Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine Damen und Herren! Bevor ich zu meiner Frage komme, möchte ich Ihnen ein paar aktuelle Informationen da zu geben, die Ihnen sicherlich nicht bekannt sind.
Während der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit kam es erneut – diesmal in Stuttgart – zu Sachbeschädigun gen am Eigentum mehrerer AfD-Politiker. Das Haus eines Landtagsabgeordneten wurde mit Farbe beschmiert, und es wurden zwei Autos zerstört. Am vergangenen Sonntag kam es bei einer Veranstaltung der AfD in Ludwigsburg sogar zu massiven körperlichen Attacken, auch auf ältere Personen.
Deshalb nun meine Frage an die Landesregierung: Wie schätzt die Landesregierung diese Gewalt gegen Andersdenkende, speziell einer bestimmten Partei, ein? Sieht sie die Täter im linksextremistischen Milieu? Was gedenkt sie zu tun, um ei ne solche systematische Gewalt gegen Andersdenkende künf tig zu unterbinden?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Die konsequente Bekämpfung politisch motivierter Straf taten jedweder Art hat für die Polizei in diesem Land einen sehr hohen Stellenwert. Im Jahr 2015 nahm die Zahl der po litisch motivierten Straftaten deutlich zu. Sie stieg von 2 136 auf 2 822 und erhöhte sich damit um 32,1 %, also um ein knappes Drittel. Damit liegen wir deutlich über dem Mittel wert von 2 200 Straftaten politisch motivierter Art im Zehn jahresvergleich.
Der Anstieg ist in allen Bereichen der politisch motivierten Gewalt signifikant. So stieg die Zahl der Straftaten im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität um 37 % auf 296 an; in 210 Fällen waren die Straftaten extremistisch mo tiviert. Bei 75 Straftaten handelte es sich um Gewaltdelikte. Der Anstieg steht im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Türkei sowie den Krisenregionen Syrien und Irak.
Im Bereich der politisch links motivierten Kriminalität war ein Anstieg der Zahl der Straftaten um 11,3 % auf 660 zu ver zeichnen. In 522 Fällen war die Straftat extremistisch moti viert, bei 156 Straftaten handelte es sich um Gewaltdelikte, die sich überwiegend im Rahmen von Demonstrationen er eigneten. In 91 Fällen ereigneten sich die Gewalttaten im Zu sammenhang mit Demonstrationen und Veranstaltungen von NPD, „Pegida“ oder AfD. Dabei hat die Asyl- und Flücht lingsthematik erheblich an Bedeutung gewonnen.
Im Bereich der politisch rechts motivierten Kriminalität ver doppelte sich die Zahl der Straftaten annähernd; sie stieg auf 1 604. Das ist eine Zunahme um 80,4 %. Die Straftaten wa ren in 1 484 Fällen extremistisch motiviert. Bei 76 Straftaten handelte es sich um Gewaltdelikte. Die Entwicklung lässt sich vor allem auf den Anstieg der Zahl der Straftaten mit frem denfeindlichem Hintergrund von 229 auf 607 Fälle zurück führen.
Im Bereich der sonstigen, nicht zuzuordnenden politisch mo tivierten Kriminalität sank hingegen die Zahl der Straftaten von 483 auf 272. Bei elf Straftaten handelte es sich um Ge waltdelikte. Die Aufklärungsquote erhöhte sich auf 41,8 %; im Vorjahr betrug sie 35,9 %. Im Bereich der Gewaltdelikte lag sie bei 61,3 %.
Zu den Maßnahmen der Sicherheitsbehörden: Die Sicherheits behörden in Baden-Württemberg haben die Kriminalitätslage im Bereich der politisch motivierten Kriminalität im Blick, analysieren diese fortlaufend und reagieren auf neue Entwick lungen. Sobald Hinweise auf Störungen der öffentlichen Si cherheit oder konkrete Straftaten bekannt werden, treffen die Sicherheitsbehörden anlassbezogen, unmittelbar und konse quent die erforderlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung. Dies gilt für alle Straftaten gleicherma ßen, unabhängig von der politischen Motivation, auf der die se im Einzelnen fußen. Es muss jedem klar sein: Straftaten, insbesondere Gewaltstraftaten, sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung und können es auch niemals sein.
Herr Innenminister, Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass ein großer Anteil der Straf taten im Umfeld von Demonstrationen stattfindet. Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um gewalttätige Aus schreitungen zu verhindern, auch im Vorfeld solcher Demons trationen?
Die Polizei macht das anlass- und lageabhängig. Wir versuchen natürlich, bestimmte Personen, die zu Gewalt taten neigen, die wir als solche identifizieren können, schon im Vorfeld solcher Ereignisse aus dem Verkehr zu ziehen, wenn Sie mir diesen etwas flapsigen Ausdruck erlauben, so dass sie nach Möglichkeit gar nicht zu diesen Veranstaltun gen gelangen.
Es gibt ganz unterschiedliche Arten von Demonstrationen. Wir versuchen, zu verhindern, dass etwa bei Demonstrationen von türkischen Mitbürgern oder von Mitbürgern mit einem türki schen Migrationshintergrund Gruppierungen, die eine unter schiedliche politische Motivation haben – beispielsweise die Nationalisten und die Kurden –, aufeinandertreffen, indem wir Demonstrationszüge so steuern, dass ein Zusammentreffen in solch emotionalisierten Lagen erst gar nicht stattfindet.
Dieses und ein weiteres Bündel von Maßnahmen, jeweils an lass- und lagebezogen, erledigt die baden-württembergische Polizei, und sie macht in diesem Bereich im Übrigen eine er folgreiche und sehr gute Arbeit.
Wohlfeile Reden hier. Man fühlt sich in diesem Land ja wirklich immer mehr allein gelassen. Ich bin übrigens dieser erwähnte Landtagsabgeord nete, dessen Haus mit Farbbeuteln beschmissen wurde. Ich kann nur konstatieren: Die Rechtssicherheit in diesem Land nimmt kontinuierlich ab.
Es ist auch interessant, wie Sie geantwortet haben. Die Frage ging um Linksextremismus. Sie hatten vor Kurzem eine Gro ße Anfrage der FDP/DVP beantwortet, in der 1 800 Straftaten erwähnt werden, die als rechts deklariert sind, 2 590 Strafta ten, die als links deklariert sind, und 3 165 islamistische Straf taten. Ich weiß nicht, wie Ihre jetzigen Zahlenwerke zustan de kommen.
Wie lassen sich die im aktuellen Verfassungsschutzbericht er wähnten 5 620 Delikte von Linksextremisten denn konkret in einzelne Straftatsegmente unterteilen?
Zum Zweiten: Wie viele der im Jahr 2015 in Baden-Württem berg registrierten linksextremistischen Straftaten wurden bis her aufgeklärt? Hat sich die Zuordnung als linksextremistisch, die ja im Vorfeld vorgenommen wird, bestätigt, und welche Strafen haben denn solche Inquisiten, solche Täter, verbüßen müssen? Ich weiß ja aus leidvoller Erfahrung, dass manche Gewalttäter immer wieder auftreten, und ich frage mich: Was geschieht denn da eigentlich?
(Vereinzelt Beifall – Staatssekretärin Friedlinde Gurr- Hirsch: Vier Fragen! Das ist ein bisschen arg viel!)
Herr Abgeordneter, bestimmte Fragen, beispiels weise was die Verurteilungen angeht, kann Ihnen der Innen minister sowieso nicht beantworten. Dann waren die Fragen teilweise so konkret – wie teilt sich das jetzt exakt auf in der Art der Straftaten? –, dass ich Ihnen jedenfalls für das vergan gene Jahr empfehlen würde, einen Blick in den Verfassungs schutzbericht zu werfen,...
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD signalisiert, an ei nem Saalmikrofon stehend, eine weitere Frage stel len zu wollen.)
Wissen Sie was? Gerade aus dem linksextremistischen Be reich quält mich eigentlich das, was Sie wohlfällig umtreibt, nicht so sehr. Mich treibt um, dass insbesondere aus dem linksextremistischen Bereich zunehmend Straftaten gegen un sere Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten verübt werden. Das geht nun überhaupt nicht.
Nein, Sie sind noch nicht dran. Ich rufe Sie auf. Es gibt eine Reihenfolge. Setzen Sie sich bitte einfach.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Ich stand, bis er meine Frage beantwortet hatte, am Mikrofon! Das ist Landtagsordnung!)
Unterlassen Sie bitte in Zukunft diese Bemerkungen! Wenn Sie ein Problem haben, können wir das gern im Präsidium be sprechen.
Richtig ist: Wenn Sie aufgerufen werden, begeben Sie sich zu einem Saalmikrofon und stellen die Frage und warten nicht ab bis zur nächsten Frage. Sie warten bitte. Wenn ich Ihnen das Wort erteile, können Sie gern zu einem Saalmikrofon ge hen und dann Ihre Frage an den Minister richten.
Sehr geehrter Herr Innenmi nister Strobl, im Landtagswahlkampf gab es eine sehr große, in die Hunderte gehende Zahl von Sachbeschädigungen, die auch zur Anzeige gebracht wurden. In Hunderten dieser Fäl le handelte es sich dabei um die Beschädigung von Plakaten oder von Großplakaten. In einer sehr großen Zahl dieser Hun derte zur Anzeige gebrachten Fälle wurden diese Plakate mit verbotenen Nazisymbolen beschmiert. Sind diese Straftaten unter den rechtsextremistischen Straftaten in der Statistik er fasst worden, und hat sich vielleicht deshalb die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten so stark erhöht?