Protokoll der Sitzung vom 16.12.2020

(Zurufe)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, Sie sind jetzt ruhig.

(Widerspruch des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [frak tionslos])

Nein, Sie sind jetzt bitte ruhig. – Herr Abg. Salomon hat wieder das Wort.

Na ja, er kann ja weiter reden. Die Beleidigungen, die er äußert, sprechen in dem Rah men für sich. Sie sind ja auch die Meinung dieser angeblichen Alternative. Deswegen stimmt mein Eingangskommentar durch aus, auch wenn Sie da wiederum gleich eskaliert haben. Den Hass, den spürt man bei Ihnen. Der sprießt aus jeder Pore.

(Zuruf)

Ich darf Ihnen noch einmal sagen: Dagegen stellen wir uns. Wir werden uns weiterhin hinter den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellen.

(Zurufe – Anhaltende Unruhe)

Wir werden ihn auch weiterhin gegen jegliche Anfeindungen, gegen jegliche Angriffe verteidigen, weil der öffentlich-recht liche Rundfunk ein wesentlicher Baustein unserer Demokra tie ist.

Vielen Dank.

(Beifall – Zurufe)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Haser.

Meine Damen und Herren, ich darf Sie insgesamt um mehr Ruhe bitten. Vielen Dank.

Jetzt hat Herr Abg. Haser für die CDU-Fraktion das Wort, und Herr Abg. Dr. Fiechtner, Sie sind jetzt bitte ruhig. Allmählich wird es echt peinlich. Auch Ihnen müsste es peinlich sein.

(Zuruf: Dem ist nichts peinlich!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD stellt in dem Titel ihrer Aktuellen Debatte die Frage „Was nun?“, nachdem es in

Sachsen-Anhalt keine Entscheidung mehr über eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 gibt.

Dieses „Was nun?“ ist einerseits mit einem einzigen Satz be antwortet, birgt andererseits aber auch die Frage, wie es in haltlich, also medienpolitisch, im Land weitergeht. Die kurze Antwort auf „Was nun?“ ist sehr einfach: Das werden die Ge richte entscheiden. Die Sender haben das Bundesverfassungs gericht angerufen, und in den vergangenen Jahrzehnten konn te man sich stets darauf verlassen, dass das Bundesverfas sungsgericht zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht. Am Ende – das ist unsere Einschätzung – wird an der Umsetzung dieses Medienänderungsstaatsvertrags, den auch wir in die sem Haus am 11. November verabschiedet haben, kein Weg vorbeiführen.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Glaskugel!)

Die Frage ist aber dann, wann diese Erhöhung kommt. Denn sie kann nicht rückwirkend in Kraft treten. Insbesondere an geschlagene Sender innerhalb der ARD trifft das verhältnis mäßig hart.

Wir in Baden-Württemberg profitieren wie so oft von unse ren guten Strukturen. Den SWR trifft die Nichterhöhung mo natlich mit 3 Millionen € bis zu dem Tag, an dem das Bundes verfassungsgericht die Beitragserhöhung eventuell doch noch erzwingt. Aber das sind im Monat 3 Millionen €, die der Sen der nicht hat und die irgendwo herausgeschwitzt werden müs sen – am Programm, an Mitarbeitern, an Investitionen in die fortschreitende Digitalisierung. Das alles ganz zu schweigen davon, dass die Mindereinnahmen bei der Landesanstalt für Kommunikation bedeuten, dass wir auch an dieser Stelle im Kampf gegen Fake News, in dem die LFK eine große Rolle spielt, geschwächt werden.

(Zurufe)

Wir, die CDU-Fraktion des Landtags von Baden-Württem berg, haben uns stets an die Entscheidung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – kurz: KEF – gehalten, und wir werden das auch in Zukunft tun. Das gilt auch entgegen anderslautenden Medienberich ten von gestern über eine Arbeitsgruppe einer Bundesfachaus schusssitzung, die der SPIEGEL veröffentlicht hat, weiter. Dieses Papier, in dem eine Neuordnung des öffentlich-recht lichen Rundfunks steht, hat diesen Bundesfachausschuss nie wirklich erreicht.

(Zuruf)

Es ist eine Idee, und für Ideen darf man in einer Demokratie auch offen sein, aber diese Idee ist gänzlich gescheitert.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist zwar das teuerste System der Welt, aber in Sachen Finanzen auch das am besten kontrollierte der Welt.

(Vereinzelt Lachen)

Im 22. Bericht – Achtung, jetzt wird es spannend! – der KEF, 412 Seiten dick, lässt sich auch nachlesen, wie es zu dieser Entscheidung kommt. 86 Cent Erhöhung gehen zurück auf ei nen angemeldeten Mehrbedarf von insgesamt 3 Milliarden € für die Beitragsperiode 2021 bis 2024. 1,5 Milliarden €, also

die Hälfte dieser Mehrbedarfsanmeldung, hat die KEF der ARD und dem ZDF bereits zusammengestrichen. Es blieben also nur noch 1,5 Milliarden € übrig, die eben dann am Ende zu dieser Erhöhung um 86 Cent auf 18,36 € im Monat führen.

(Zuruf)

Diese Erhöhung ist also genau berechnet. Sie sollte und sie darf deshalb nicht Gegenstand politischer Ränkespiele sein.

(Beifall)

Das heißt aber nicht, dass man nicht immer wieder über den Auftrag und die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutieren und sogar streiten darf und muss. Nur zu sagen: „So ist es, und so nehmen wir es hin“, das wäre für die Poli tik, glaube ich, zu wenig; das ist auch nicht unser Auftrag.

Hierzu liefert die KEF in ihrem 22. Bericht ja auch Vorlagen. Drei davon möchte ich aufnehmen.

Erstens: Die Enttäuschung über die Reformvorschläge aus dem System heraus ist insgesamt groß. In Sachen Strukturen verändert sich so gut wie nichts mehr. Auch dann, wenn, wie derzeit im Saarland, ganze Intendanzen verwaist sind, hat die Politik nicht den Mut, auf eigene Sendehäuser eventuell zu verzichten oder Fusionen anzustreben. Die letzte große Re form war der Zusammenschluss von SDR und SWF zum SWR. Seither kämpft hier jeder in dieser Bundesrepublik für Standorte, für Arbeitsplätze, für Wertschöpfungen in seinem Land.

Während sich die Welt dreht, On-Demand-Angebote wachsen und das Radio ins Internet wandert, blähen manche Sender sogar ihre Strukturen auf, anstatt sie zu verschlanken.

Wie viele Rundfunkräte braucht man wirklich, um die Gesell schaft abzudecken? Wie viele Programmdirektionen machen Sinn? Muss man sich in der Primetime tatsächlich wirtschaft lich selbstständige Moderatorenunternehmen zu horrenden Preisen einkaufen, die am Ende mehr politischen Einfluss ha ben als eine Bundestagsdebatte?

Manche ARD-Anstalten haben das Problem der Pensionslas ten noch immer nicht gelöst. Und dass nicht überlebensfähi ge Sender trotzdem am Netz bleiben, ist allein der Bereitschaft der anderen Sender wie z. B. des SWR zu verdanken.

Herr Abg. Haser, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Stickelberger zu?

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Vielen Dank, Herr Kolle ge. – Sie haben gerade die Standortfrage entwickelt. Da wür de mich Ihre Meinung dazu interessieren: Welchen der drei SWR-Standorte Mainz, Baden-Baden und Stuttgart würden Sie denn gern aufgeben?

(Vereinzelt Beifall)

Ich habe nicht die Standorte des SWR infrage gestellt, sondern ich habe die Frage gestellt, wie

viele Intendanzen die ARD insgesamt noch braucht. Das war nicht auf den SWR und nicht auf das Land bezogen, sondern das war auf die Intendanzen bezogen. Wir wissen, dass es zwei Häuser gibt, die seit Beginn zu wenig Beitragsaufkommen ha ben, um die Finanzierung der Häuser selbst aus eigener Kraft zu stemmen. Ich glaube, dass man irgendwann beginnen muss, darüber zu reden.

(Beifall)

Zweitens – damit komme ich schon zum Punkt; vielen Dank für die Überleitung, Herr Stickelbereger –: Es ist eben Aufga be der Politik, dafür zu sorgen, dass der Rundfunk in die Zeit passt. Denn der Auftrag ist es letztlich, der zu den Kostenstei gerungen führt, gepaart mit den Strukturen, die sich, wie in Baden-Württemberg auch, aus den Gesetzen ergeben. Beim Auftrag höre ich z. B. immer wieder, dass Unterhaltung in ei nem öffentlich finanzierten Programm nichts zu suchen habe oder dass es zu viel Sport im Programm gebe oder dass sich die Sender auf Nachrichten und Aktuelles konzentrieren soll ten.

Lustig wird es immer dann, wenn man fragt, auf welchen Sport man dann verzichten soll, wo denn die Grenze zwischen Nachrichten und Unterhaltung liegt oder ob es wirklich gut ist, wenn man den Menschen statt einer Auswahl im Abend programm zwischen Castingshow und anspruchsvollem deut schen Film nur noch die Castingshow übrig lässt.

Zu dieser Frage des Auftrags gehört auch die politische Inter pretation von Artikel 5 des Grundgesetzes. Sind es tatsächlich nur die Öffentlich-Rechtlichen, die die Basis unserer pluralis tischen Gesellschaft sind, oder sind das eben nicht auch Ra dios, Zeitungen und andere Medien? Wenn dem so ist: Ist der Medienbeitrag in seinen Verwendungsmöglichkeiten nicht eventuell irgendwann auch einmal weiter zu fassen, als es heu te der Fall ist?

Ein dritter Entwicklungsstrang lässt sich ebenfalls aus dem KEF-Bericht ableiten. Der rasante Übergang vom linearen zum On-Demand-Fernsehen ist eine große Chance, Kosten auf Dauer zu senken und gleichzeitig die Nutzung und damit auch die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins besondere bei der jungen Zielgruppe deutlich zu erhöhen.

Der SWR spielt hierbei mit der Verantwortung für die ARDMediathek und dem Auftrag zur Digitalisierung eine zentrale Rolle. Aber das erfordert große Investitionen. Diesen Über gang vom klassischen Fernsehen in digitalisierte Angebote sollten wir also schon aus purem baden-württembergischen Eigennutz heraus an allen drei Standorten – zwei in BadenWürttemberg, einer in Rheinland-Pfalz – nicht schwächen, sondern stärken.