Vielen Dank. – Frau Ministerin, ich habe noch eine Nachfrage. Sie haben den Hertie-Effekt ange sprochen – auch wenn es Hertie nicht mehr gibt. Diese Filia len sind eben auch Ankerpunkte in den Innenstädten. Die GA LERIA-Kaufhäuser erfüllen mit ihrem Sortiment teilweise die Funktion der Sortimentsgestaltungen, die man dort gar nicht mehr findet – gerade in bestimmten Bereichen, was Haushalts waren angeht und Ähnliches.
Sie sagen, Sie sehen das als ein städtebauliches Thema. Se hen Sie hier spezielle Programme oder spezielle Lösungen vor? Sind Sie mit den Kommunen darüber im Gespräch, wie verhindert werden kann, dass ein Trading-down-Effekt ent steht, dass am Schluss in diese Einrichtungen nicht Läden, Kasinos oder Ähnliches kommen, was letztendlich weder der Innenstadt noch den Menschen, die dort einkaufen wollen, noch den Beschäftigten hilft?
Herr Born, Sie kennen ja die Städtebauförderung. Das ist ein sehr flexibel einsetzbares In strument zur Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung in den Kommunen auf der Basis der Konzepte, die die Kom munen einreichen. Natürlich gibt es hier einen intensiven Ab stimmungsprozess auch mit dem Land. Hier wollen wir un terstützen; das ist gar keine Frage. Wir haben das im Blick.
Wir kennen ja die betroffenen Standorte erst seit vergangenem Freitag. Es werden ja auch noch weitere Gespräche geführt. Sobald wir hier eine konkrete Entscheidungssituation haben, werden wir natürlich mit den Kommunen diesbezüglich eben falls Gespräche führen, bzw. die Kommunen kommen ja auch auf uns zu; deswegen habe ich es heute auch extra angespro chen.
Attraktive Innenstädte sind mir ein großes Anliegen. Wir ha ben gesehen, was in Stuttgart am vergangenen Wochenende passiert ist. Ich denke, es ist ein wichtiger Punkt, die Attrak tivität unserer Innenstädte zu erhalten, auch um des gesell schaftlichen Friedens willen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem The ma. Damit ist das Thema abgearbeitet.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Landeshauptstadt Stuttgart hat am vergangenen Wochenende Ausschreitungen unvorstellbaren Ausmaßes erlebt. Dieser Gewaltexzess hat uns erschreckt und kann natürlich nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Wir müssen den Rechtsstaat stärken; da sind wir uns einig. In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung, ver treten durch Minister Wolf: Wie wollen Sie mit dem beschleu nigten Verfahren diesem Ziel näherkommen? Mehr als die Hälfte der am vergangenen Wochenende festgenommenen Personen sind jünger als 21 Jahre. Wie wollen Sie gegebenen falls gegen diese Jugendkriminalität vorgehen? Können mög licherweise Häuser des Jugendrechts in dieser Richtung einen positiven Beitrag leisten? Und wie fördert die Landesregie rung das Verständnis für unseren Rechtsstaat bei den Schu len?
(Das Redepult wird desinfiziert. – Abg. Arnulf Frei herr von Eyb CDU: Es bleibt ja in der Fraktion! – Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Andreas Schwarz GRÜ NE: Es gibt schlimmere Orte als ein Schloss, um in Quarantäne zu gehen!)
Auch wenn der nächste Redner der gleichen Fraktion ange hört, wird das Redepult schon noch gereinigt.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe die Anfrage des Kollegen von Eyb auch als nachvollziehbare Re aktion auf die schlimmen Ereignisse des vergangenen Wo chenendes hier in Stuttgart. Es ist ja heute auch im Innenaus schuss durch den Kollegen Strobl schon vieles dazu berichtet worden.
Es ist richtig, dass sich die Landesregierung in diesem Zusam menhang auch ganz konkret mit den Herausforderungen mit Blick auf potenzielle Täterkreise – Jugendliche, Heranwach sende – befasst hat.
Wir hatten dazu gestern dem Landeskabinett auch eine Vorla ge vorgelegt. Man muss allerdings hinzufügen: Auch wenn das Justizministerium dafür bekannt ist, schnell zu arbeiten, so war diese Kabinettsvorlage, die wir gestern vorgelegt ha ben, noch keine spontan erarbeitete Vorlage mit Blick auf die Ereignisse vom vergangenen Samstag. Vielmehr haben wir uns schon seit Wochen und Monaten mit diesen Fragen be fasst. Sie erinnern sich: Auch die Gruppenvergewaltigung in
Freiburg hat damals einerseits zu sehr markigen Worten auch von Repräsentanten der Landesregierung geführt und ande rerseits zu ganz konkreten Überlegungen, was man infolge dessen tun kann.
Das beschleunigte Verfahren ist ein Instrument der Strafpro zessordnung, das man eigentlich schon heute verstärkt anwen den könnte. Insofern mögen Sie die Frage stellen: Was ist da ran neu, um dies jetzt auch zum Gegenstand einer Kabinetts vorlage zu machen?
Das beschleunigte Verfahren wird in Baden-Württemberg bis lang eher nachrangig genutzt. Wir hatten ja auch im Ständi gen Ausschuss über die Frage diskutiert, Herr Kollege Dr. Weirauch: Was sind die möglichen Gründe hierfür?
Wir haben in Baden-Württemberg einen extrem hohen Anteil an Strafbefehlen. Aber es ist klar, dass ein tatsächlich durch geführtes Verfahren eine ganz andere erzieherische Wirkung erzeugt. Deshalb wollen wir dieses Instrument verstärkt an wenden, und wir wollen die Gerichte vor Ort dadurch animie ren, dies zu tun, dass wir auch zusätzliches Personal zur Ver fügung stellen.
Wir haben drei Modellstandorte geschaffen. Jetzt, am 1. Juli, beginnt das Ganze in Stuttgart – insofern wirklich auch eine Punktlandung. Die Modellstandorte, die das Instrument nut zen, bekommen eine Stelle am zuständigen Amtsgericht und eine an der zuständigen Staatsanwaltschaft. Die gewonnenen Erfahrungen wollen wir nutzen, um dieses Instrument mögli cherweise flächendeckend auf das Land auszurollen.
Das Prinzip ist, dass die Strafe der Tat auf dem Fuße folgt. Wer morgens beim Klauen erwischt wird, soll dafür bereits am selben Tag auch rechtskräftig bestraft werden. Diese er zieherische Wirkung ist nicht zu unterschätzen.
Kriminalität beginnt eben vielfach mit dieser Einstiegskrimi nalität. Insofern gilt das Prinzip: Wehret den Anfängen! Und da muss der Rechtsstaat auch wirksam durchgreifen.
Es ist angesprochen worden: Viele der potenziellen Täter vom vergangenen Samstag sind jünger als 21 Jahre. Deswegen liegt ein weiterer Fokus auf der Einrichtung von Häusern des Ju gendrechts. Da war Stuttgart-Bad Cannstatt 1999 bundesweit Speerspitze. Es folgten 2012 Pforzheim/Enzkreis, 2015 Mann heim, 2017 Heilbronn, in diesem Jahr Ulm und Offenburg, und jetzt laufen Planungen für weitere Häuser des Jugend rechts in Karlsruhe, Villingen-Schwenningen und Ludwigs burg – eine enge Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Staatsanwaltschaft und Polizei, um auch bei diesem Täterkreis die Strafverfahren zu beschleunigen, um auch dort dem Prin zip „Der Tat muss die Strafe auf dem Fuße folgen“ Rechnung zu tragen.
Auch dort brauchen wir personelle Mehrkapazitäten – eine halbe Stelle bis eine ganze Stelle –, die wir den Regionen, die sich der Herausforderung stellen, geben wollen. Auch da gilt unser Prinzip, diese Idee auf das Land auszurollen.
Letzte Frage: ja, dem Rechtsstaat präventiv ein Gesicht ge ben. Da haben wir in diesem Jahr ein ganz ehrgeiziges Pro jekt geschaffen, um in die Schulen zu gehen und jungen Men
schen rechtsstaatliche Prozesse – gespielt nachempfunden – näherzubringen. Kurze Zeit, nachdem wir mit dem Projekt sehr erfolgreich gestartet sind, kam die Coronakrise. Deswe gen ruht das Projekt seither. Wir werden es aber so schnell wie möglich, wenn es die Rahmenbedingungen wieder erlauben, in die Schulen zurückbringen.
Vielen Dank, Herr Minister. Sie hatten gerade auf unsere Diskussion im Ständigen Aus schuss verwiesen. Ich meine, mich zu erinnern, dass Sie ge sagt haben: „Das Modellprojekt startet am 1. Juni.“ Aber jetzt haben Sie „1. Juli“ gesagt.
Genau, okay – also am 1. Ju li. Aber bis dahin ist es auch nicht mehr so lange. Da würden mich an dieser Stelle einmal die Festnahmen vom vergange nen Samstag bzw. die weiteren Festnahmen im Laufe dieser Woche interessieren. Ich bin da nicht ganz beim Kollegen von Eyb. Man kann ein beschleunigtes Verfahren nach § 417 StPO auch auf Heranwachsende anwenden, aber nicht für Jugend liche, also für Menschen unter 18 Jahren. Mich würde schon interessieren, ob nach jetzigem Kenntnisstand aus Ihrer Sicht das beschleunigte Verfahren bei den Menschen angewandt werden kann, die aufgrund der Gewaltexzesse am Samstag und Sonntag festgenommen worden sind.
Ab 1. Juli findet das Modellprojekt zum beschleunigten Ver fahren auch in Stuttgart Anwendung. Sie haben gerade gesagt, in Baden-Württemberg sei es nicht so bekannt gewesen, dass es diesen Paragrafen in der Strafprozessordnung gibt, dass es aber perfekt wäre, wenn die beschleunigten Verfahren ab 1. Juli in Stuttgart angewandt werden dürften. Wenn es die Sachlage erlaubt, könnte man diese Verfahren in Stuttgart an wenden. Dazu hätte ich gern eine Aussage von Ihnen.
Sie haben gerade die geplanten neuen Häuser des Jugend rechts erwähnt. Dazu würde mich interessieren, ab wann man mit der Öffnung dieser Häuser rechnen kann. Muss man sich da noch mehrere Jahre gedulden, oder haben Sie die Öffnung dieser Häuser in Ihrem Zeitplan schon weit vorher terminiert?
Die letzte Frage noch ganz kurz in Bezug auf meine erste Fra ge: Wenn ich es richtig gesehen habe, gibt es auch in Stuttgart ein Haus des Jugendrechts. Haben Sie das Haus des Jugend rechts auch in die Aufklärung bzw. in die weiteren Ermittlun gen bezüglich der Gewaltexzesse am vergangenen Samstag mit eingebunden?
Herr Kol lege Dr. Weirauch, das sind jetzt natürlich einander überla gernde Prozesse. In Freiburg ist das beschleunigte Verfahren
schon im Gange. Daher kommen vielleicht auch die unter schiedlichen Daten. Der Start des beschleunigten Verfahrens in Stuttgart ist zum 1. Juli vorgesehen. Zur Frage, inwieweit das unmittelbar bevorstehende beschleunigte Verfahren in Stuttgart für diese aktuellen Vorgänge vom vergangenen Samstag gilt, muss ich sagen: Das ist schon deshalb nicht mehr machbar, weil wir mit dem beschleunigten Verfahren er reichen wollen, dass etwas, was morgens passiert, noch am gleichen Tag geahndet wird.