Deshalb wird jetzt die Coronapolitik auf eine neue Grundla ge gestellt, die Regel-Ausnahme-Logik für die nächste Phase neu ausgerichtet – sie endet ja am 15. Juni.
Es herrscht eigentlich Einigkeit unter den Regierungsfraktio nen – auch bei der Regierung, übermittelt an uns –, dass wir dann alles zulassen und nur noch die Dinge, die beschränkt werden müssen, in einer Verordnung verankern. Das ist ein geordnetes Verfahren mit den Fraktionen.
Wir können in diesem Zusammenhang parallel auch über ein Pandemiegesetz sprechen, wenn man das zur Rechtssicher heit der Ermächtigungsgrundlagen braucht, auch was die Fra gen der Grundrechtseingriffe angeht.
Ich will hinzufügen, weil auch das angesprochen wurde – „Ei ertanz um die Gastronomie“ haben Sie gesagt, Herr Kollege Rülke –: Das erwähnte Hilfsprogramm ist ein Paket, über das sich Gastronomie und Hotellerie wirklich freuen können; das will ich schon einmal sagen.
Da ist ja eher die Problematik – weil wir im Grunde genom men branchenoffen für das meiste einen großen Schirm für die Wirtschaftsministerin gespannt haben –, die Frage, ob wir hier vielleicht sogar zu weit gegangen sind. Aber ich glaube, diese Hilfe war wichtig für Baden-Württemberg.
Wir haben nun im Grunde genommen die Situation: So kön nen wir jetzt dauerhaften Infektionsschutz erreichen und gleich zeitig den Weg zurück ins gesellschaftliche Leben weiterge hen. Baden-Württemberg hat diese schwere Prüfung bisher gut durchgestanden. Ich bin mir sicher, wir haben alle Chan cen, die Pandemie gemeinsam im Griff zu halten.
Ich will auch noch sagen: Wir haben in diesem Parlament in nerhalb von drei Wochen ein Gesetz verabschiedet, wonach jetzt die Kommunen und die Sparkassen allesamt auch in Video konferenzen tagen können. Unser Landtag hat als einziges Parlament in Deutschland – auch mithilfe des Innenministers – die Voraussetzungen für eine dauerhafte Regelung geschaf fen, sodass in Zukunft auch die Gemeinderäte videomäßig, audiomäßig tagen können. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
Insoweit glaube ich, es ist gut, dass wir die Chancen wahrge nommen haben. Machen Sie mit, unterstützen Sie uns dabei. Dann wird unser Land weiterhin gut und stark durch die Krise kommen.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Ich denke, die FDP/DVP hat das Thema dieser heutigen Aktuellen Debatte gut gewählt. Ich möchte den Titel allerdings um der Wahrheit willen um ein einziges Wort ergänzen. Ich darf nochmals daran erinnern, dass wir im März über vier Fraktionen hinweg gemeinsam erste Schritte gegen Corona, zur Eindämmung der Pandemie und vor allem auch der Folgen beschlossen haben.
Zur Wahrheit gehört – das ist wichtig, denke ich –, dass wir diesen Kurs der Landesregierung mitgetragen haben.
Ich spreche da auch für die FDP/DVP-Fraktion. Denn vieles von dem, was Sie bisher gesagt haben, bezieht sich auf die Frage des Beginns dieser Krise.
Wir müssen aber ehrlicherweise fragen – deswegen ergänze ich den Titel um das Wort „wieder“ –: Wann findet Minister präsident Kretschmann wieder einen ordentlichen Krisenmo dus?
Im März dieses Jahres wurde unser Land – ich glaube, da kön nen wir alle zustimmen – in einer Weise verändert, wie es für uns vorher nicht denkbar war, und zwar nicht aus Jux und Tol lerei, sondern weil die Lage es schlicht und einfach erfordert hat.
Wenn ich noch einmal zurückblenden darf: Erinnern wir uns, dass, als diese Einschränkungen kamen, viele Bürgerinnen und Bürger sogar noch weiter gehende Maßnahmen gefordert haben und die Politik aufgefordert haben, alles zu tun, damit diese gesundheitliche Gefahr gebannt wird. Deswegen, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, war es damals der Lage geschuldet und auch erforderlich.
Wenn nun wieder nach und nach gelockert wird, dann eben auch, weil es die Lage ermöglicht. Denn wenn die Lage sich ändert, muss man anders reagieren, und dann gilt das, was vor zwei Monaten entschieden wurde, eben nicht mehr automa tisch. Dann muss man in der Lage sein, zu differenzieren und für heute die richtigen Entscheidungen zu treffen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Jetzt fängt es, Frau Razavi, auch für Sie an, interessant zu werden; das hoffe ich jedenfalls. Denn wenn wir den Kurs der Landesregierung im März mitgetragen haben, dies aber heute in einigen, vielleicht sogar in vielen Punkten nicht mehr kön nen, dann ebenfalls nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil sich die Lage verändert hat. Wir sind nicht aus Prinzip dage gen, und wir sind auch nicht aus Prinzip dafür. Es hat schlicht und einfach mit der Sache zu tun. Daran wollte ich zu Beginn meiner Ausführungen nochmals erinnern.
In der Sache – da können Sie, Herr Kollege Reinhart, Herr Kollege Schwarz, so viel weiße Salbe draufschmieren, wie Sie wollen – gibt es über die Frage, wie diese Regierung mit den Folgen der Pandemie umgeht, berechtigten Anlass zur Kritik, und zwar nicht nur in diesem Haus, sondern auch bei den Menschen in diesem Land.
Wer sich in diesem Land umhört, der hört eben viel Kritik. Ich weiß nicht, was Sie den ganzen Tag tun. Sie sollten wirklich mal mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, mit Erzie herinnen und Erziehern, mit Eltern, mit Lehrkräften sprechen.
Ich meine ausdrücklich nicht jene Grundsatzkritik, die jede Einschränkung wegen Covid-19 pauschal ablehnt. Ich möch te das an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen. Der Großteil der Bevölkerung ist noch immer der Auffassung, dass die Po litik der Bundesregierung und auch die Einschränkungen rich tig sind, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Aber ab jetzt wird es gefährlich. Ich rede von dem Löwenan teil der Bevölkerung, der den Ernst des Coronavirus verstan den hat und auch die Auflagen verstanden und nachvollzogen hat und auch versteht, dass nicht von heute auf morgen wie der alles wie früher werden kann. Diese Menschen wollen aber – und ich glaube, das ist das Recht der Menschen in die sem Land – den Weg verstehen, sie wollen den Plan verste hen. Sie wollen wissen, wie die Landesregierung aus dieser Pandemie herausfindet, und ein solcher Plan ist eben beim Handeln dieser Landesregierung nicht erkennbar, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir haben schon in der ersten Debatte an diesem Tag beispiel haft über ein ganz ähnliches Problem gesprochen: die Kitas. Die Situation der Familien in diesem Land ist im Moment so angespannt, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Eltern tun aus Fürsorge für ihre Kinder derzeit alles, was sie tun kön nen, um das Beste für ihre Kinder zu erreichen. Es ist natür lich wichtig, wenn die Bundesregierung hier flankiert, indem die Dauer der Lohnersatzleistungen auf 20 Wochen erweitert wird, wenn Kinderbetreuung in dieser Phase nicht möglich ist. Aber besser für die Kinder wäre es, wenn wir im Kitabe reich wieder zu mehr Normalität zurückkehren würden.
Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn hier am 6. Mai per Presse mitteilung verkündet wird, dass ein eingeschränkter Regelbe trieb möglich sein soll, aber zu dem Zeitpunkt noch Verord nungen gültig sind, in denen nur eine Notbetreuung vorgese hen ist, und sich Bürgermeister auf den vom Kultusministerium genannten Tag X, den 18. Mai, vorbereiten, ist es da verwun derlich, dass diese Bürgermeister fragen: „Spinnt ihr eigent lich komplett?“, wenn am Donnerstag oder Freitag der Woche davor die neuen Rechtsgrundlagen noch nicht vorliegen? Herr Röhm, das ist doch billigstes Regierungsversagen auf höchs tem Niveau, was die Kultusministerin hier fabriziert hat.
Wir können gern bei der Gastronomie weitermachen. Warum darf man – ich rede von der Nachvollziehbarkeit von Aufla gen – in einer Speisegaststätte ein Bier trinken, aber nicht in der Kneipe daneben? Was war es für ein Gewürge mit der 800-m2-Regelung zu den Ladengeschäften! Was war es für ein Gewürge mit den Auflagen für Zahnärzte! Ich brauche jetzt nicht jeden Punkt zu wiederholen, den Herr Kollege Rülke ge nannt hat.
Ich nenne einen weiteren Punkt: Die Frage, welche Veranstal tungen in den nächsten Wochen und Monaten stattfinden kön nen, bewegt die Vereine in unserem Land wie kaum eine an dere Frage. Wie findet der Betrieb der Vereine statt? Wie kön nen Vereinsvorstandssitzungen stattfinden? Wie können Ver anstaltungen der Vereine stattfinden, auf die sie wirtschaftlich angewiesen sind? Die Vereine fragen bei uns nach: „Was macht ihr? Was macht die Landesregierung?“ Wir müssen ehr
lich sagen: Diese Landesregierung hat keinen Plan. Es geht nicht, dass diese Menschen erst am Samstag erfahren, was am folgenden Montag gilt, meine sehr geehrten Damen und Her ren.
Deshalb muss man klar sagen: Ihre weiße Salbe, Herr Kolle ge Reinhart, Herr Kollege Schwarz, können Sie sich sparen. Diese Regierung hat unnötigerweise viel Verwirrung ausge löst. Es sind schwierige Zeiten; das wird niemand in Abrede stellen. Aber dass einfachstes Regierungshandwerk und Kom munikation funktionieren, das kann man von einer Landesre gierung erwarten.
Wir haben erlebt, dass diese Krise Mängel hervorgehoben hat, die es in unserer Gesellschaft schon länger gab: Mängel bei der Gesundheitsvorsorge, Mängel bei der Entlohnung wichti ger Berufe in Betreuung und Pflege, Mängel in der digitalen Ausstattung an Schulen, Mängel in der Unterbringung von Geflüchteten, Mängel bei den Arbeitsbedingungen in Schlacht höfen, Mängel in der Bildungsgerechtigkeit. Vieles haben wir schon vorher hier in diesem Parlament deutlich gemacht. Die Krise zeigt noch mal, wie groß die Handlungsnotwendigkeit in vielen Bereichen ist.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur die se Probleme sind auf der Tagesordnung. Das Grundproblem ist ebendiese Landesregierung, ein Bündnis aus zwei Regie rungsfraktionen, die sich ständig gegenseitig ein Bein stellen, die nicht miteinander, sondern bestenfalls nebeneinander her arbeiten.
Und gerade in letzter Zeit arbeitet man dort immer offener ge geneinander. Am vergangenen Freitag verschickten die Abge ordneten der Grünen – mein Kollege Born hat es gesagt – im Land Schreiben, in denen es hieß: „Wir erwarten von der Kul tusministerin endlich einen Plan für die Kitaöffnung. Sagen Sie uns, was man da tun könnte.“
Wann endlich entscheiden sich die Grünen? Das Hilfspa ket für Hotels und Gastronomie muss kommen. Jetzt!
Wer so miteinander kommuniziert, der kann alles, aber nicht zusammen regieren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
„Es geht nicht, dass sich Susanne Eisenmann als zustän dige Ministerin an den Spielfeldrand stellt und nur das Geschehen kommentiert. Sie gehört selbst auf das Spiel feld und muss endlich handeln“,... Kinder und Eltern hät ten keine verlässliche Perspektive. Es laufe in BadenWürttemberg so schlecht wie in keinem anderen Bundes land.
Herzlichen Glückwunsch! Ein großes Kompliment von den Grünen an die CDU-Kultusministerin, meine sehr geehrten Damen und Herren.