e s o n d e r e a m „ G o l d b o d e n “ a u f G e m a r k u n g W i n t e r b a c h

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Ich frage die Landesregierung zur Windstromausbeute im Schur wald, insbesondere am „Goldboden“ auf der Gemarkung Win terbach:

a) Sieht die Landesregierung nach der derzeit bekannten Wind

stromausbeute in den Jahren 2018 und 2019 am „Goldbo

den“ einen Anlass, den Windatlas 2019 komplett zurück zuziehen, um zu Fehlinvestitionen führende Entscheidun gen und von den Stromkunden über höhere Stromrechnun gen zu finanzierende Ausgaben von vornherein zu vermeiden, damit weitere Strompreiserhöhungen der EnBW im Inter esse der Stromkunden künftig unterbleiben?

b) Sieht die Landesregierung einen Anlass, von der derzeiti

gen Windpotenzialanalyse, wonach bis zu 80 Windindust rieanlagen auf dem Schurwald möglich seien, vor dem Hin tergrund der tatsächlich erzielten Windstromausbeute Ab stand zu nehmen?

Vielen Dank, Herr Abgeord neter. – Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

(Minister Franz Untersteller: Darf ich da jetzt hin?)

Ach so, einen Moment, zuerst das Redepult. Ein guter Hin weis. Vielen Dank, Herr Minister.

(Das Redepult wird desinfiziert.)

Herzlichen Dank. – Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Namens der Landesregie rung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Abg. Dürr AfD wie folgt:

Der Windatlas 2019 stellt im Vergleich zu seinem Vorgänger aus dem Jahr 2011 eine deutlich verbesserte Informations- und Planungsgrundlage zu den Windverhältnissen im Land dar. Das ist so aufgrund von Verbesserungen bei der Methodik, aber auch bei der Datengrundlage, also durch vorliegende Messungen und vor allem auch durch vorliegende Betriebs ergebnisse der zahlreichen neuen Windenergieanlagen in Ba den-Württemberg. Deswegen werden wir ihn weder ganz noch teilweise zurückziehen. Dafür gibt es gar keinen Anlass.

Der Windatlas gibt Kommunen, Fachbehörden, den Planern, aber auch den Investoren wichtige Hinweise – ich betone: Hinweise – für eine effiziente Nutzung der Windenergie. Ins besondere geben wir damit den kommunalen und regionalen Planungsträgern die nötigen aktuellen Informationen an die Hand, um herauszufinden, welche Bereiche sich aufgrund ih rer Windhöffigkeit für die Windnutzung eignen.

Bei konkreten Standortplanungen im Rahmen von immissi onsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wird die Wind eignung des Standorts wie bisher auch im Einzelfall geprüft und individuell bewertet. Das bedeutet, es werden auch wei terhin akkreditierte Windgutachten erstellt, da die Genauig keit eines standortspezifisch erstellten Gutachtens im Regel fall die Genauigkeit einer flächendeckenden Kartierung, wie sie nun einmal im Windatlas der Fall ist, nicht ersetzt, sondern immer übertrifft. Der Windatlas ersetzt also kein Windgutach ten.

Jetzt zum Standort „Goldboden“: Mir ist bekannt, dass die Stromausbeute des Windparks in den Jahren 2018 und 2019 tatsächlich unter den Prognosewerten lag. Ende 2017 wurde der Windpark in Betrieb genommen. Im ersten Betriebsjahr eines Windparks – das ist am „Goldboden“ so, und es ist an derswo so – stehen immer zahlreiche technische Arbeiten wie

Inbetriebnahme, Probebetrieb und Abnahme an. Daher kann es erfahrungsgemäß natürlich zu Einbußen kommen. Das ist auch bei anderen Anlagen im ersten Betriebsjahr so. Im Pro bebetrieb werden Anlagen bei guten Windverhältnissen durch aus auch einmal abgeschaltet, um technische Prüfungen an den Anlagen unter realen Bedingungen durchzuführen.

Die bisherigen Stromerträge im Jahr 2020 deuten hingegen zumindest für die ersten Monate, die jetzt um sind, auf eine Produktion hin, die ein gutes Stück über den Erwartungen liegt.

Daher unterliegen Sie also mit der Behauptung in Ihrer Fra gestellung, das sei wesentlich weniger, einem Trugschluss. Das kann man so erst einmal nicht behaupten. Jetzt, da sozu sagen das erste Jahr mit den Erfahrungen des Probebetriebs vorbei ist und die Anlage in den Regelbetrieb kommt, sieht es durchaus anders aus. Abgesehen davon: Es gibt gute Wind jahre, und es gibt schlechte Windjahre.

Zur Teilfrage b, Thema Windpotenzialanalyse: Die Landes anstalt für Umwelt Baden-Württemberg hat auf der Grundla ge der Daten des Windatlasses 2019 eine Potenzialanalyse für die mögliche Nutzung durch Windenergie in Baden-Württem berg durchgeführt. Dabei wurden Flächenpotenziale, mögli che Anlagenstandorte sowie ein mittlerer Jahresnettostromer trag ermittelt.

Bei der Ermittlung der Flächenpotenziale wurden Ausschluss- und Restriktionskriterien anhand eines Kriterienkatalogs be rücksichtigt. Die errechneten Potenziale geben somit – so kann man sagen – einen strategischen Überblick und dienen zur ersten Orientierung. Eine detaillierte Prüfung im Einzel fall können sie aber nicht ersetzen. Auf Regionalplan- und Flä chennutzungsplanebene müssen durch die jeweiligen Pla nungsträger eigene Abwägungsprozesse durchgeführt werden.

Es ist also keinesfalls so, dass überall dort, wo Flächenpoten ziale und mögliche Anlagenstandorte liegen, auch Anlagen geplant bzw. realisiert werden. Eine Potenzialanalyse zeigt Möglichkeiten – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

So weit zur Beantwortung der Mündlichen Anfrage.

Vielen Dank. – Herr Abg. Dürr hat eine Zusatzfrage.

Danke, Herr Untersteller. – Ich habe eine Nachfrage. 2019, also letztes Jahr – da war das Ganze schon ein Jahr in Betrieb –, war nach dem Deutschen Wetter dienst das windhöffigste Jahr der letzten zehn Jahre. Die EnBW betreibt in Baden-Württemberg 13 Standorte. An allen 13 Standorten erwirtschaftete die EnBW im Jahr 2019 20 bis 40 % weniger als das, was in ihren Prognosen in den Bauan trägen stand.

Die EnBW gehört dem Land Baden-Württemberg, ist Eigen tum von Baden-Württemberg. Sie betreibt das. Jetzt stellt sich die Frage: Hat es irgendwann einmal eine Auswirkung, dass die EnBW sich in ihren Bauanträgen irrt? Welche Gutachten sie auch immer vorlegt, das scheint nicht einzutreffen. Bei 13 von 13 ist das eine Abweichung von 100 %. Hat das irgend welche Konsequenzen, bzw. sprechen Sie mit der EnBW ein mal darüber?

Herr Abg. Dürr, erstens gehört die EnBW nicht dem Land Baden-Württemberg, sondern das Land BadenWürttemberg ist Anteilseigner mit 48 %.

Zweitens dürfen wir – ich weiß nicht, was für Vorstellungen Sie haben – nach Aktienrecht gar nicht in das operative Ge schäft von Unternehmen – seien es Brauereien im Schwarz wald oder seien es Energieversorger – eingreifen, und das tun wir auch nicht. Daher werden wir solche Dinge auch nicht ma chen.

Drittens: Ich habe die Hoffnung – das habe ich hier schon mehrmals ausgeführt; manchmal bin ich geneigt, es aufzuge ben, aber ich versuche es nochmals –, Ihnen verständlich zu machen: Kann man denn dem Gedankengang nachgehen, dass eine Investition in Höhe von 5 Millionen € – so viel kostet eine Windkraftanlage – nur dann getätigt wird, wenn dieses Geld irgendwann wieder eingespielt wird? Das Geld wird aber nur dann eingespielt, wenn sich das Teil vorn – das nennt man Ro tor – dreht. Kann man dem Gedankengang nachgehen, dass die EnBW, ein Stadtwerk wie die MVV eine solche Investiti on nur dann tätigen werden, wenn sie die Gewissheit haben, dass sich das über die Jahre hinweg wieder einspielt? Es spielt sich nur dann ein, wenn sich der Rotor dreht.

Jetzt nenne ich Ihnen einmal konkrete Zahlen: Im Jahr 2017 haben wir in Baden-Württemberg 123 Anlagen in Betrieb ge nommen. Alle 123 Anlagen habe ich hinsichtlich ihrer Erträ ge untersuchen lassen. Ergebnis: Alle 123 kommen im Schnitt auf 2 000 Volllaststunden. Das sind 150 Stunden weniger als die Anlagen in Brandenburg, das bekanntermaßen ein Stück weit nördlich von Baden-Württemberg liegt. Kann man jetzt daraus schließen, dass Baden-Württemberg kein Windener giestandort ist? Nein, gerade das Gegenteil kann man daraus schließen.

Wenn man dann noch weiß, dass eine Fotovoltaikanlage in Baden-Württemberg auf 1 000 Volllaststunden kommt, dann sollte man eigentlich merken, dass wir gut daran tun, die gu ten Standorte in Baden-Württemberg zu erschließen. Davon lasse ich mich auch nicht abbringen.

(Beifall)

Ein weiterer Punkt: Nehmen Sie einmal das erste Vierteljahr von 2020. Im ersten Vierteljahr von 2020 lag in Baden-Würt temberg der Anteil der erneuerbaren Energien an der Strom erzeugung bei rund 45 %. Wissen Sie, wer von Wind, Sonne, Biomasse, Wasser usw. an der Spitze war?

(Zuruf)