Ich muss es hier am Mikrofon nicht sagen, weil es auch schon von der Kollegin Leidig gesagt wurde: Der Petitionsausschuss ist der einzige Ausschuss mit Verfassungsrang. Für alle ande ren Ausschüsse gilt, wie der Schwob saga däd: Kaosch han oder edd.
Das Spektrum muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen; das wurde hier auch schon deutlich. Ich fange jetzt ex tra mit den Windrädern an; denn es gibt schon Themen, die Kollege Zimmermann dann nicht ganz schnell bearbeitet. Das ist z. B., wenn jemand ein Windrad bauen will.
Ich glaube, Kollege Zimmermann hält es aus, wenn Windrä der auch erst in zehn Jahren ins Planungsverfahren hineinge raten.
Ein weiterer Bereich sind die Funkmasten, lieber Kollege. Da erleben wir auch unsere Bürgerschaft. Ich glaube, es geht al len Kollegen und Kolleginnen so: Man hat manchmal Petiti onen, da ist die Hälfte einer Ortschaft dafür und die andere Hälfte dagegen. Die einen beklagen sich, weil man kein schnel les Internet hat, die anderen machen eine Petition gegen einen Funkmast. Die einen beklagen sich, weil man keine vernünf tige Gastronomie hat, die anderen machen eine Petition dage gen, wenn jemand ein Hotel bauen will. Ich war einmal in Pe titionsangelegenheiten mit der Kollegin Braun und dem Kol legen Zimmermann am Feldberg. Es gab zwei Petitionen, die eine Hälfte war dafür, die andere Hälfte war dagegen.
Wir hatten Petitionen für Bienen, gegen Bienen, für Pflege heime, Weinberge – es gibt kein Thema, das der Petitionsaus schuss nicht bearbeiten muss. Wir haben in 43 Sitzungen knapp 5 000 Petitionen bearbeitet und – es wurde hier schon gesagt – 533-mal – so häufig wie noch nie – Regierungsver treter eingeladen.
Es gibt ja auch immer wieder die Kritik, wir würden die Stel lungnahme von Regierungsvertretern unkritisch übernehmen. Dem ist nicht so. Ich kann Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol legen, die nicht im Ausschuss sind, und auch der interessier ten Öffentlichkeit versichern: Alle Kollegen und Kolleginnen nehmen hier ihren Auftrag ernst, egal, ob sie in der Oppositi on sind oder nicht, und fragen akribisch bei den Regierungs vertretern nach, ob das so sein muss oder nicht. Das muss ich hier wirklich sagen. Sonst könnten wir es auch gleich bleiben lassen. Das ist uns wichtig.
Sie haben gesagt, es gab 80 Vor-Ort-Termine. Das ist das Salz in der Suppe der Demokratie; denn das sind die seltenen An lässe, bei denen die Menschen den Landtag vor Ort erleben, wo sie erleben: Da kommen Abgeordnete – es muss ja immer jemand von der Regierung und jemand von der Opposition dabei sein –, da kommt das Petitionsbüro, und es kommen die Vertreter der Ministerien, des Regierungspräsidiums, des Land kreises, oft auch der Bürgermeister. Das ist oft ein Riesending. Natürlich sind auch die Petenten dabei, und wenn das eine Bürgerinitiative ist, können das durchaus viele Menschen sein.
Das ist eine harte Arbeit, da hinzustehen und den Petitions ausschuss zu vertreten und dann – das ist das Spannende –, wenn man nicht abhelfen kann, das zu vermitteln. Dann mer ken die Leute oft – deshalb lohnen sich die vielen Vor-OrtTermine –, dass wir ihr Anliegen nicht einfach so abgetan ha ben, sondern dass wir uns mit hoher Energie eingearbeitet ha ben; deshalb dauert es manchmal auch länger. Oft gelingt es, dass die Menschen dann auch verstehen, warum man nicht ab helfen kann: weil wir in einem Rechtsstaat leben und weil der Petitionsausschuss Gesetze nicht ändern kann und sich auch nicht über Gemeinderatsbeschlüsse vor Ort hinwegsetzt. Das muss man, glaube ich, immer wieder vermitteln.
Uns allen ist wichtig – das hat auch die Vorsitzende schon ge sagt –: Man muss keine Unterschriften sammeln, um eine Pe tition einzureichen. Der Petitionsausschuss lässt sich nicht von Tausenden von Unterschriften beeindrucken, sondern es geht um das Anliegen. Jeder einzelne Mensch in Baden-Württem berg darf eine Petition einreichen, die wir dann mit der größ ten Sorgfalt bearbeiten.
Auch wenn das jemand ist, der schon 30 Petitionen eingereicht hat, sind wir professionell: Dann wird auch die 31. Petition genauso geprüft. Das ist uns ein hohes Anliegen; das werden wir auch in Zukunft so machen.
Ich bedaure an dieser Stelle – ich möchte nicht so lange über ziehen wie der Kollege, möchte aber noch einen besonderen Dank loswerden –, dass drei – ich nenne es wirklich so – Iko nen des Petitionswesens in Baden-Württemberg nicht mehr dabei sein werden: Herr Kollege Zimmermann, der nicht mehr kandidiert, Herr Kollege Beck, der ebenfalls nicht mehr kan didiert, und Herr Kollege Nelius. Sie haben jahrzehntelang das Gesicht dieses Ausschusses nach innen und außen geprägt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kollegen! Der mündliche Bericht der Vorsitzen den des Petitionsausschusses mit Aussprache ist mittlerweile zu einer guten Tradition geworden. Ich freue mich, dass heute mehr Abgeordnete hier vor Ort sind und dass auch mehr Mi nisterien vertreten sind, als es meines Wissens bei der letzten Aussprache zu diesem Thema der Fall gewesen ist. Das ist ei ne wichtige Entwicklung, weil dieser Ausschuss wichtig ist.
Der Petitionsausschuss ist der Ausschuss, der für Bürgernähe steht. Tatsächlich gab es in dieser Wahlperiode – ich habe mir sagen lassen, das sei in der vorherigen nicht unbedingt der Fall gewesen – lange Zeit so etwas wie einen fraktionsübergrei fenden Teamgeist, den ich sehr geschätzt habe und auch in den vergangenen beiden Reden zu diesem Thema angespro chen habe.
Mein Dank gilt an dieser Stelle im Besonderen dem Petitions büro, dem Team um Herrn Haas, das gerade auch für den ver gangenen Montag einen Vor-Ort-Termin einer Kommission des Ausschusses vorbereitet hatte – wie immer hervorragend vorbereitet, trotz Coronabedingungen. Ein herzliches Danke schön an Herrn Haas und alle Mitarbeiter im Petitionsbüro.
In der Vergangenheit war das Thema Petitionsausschuss ein Tagesordnungspunkt im Plenum, zu dem ich immer sehr gern gesprochen habe, weil es mir ein Herzensanliegen ist, mich um die Bürger in Baden-Württemberg zu kümmern. In vielen anderen Bereichen sind die Entscheidungen manchmal etwas abstrakt und nicht so bürgernah. Das ist im Petitionsausschuss an vielen Stellen einfach anders. Dort geht es teilweise um konkrete Anliegen bzw. darum, was unsere Gesetze und Vor schriften, die wir hier verabschieden, mit den Bürgern machen und wie es den Menschen damit geht, gerade auch in Corona zeiten und mit den aktuellen Regelungen.
Weil mir diese Anliegen so wichtig sind, kann ich es nicht las sen und muss heute einige kritische Töne anschlagen. Dazu gehört als erstes Beispiel die Bürgersprechstunde, die vor et wa zwei Jahren noch durch die ehemalige Vorsitzende mit ein geführt wurde. Dabei haben die Bürger die Möglichkeit, in den Landtag zu kommen und ihr Anliegen hier vorzutragen. Die Meinungen darüber sind unterschiedlich. Ich persönlich gehöre zu den Befürwortern, einige scheinen diese Bürger sprechstunde eher etwas kritisch zu sehen – was absolut legi tim ist. Aber dann sollten doch bitte die Abgeordneten, die diese Bürgersprechstunde kritisch sehen, entweder auf ihre Teilnahme verzichten oder sich von Kollegen vertreten las sen, aber auf keinen Fall die Petenten verbal attackieren, in die direkte Konfrontation hineingehen, wie ich es im Septem ber erlebt habe.
So mit den Bürgern umzugehen ist ein Grund zum Schämen. Als einer der Menschen, die vorgesprochen haben, rausgegan
gen ist, sah er für mich aus wie ein begossener Pudel. So dür fen wir nicht mit den Bürgern in unserem Land umgehen.
Der Ausschuss wird... auch vielfach als Scharnier zwi schen Bürger und Staat oder als Notrufsäule bezeichnet.
Ein anderer Petent, der auch bei dieser Sitzung dabei war, sag te im Nachhinein, dass – ich zitiere – „der Weg von der Not rufsäule zum Pranger sehr kurz sein kann“. Er fragte, ob es nicht die Aufgabe des Petitionsausschusses sei, den Bürger zu schützen. Mit Verweis auf zwei grüne Abgeordnete sprach er von „Augen öffnen“ und „Kreuzverhör“.
Frau Dr. Leidig, Sie haben vorhin, beim Tagesordnungspunkt 3, vom Thema „Respekt gegenüber den Kommunen“ gespro chen. Wir brauchen aber auch den Respekt gegenüber den Bürgern, gerade im Petitionsausschuss.
Der Petitionsausschuss bezeichnet sich als Notrufsäule und wird als Pranger und Kreuzverhör wahrgenommen. Wenn das so ist, machen wir etwas falsch, meine Kollegen.
Ein weiterer Punkt: Vor etwa einem Jahr wechselte der Vor sitzende im Petitionsausschuss. Vor dem Wechsel war es in der Regel so, dass die Sitzung inhaltlich sehr bewusst neutral geleitet wurde. Dies ging so weit, dass die ehemalige Vorsit zende – Frau Böhlen ist da – die Leitung an ihren Stellvertre ter, Herrn Beck, übergeben hat, wenn sie sich inhaltlich zu ei ner Petition äußern wollte. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat es das bei der aktuellen Vorsitzenden sehr selten gegeben – jedenfalls ist das meine Wahrnehmung. Ein klarer Rück schritt im Petitionsausschuss.
Mir scheint es manchmal sogar eher so zu sein, dass die Vor sitzende sehr gern und aktiv in die Beratung eingreift, mögli cherweise, um die von der eigenen Fraktion gewünschten Er gebnisse herbeizuführen.
Ich erinnere nur an einen Vor-Ort-Termin, den ich kürzlich be antragt habe, der knallhart abgelehnt worden ist.