Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Sehr geehrter Herr Innenmi nister Strobl, im Landtagswahlkampf gab es eine sehr große, in die Hunderte gehende Zahl von Sachbeschädigungen, die auch zur Anzeige gebracht wurden. In Hunderten dieser Fäl le handelte es sich dabei um die Beschädigung von Plakaten oder von Großplakaten. In einer sehr großen Zahl dieser Hun derte zur Anzeige gebrachten Fälle wurden diese Plakate mit verbotenen Nazisymbolen beschmiert. Sind diese Straftaten unter den rechtsextremistischen Straftaten in der Statistik er fasst worden, und hat sich vielleicht deshalb die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten so stark erhöht?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Heiterkeit des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Zunächst einmal will ich Ihnen, sehr geehrter Ab geordneter, sagen, dass viele Parteien unter diesen Sachbe schädigungen leiden. Das ist nicht nur eine Partei, sondern das ist ein Problem vermutlich für alle Parteien, jedenfalls für vie le.

Zum Zweiten: In Wahljahren beobachten wir insgesamt eine Zunahme der Zahl politisch motivierter Straftaten. Das brin gen Wahlkämpfe offensichtlich so mit sich, dass auch die Zahl der Straftaten in die Höhe geht. Das ist ein Punkt, den wir auch in diesem Jahr 2016, verbunden mit der Landtagswahl, zu be obachten haben.

Ich kann Ihnen die Frage, wie das Aufkleben von Nazisym bolen, Hakenkreuzen und anderem mehr auf Wahlplakate ein geordnet wird, in welchem Bereich das notiert wird, aus dem Stand nicht beantworten. Ich wage mich aber einmal so weit vor, dass ich Ihnen sage: Das signifikante Ansteigen der Zahl der politisch rechtsmotivierten Straftaten hängt damit nicht zusammen.

(Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Vielen Dank!)

Danke schön. – Jetzt haben Sie, Herr Abg. Dr. Fiechtner, das Wort.

Die Geschäftsordnung des Landtags habe ich übrigens gelesen. – Ich möchte die Fra gen noch einmal stellen. Sie wurden Ihnen ja vorhin genannt.

In welche Delikte lassen sich die 5 620 im aktuellen Verfas sungsschutzbericht angegebenen linksextremistischen Straf taten für das Jahr 2015 in Baden-Württemberg unterteilen?

Zweitens – zwei Fragen darf man stellen –: Wie viele der im Jahr 2015 in Baden-Württemberg registrierten linksextremis tischen Straftaten wurden bisher aufgeklärt?

Sie können die Antworten, wenn Sie sie jetzt hier nicht prä sentieren können, natürlich gern schriftlich nachreichen.

Ich habe die Frage beantwortet, Herr Abgeord neter.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Nein! Sie haben auf den Verfassungsschutzbericht verwiesen!)

Ich wiederhole meine Antwort: Diese statistischen Daten ent nehmen Sie bitte dem Verfassungsschutzbericht, den ich Ih nen gern zuleite. Vielleicht finden wir auch jemanden, der es Ihnen vorliest.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Es gibt weitere Fragen, zu nächst eine Frage des Herrn Abg. Hinderer.

Herr Innenminister, die beste Methode, Straftaten zu verhindern, ist die Prävention. Kön nen Sie etwas dazu sagen, welche Maßnahmen die Landesre gierung ergreift, um präventiv gegen Gewalt im Bereich des politisch motivierten Extremismus zu wirken?

Herr Abg. Hinderer, es ist ein Schwerpunkt un serer Arbeit, dass wir im präventiven Bereich tätig sind, um politisch motivierte Straftaten bereits im Vorfeld zu verhin dern. Es gibt in Stuttgart ein Kompetenzzentrum, das bereits von meinem Amtsvorgänger auf den Weg gebracht wurde. In diesem Kompetenzzentrum wird eine außerordentlich segens reiche präventive Arbeit im Bereich der Islamismusradikali sierung, aber auch beim Thema Extremismus und natürlich auch im Bereich der Gewaltprävention geleistet.

Andere Sicherheitsbehörden wie beispielsweise unsere Poli zeien sind selbstverständlich ebenfalls im präventiven Bereich tätig. Das fängt damit an, dass wir an den Schulen tätig sind – nicht, wie viele glauben, nur beim Thema Verkehrserzie hung, sondern etwa auch beim Thema Drogen und beim The ma Gewaltprävention. Es ist im Grunde genommen ein Schwerpunkt der Arbeit dieser Landesregierung, dass wir im präventiven Bereich sehr, sehr viel machen. Ich glaube, dass sich das, was wir hier in Baden-Württemberg gemeinsam leis ten, durchaus sehen lassen kann.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Gibt es weitere Fragen? – Ei ne Frage des Herrn Abg. Dr. Murschel.

Vielen Dank. – Herr Mi nister, ich hätte noch eine Frage. Denn bei den Fragen der AfD klang es gerade so an, als gäbe es unterschiedliche Gewich

tungsansätze bei der Bewertung von Gewalttaten von links oder von rechts. Gibt es da tatsächlich eine unterschiedliche Bewertung? Werden „harmlose Taten“ von rechts außen – so klang es hier an – wie Beschmierungen oder das Zeigen von Symbolen gleich gewichtet wie „schwere Taten“ von Linken? Gibt es also eine unterschiedliche Betrachtung in Abhängig keit davon, ob links oder rechts, oder gibt es eine einheitliche Vorgehensweise bei der Beurteilung von Abläufen?

Gott sei Dank, Herr Abgeordneter, stellen Sie mir diese Frage, sodass ich ein mögliches Missverständnis besei tigen kann.

Die Antwort ist ganz klar – in einem Wort –: Nein. Jedwede Straftat, die politisch motiviert ist – jedwede! –, wird ohne Unterschied mit aller Konsequenz und aller Gründlichkeit im Rahmen der Möglichkeiten, die die baden-württembergischen Sicherheitsbehörden haben, verfolgt. Die politische Motiva tion im Einzelnen spielt keine Rolle – jedwede Straftat.

Es gibt weitere Fragen. – Herr Abg. Dr. Podeswa.

Herr Innenminister, es ist sehr verständlich, dass Sie die Frage ohne Vorbereitung nicht beantworten können. Uns würde aber in der Sache interessie ren, ob dann – ganz konkret –, wenn Wahlplakate durch Be schmieren mit verbotenen nationalsozialistischen Symbolen beschädigt werden, diese Straftat in der Statistik als rechtsex treme Straftat, als linksextreme Straftat oder unter Sonstiges erfasst wird. Wären Sie bereit, diese Frage möglicherweise schriftlich zu beantworten?

Selbstverständlich.

Danke schön.

Jetzt haben wir weitere Wort meldungen. – Herr Abg. Dr. Fiechtner, bitte.

Herr Minister, nachdem ich bereits zweimal Opfer solcher Straftaten oder zweimal Op fer einer Sachbeschädigung war – von den Beleidigungen ein mal abgesehen –, frage ich Sie: Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung zu treffen, um solche Dinge in Zukunft präventiv zu verhindern, gerade bei Veranstaltungen z. B. mei ner Partei, der Alternative für Deutschland, oder eben auch bei Mandatsträgern? Welche Möglichkeiten sehen Sie, dass diejenigen, die Opfer solcher Straftaten wurden, auf den an gerichteten Schäden nicht selbst sitzen bleiben?

Herr Abgeordneter, wenn Sie Opfer von Strafta ten geworden sind, bedaure ich das sehr. Ich darf Ihnen aber sagen: Die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg haben die politisch motivierte Kriminalität – noch einmal: unabhän gig davon, was für eine Motivation es im Einzelnen ist – im Blick. Das gilt selbstverständlich auch und möglicherweise gerade für Straftaten, die sich gegen Parteien, gegen Personen oder gegen Abgeordnete richten.

Nach entsprechenden Gefährdungssachverhalten wurden durch das Landeskriminalamt in enger Abstimmung mit den

regionalen Polizeipräsidien bereits Gefährdungsbewertungen erstellt sowie – darauf aufbauend – die erforderlichen Polizei maßnahmen durch das Innenministerium angeordnet, also bei spielsweise regelmäßige polizeiliche Bestreifung, Durchfüh rung von Sicherheitsgesprächen, Festlegung von Meldewe gen, Angebote für kriminalpräventive Beratung und anderes mehr.

Bei einer entsprechenden Gefährdungslage führt die Polizei mit den betroffenen Parteien bzw. den Abgeordneten Sicher heitsgespräche. Auch mit der AfD nahm die Polizei in diesem Zusammenhang bereits Kontakt auf.

Sie sehen, die baden-württembergischen Sicherheitsbehörden schützen die Parteien und Abgeordneten ohne Ansehen neut ral und umfangreich. Wer dies in Zweifel zieht, diskreditiert in unverantwortlicher Weise die hohe Integrität unserer Poli zeibeamtinnen und Polizeibeamten.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Es gibt weitere Wortmeldun gen. – Herr Abg. Räpple.

Schönen guten Tag! Herr Minister, ich habe eine Frage zum Thema „Politische Jugendorganisa tionen und politischer Extremismus“: Ist Ihnen bekannt, in wieweit z. B. die Grüne Jugend, die Jungen Piraten oder auch die Linksjugend SDS in Aufrufe zur Gewalt gegenüber An dersdenkenden involviert waren bzw. inwiefern auch die Par tei Die Grünen für Gewalttaten gegen Andersdenkende – ins besondere die AfD – verantwortlich ist?

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Das braucht man gar nicht zu beantwor ten!)

Derartige Sachverhalte sind mir nicht bekannt. Wenn Sie entsprechende Verletzungen strafrechtlicher Bestim mungen vermuten, ist es Ihnen aber unbenommen, diese auf dem geordneten Weg zur Anzeige zu bringen.

Jetzt habe ich noch Wortmel dungen. – Herr Abg. Stein.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie spra chen gerade davon, dass Gewalttäter die volle Strafe im Rah men des Gesetzes erhalten würden, sofern dies möglich ist. Wie erklären Sie sich aber, dass dann, wenn man einmal Per sonen dingfest macht, die Plakate abgerissen haben, die Ver fahren eingestellt werden?

Das kann ich im Einzelfall nicht beurteilen. Die Einstellung solcher Strafverfahren ist im Übrigen nicht dem Geschäftsbereich des Innenministeriums zuzurechnen, son dern geschieht in aller Regel durch einen Staatsanwalt bzw. durch einen Richter. Insofern wäre der Herr Justizminister der richtige Ansprechpartner hierfür.

Ich habe noch eine Wortmel dung des Herrn Abg. Palka.

Herr Minister Strobl, ich bin einer derjenigen, deren Plakate durch Beschmieren mit nati onalsozialistischen Emblemen beschädigt wurden. Alle Hoch achtung für die Polizei in Schwaigern. Ich hatte den Vorfall angezeigt. Ich habe auch sehr gute Hilfe bekommen. Aber wenn ich dann von der Oberstaatsanwältin einen Brief bekom me mit der Bemerkung, das gehöre zur freien Meinungsäuße rung, dann zweifle ich irgendwo an unserem Rechtsstaat.

Wo ist Ihre Frage?

(Abg. Peter Hofelich SPD: „Wie sehen Sie das?“)

Wie beurteilen Sie das? Ich formuliere es einmal so.

Herr Abgeordneter, ich hätte Ihren Beitrag schon auch als eine Frage interpretiert. Ich muss Ihnen allerdings – – Nein, ich will zwei Vorbemerkungen machen, bevor ich auf den eigentlichen Kern komme.

Die erste Vorbemerkung ist, dass ich auch Ihnen sagen möch te: Wenn Sie Opfer solcher Straftaten geworden sind, bedau re ich dies sehr.