Protokoll der Sitzung vom 02.12.2020

Punkt 2 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und der Gemeindeordnung – Drucksache 16/9087

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für In neres, Digitalisierung und Migration – Drucksache 16/9316

Berichterstatter: Abg. Rainer Hinderer

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort Frau Abg. Dr. Leidig für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns nun in zweiter Lesung mit verschiedenen Änderungen im Kommu nalabgabengesetz und in der Gemeindeordnung. Wie schon in der ersten Lesung von allen Rednerinnen und Rednern aus geführt, sind diese Gesetzesänderungen wichtige Anpassun gen aufgrund aktueller Rechtsprechungen und der gelebten kommunalen Praxis.

Die Änderungen betreffen unterschiedliche Bereiche. Einige Beispiele: Regelungen für die elektronische Datenübermitt lung, die Rechtsgrundlage für die Weitergabe von Hundesteuer daten, die Anpassung der Verfahrensvorschriften in der Abga benordnung oder wichtige Anpassungen an die DatenschutzGrundverordnung.

Ein Teil dieses Gesetzes ist die Umsetzung des Bundesrechts zur Erhebung von Kitagebühren. Damit wird die Staffelung von Elternbeiträgen für Kitas vorgeschrieben. Dies schafft ein Stück mehr finanzielle Gerechtigkeit bei der Kinderbetreu ung. Das begrüßen wir Grünen ausdrücklich.

(Beifall)

All diese Änderungen sind notwendig. Kommunalabgaben sind eine wichtige Einnahmequelle für Kommunen. Daher muss der gesetzliche Rahmen rechtssicher sein. Das ist uns Grünen wichtig. Die Änderungen bringen den Kommunen Rechtssicherheit, und gleichzeitig wird die kommunale Selbst verwaltung weiter gestärkt.

Ein weiterer Punkt zum Kommunalabgabengesetz ist die Ein führung einer zeitlichen Obergrenze für die Festsetzung von Erschließungs- und Anschlussbeiträgen. Die Ausgestaltung dieses Punkts wurde in der ersten Lesung problematisiert. Es geht um die Frage, wie der Eintritt der Vorteilslage, ab dem eine 20-jährige Frist zur Erhebung dieser Gebühren läuft, zu definieren ist. Wir freuen uns daher, dass uns Herr Minister Strobl angekündigt hat, seiner Zusage aus dem Innenaus schuss nachzukommen und entsprechende Erläuterungen zur Vorteilslage bzw. zu deren Eintritt sowie dazu, wie die Ab grenzung gegenüber Ausbaumaßnahmen ausgestaltet wird, zu geben.

(Beifall)

Solche Hinweise halten wir für wichtig und freuen uns, dass Sie unserer Bitte dazu nachkommen werden. Denn – so das Bundesverfassungsgericht – die Frist muss nicht nur zeitlich bestimmt werden, sondern auch bestimmbar sein. Dieser For derung des Bundesverfassungsgerichts sollten wir nachkom men.

Erläuterungen sind aus unserer Sicht ein guter Weg, um für die nötige Klarheit für die Kommunen wie auch für die Bür gerinnen und Bürger zu sorgen, und diesen Weg beschreiten wir jetzt. Das halten wir für ausreichend, und daher lehnen wir die von SPD und FDP/DVP angestrebte Änderung des Ge

setzesvorhabens ab, ebenso wie den Antrag der AfD und ins besondere die in der Antragsbegründung vorgebrachte Aussa ge:

Das Bestreben der Kommunen um eine möglichst beque me und stressfreie Beitragsfestsetzung, für die man sich Zeit lassen kann, hat dahinter zurückzustehen.

Das spiegelt die herablassende Haltung von Ihnen gegenüber den Kommunen wider.

(Zurufe, u. a.: Das kann ich nicht nachvollziehen!)

Für uns Grüne sind die Kommunen verlässliche Partner bei der Zukunftsgestaltung, denen wir mit Respekt und auf Au genhöhe begegnen.

(Zurufe)

Zu Ihrem Weltbild scheint ein respektvoller Umgang mit Kom munen nicht zu passen.

(Beifall – Zurufe)

Klar ist: Die Höchstfrist von 20 Jahren bedeutet, dass die Kommunen nicht zeitlich unbegrenzt Abgaben erheben dür fen. Mit der Festlegung dieser Höchstfrist von 20 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage wird das Urteil des Bundesverfas sungsgerichts rechtssicher umgesetzt.

Das Gesetz sieht auch Änderungen in der Gemeindeordnung vor. Es handelt sich um Erleichterungen für Gemeinden, wenn sie selbstständige Kommunalanstalten einrichten wollen und wenn sie neben dem Gemeinde- und Ortsnamen eine sonsti ge Bezeichnung führen möchten. Diese Änderungen geben den Kommunen zusätzlichen Gestaltungsspielraum. Das war von diesen lange gewünscht.

Durch das Gesetz wird das Verfahren zur zusätzlichen Be zeichnung von Kommunen vereinfacht, aber es bedarf am En de immer noch einer Zustimmung des Innenministeriums. Da her möchte ich mit einem Zuruf an das Innenministerium schließen: Legen Sie den Kommunen keine Steine in den Weg; machen Sie es ihnen leicht. Schließlich haben wir die Hürde einer Dreiviertelmehrheit im Gemeinderat. Das ist doch dann ein sehr starkes Votum für Zusatzbezeichnungen, und dem sollten wir mit Wohlwollen begegnen.

Wir Grünen freuen uns auf die Ergebnisse aus den Kommu nen. Wir sind uns sicher, dass die Vielfalt unserer Kommunen im Land durch eine Zusatzbezeichnung noch besser sichtbar werden wird.

(Beifall)

Vielen Dank. – Als Nächs ter spricht Herr Abg. Klein.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es ist ja schon ausgeführt worden, dass wir heute in der Zweiten Beratung den Gesetzentwurf zur Än derung des Kommunalabgabengesetzes und der Gemeinde ordnung beraten. Frau Dr. Leidig ist darauf eingegangen, was wesentlicher Gesichtspunkt dieser Gesetzesänderungen ist: Das ist die fortgeschriebene oder aktuelle Rechtsprechung, die in den Gesetzen verankert werden muss, das ist ein siche

rer Datenschutz, das ist die Zuständigkeit des Landesdaten schutzbeauftragten auch für kommunale Datenschutzfragen. In unseren Augen ist es insbesondere sehr wichtig, dass die Kommunen auch zukünftig eine zusätzliche Namensbezeich nung führen dürfen, wenn sie es wollen, wenn der Gemeinde rat es mit großer Mehrheit will und wenn das auch auf das Wohlwollen des Innenministeriums trifft.

Wichtig ist auch, dass die kommunalen Anstalten, wie wir sie vor einiger Zeit eingeführt haben, mit dieser Gesetzesände rung eine praxisnähere Ausgestaltung erfahren können, dass das Handwerkszeug hier stimmt. Denn wir berühren mit die sen gesetzlichen Änderungen in der Tat das Handwerkszeug der Kommunen, das tägliche Handwerkszeug für eine rechts sichere und ordnungsgemäße Verwaltungsleistung.

Deshalb ist es wichtig, dass die kommunalen Landesverbän de diesen Gesetzesänderungen zustimmen. Es ist wichtig, dass auch die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg die ser Gesetzesänderung zustimmt, und es ist wichtig, dass der Verband kommunaler Unternehmen diesen Änderungen zu stimmt bzw. diese begrüßt.

Das Erschließungsbeitragsrecht – auch das hat Frau Dr. Lei dig bereits angesprochen – ist schon in der Vergangenheit ei ne schwierige Rechtsmaterie gewesen und wird es sicherlich auch in Zukunft bleiben. Ich glaube, der Gesetzgeber stellt sich da eine zu große Aufgabe, wenn er meint, hier sämtliche rechtlichen Dinge klären zu können, damit es zukünftig kei ner gerichtlichen Auseinandersetzung mehr bedarf. Denn die gesetzlichen Regelungen betreffen zum einen das Bundesrecht – das Bundesbaugesetz –, aber sie betreffen mit den entspre chenden Kommunalabgabengesetzen auch landesrechtliche Regelungen.

Nun kommt hinzu, dass das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen hat: das verfassungsrechtliche Gebot einer zeitlichen Begrenzung für die Erhebung einer kommu nalen Abgabe. Dem kommt die Landesregierung jetzt mit die sem Gesetzentwurf nach. Wir schreiben eine zeitliche Aus schlussfrist von 20 Jahren als Vorteilsausgleich in das Gesetz hinein.

Diese Frist beginnt, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, mit der objektiven Vorteilslage für den Abgaben- und Beitrags pflichtigen, wie es das Bundesverfassungsgericht entschieden hat und wie es auch in der Gesetzesbegründung schon sehr ausführlich, wie wir meinen, erläutert wird.

Eine Vorteilslage ist für den Abgaben- und Beitragspflichti gen gut zu erkennen. Ich habe es bereits im Innenausschuss gesagt: Wenn z. B. das Wasser durch die Wasserleitung fließt oder das Abwasser durch die Kanalisation, wenn es dann auch noch bei der Kläranlage ankommt, dürfen wir feststellen, dass Beiträge für die Wasserversorgung und die Abwasserentsor gung verlangt werden können.

(Vereinzelt Beifall)

Gleiches gilt z. B. für eine Erschließungsstraße. Wenn der Ver kehr fließt, die Beleuchtung steht und auch der Gehweg fer tiggestellt ist, dann ist eine Erschließungsleistung grundsätz lich fertig und kann abgerechnet werden. Das muss keine 20 Jahre dauern; das kann eine Kommune auch in einem kürze ren Zeitraum sicherlich gut leisten.

Man muss wissen, dass Bundesstraßen, Landesstraßen und Kreisstraßen keiner Erschließungsbeitragspflicht unterliegen. Dann haben wir eventuell noch ein kleineres Problem mit Ortsstraßen, wenn diese nicht ganz fertiggestellt sind und noch erschlossen werden. Genau über diesen Punkt – in meinen Au gen sind das nur Einzelfälle – setzen wir uns bei dem Ent schließungsantrag der Oppositionsfraktionen auseinander. Ich glaube, dafür brauchen wir keine besondere gesetzliche Re gelung. Diese Einzelfälle können die Kommunen, können Bürgermeister, Oberbürgermeister und der Gemeinderat zu sammen mit den Abgabepflichtigen regeln.

Heute, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden 99 % der Erschließungsbeiträge schon zuvor festgelegt, weil Er schließungsträger tätig sind. Sie tun das bereits zuvor, sodass nachträglich keine Beitragsveranlagungen mehr notwendig sind.

Deshalb ist mir und der CDU-Landtagsfraktion der gemein same Entschließungsantrag der beiden Fraktionen von SPD und FDP/DVP auch nicht verständlich oder nachvollziehbar, zumal im Entschließungsantrag auch keine verbesserte Lö sung vorgeschlagen wird. Insbesondere wird noch einmal da rauf verwiesen, dass das Innenministerium in den Erläuterun gen und auch in den Auslegungen, die die Kommunen erhal ten, nochmals Hinweise gibt, wie diese Vorteilslage auszule gen und anzuwenden ist. Da stimmen wir mit der Fraktion GRÜNE überein.

Deshalb ist der vorliegende Gesetzentwurf in unseren Augen schlüssig. Er ist sicher und schafft Rechtssicherheit. Deshalb stimmt die CDU-Landtagsfraktion diesem vorliegenden Ge setzentwurf zu.

(Beifall)

Herr Abg. Hinderer, Sie haben jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich denke, dieser Gesetzentwurf ist ein schönes Beispiel dafür, dass es gut ist, ein Gesetz in zwei Le sungen zu beraten und dazwischen eine Ausschussberatung vorzunehmen.

Wir haben in der Ausschussberatung noch einmal festgestellt, dass, wie ich in der ersten Lesung bereits gesagt habe, viele Punkte im Kommunalabgabengesetz eigentlich unstrittig sind. Es geht um Anpassungen, es geht um Fragen des Datenschut zes, es geht um die Staffelung der Kindertagesstättengebüh ren – die besser ist als der jetzige Zustand, aber viel schlech ter als das, was wir vorschlagen, nämlich eine Befreiung. Auch die Änderung der Gemeindeordnung – Artikel 2 des Ge setzes – ist ja völlig unstrittig.

Nichtsdestotrotz ist dann in der Ausschussberatung etwas Schönes passiert, nämlich dass auch aufseiten der Regierungs fraktionen – zumindest bei den Grünen – nochmals ein Nach denken eingesetzt hat, und zwar dadurch, dass es einen Ver besserungsvorschlag aus den Reihen der Opposition gab, den wir in Form eines Entschließungsantrags eingebracht haben.

Es geht in der Tat noch mal um die Frage: Wann beginnt die Verjährungsfrist? Was ist der richtige Zeitpunkt zur Festset zung der Verjährungsfrist bei der Erhebung von Erschlie

ßungsbeiträgen? Dieser Entschließungsantrag betrifft diesen Sachverhalt. Wir haben gesagt: Der Zeitpunkt des Beginns der Verjährungsfrist müsste besser definiert werden. Wir haben dann bewusst auch eine offene Formulierung gewählt. Kolle ge Klein hat gerade kritisiert, dass wir keinen konkreten Vor schlag machen. Aber dieser Vorschlag lässt zumindest zu, dass man z. B. nach Bayern schaut, wo es eine Regelung gibt: 20 Jahre – meinetwegen auch 25 Jahre – nach Baubeginn einer Anlage und nicht nach einer vagen Fertigstellung, wo oftmals überhaupt nicht nachvollziehbar ist, wann die Fertigstellung eigentlich erfolgt.