Protokoll der Sitzung vom 09.11.2016

Die erste Vorbemerkung ist, dass ich auch Ihnen sagen möch te: Wenn Sie Opfer solcher Straftaten geworden sind, bedau re ich dies sehr.

Zweitens will ich mich ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie einmal klargestellt haben, dass nämlich, nachdem Sie den Vor fall zur Anzeige gebracht haben, die Polizei vor Ort eine gu te Arbeit gemacht hat.

(Beifall bei der AfD und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Machen sie immer!)

Es ist nicht die Aufgabe des Innenministers – da bitte ich um Verständnis –, das zu kommentieren, was Staatsanwälte, Ober staatsanwälte oder Gerichte machen. Das steht mir nicht zu. Deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich Ihnen diese Fra ge nicht beantworten kann. Ich möchte das auch nicht kom mentieren.

(Zuruf von der AfD: Danke!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir mit diesem Thema durch.

Ich rufe das dritte Thema auf, das von der Fraktion GRÜNE angemeldet wurde:

N a t u r s c h u t z g e b i e t e i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g

Wem darf ich das Wort erteilen? – Frau Abg. Lisbach.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Die Naturschutzgebiete bei uns im Land ha ben eine sehr wichtige Funktion zur Erholung der Menschen, aber auch für den Erhalt der biologischen Vielfalt, und die ist ja durch den Rückgang der Zahl der Tier- und Pflanzenarten bekanntlich durchaus bedroht.

Wir fragen deshalb die Landesregierung, wie sie die Situati on der Naturschutzgebiete und die diesbezügliche Entwick lung im Land in den letzten Jahren einschätzt und was sie in den nächsten Jahren hinsichtlich der Ausweisung zusätzlicher Naturschutzgebiete vorhat.

Vielen Dank. – Für die Beant wortung erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Baumann das Wort.

Frau Präsidentin! Frau Lisbach, vielen Dank für die Frage. Naturschutzgebiete sind in Baden-Württemberg und in Deutschland eines der wich tigsten Instrumente zur Sicherung der biologischen Vielfalt und zur Förderung von wertvollen – auch für die Menschen wertvollen – Gebieten.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurden in BadenWürttemberg konsequent Naturschutzgebiete ausgewiesen. Wir haben derzeit in Baden-Württemberg 1 053 Naturschutz gebiete mit einer Gesamtfläche von 86 231 ha, was einen An teil an der Landesfläche von 2,42 % ausmacht. Nochmals: In den vergangenen Jahren wurden konsequent Naturschutzge biete ausgewiesen. Unter Minister Vetter gab es in BadenWürttemberg eine sehr große Welle bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten.

Durch das hervorragende Naturschutzinstrument Natura 2000 ist die Anzahl der pro Jahr ausgewiesenen Naturschutzgebie te ein wenig gesunken. Dafür ist aber über Natura 2000 der Anteil der Schutzgebietsfläche in Baden-Württemberg deut lich gestiegen. Natura-2000-Gebiete, FFH- und Vogelschutz gebiete, sind aber keine Naturschutzgebiete.

In der Naturschutzstrategie Baden-Württemberg, die vor we nigen Jahren verabschiedet wurde – sie wurde vom früheren Naturschutzminister Peter Hauk auf den Weg gebracht und von Minister Alexander Bonde vorgestellt –, wurde den Na turschutzgebieten eine besondere Bedeutung beigemessen. Ei ner der ungefähr 30 Schwerpunkte der Naturschutzstrategie Baden-Württemberg ist, nicht unbedingt neue Naturschutzge biete auszuweisen, sondern die Naturschutzgebiete, die wir haben, in ihrer Qualität zu überprüfen. Es soll ein Konzept vorgelegt und umgesetzt werden, das die Qualität der Natur schutzgebiete in Baden-Württemberg erhebt und verbessert. Denn es kommt nicht nur auf die Quantität an, sondern auch auf die Qualität, wenn es darum geht, die in den Schutzge bietsverordnungen dargelegten Ziele für die Naturschutzge biete auch zu erreichen.

Die Naturschutzgebiete haben also weiterhin eine sehr hohe Bedeutung für den Naturschutz und für die Erholung der Men schen in Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Wort für die nächste Fra ge hat Frau Abg. Rolland.

Herr Staatssekretär Baumann, ich habe eine Frage. Sie haben zwar gerade gesagt, die Quantität sei nicht so wichtig, dennoch bedeuten, soweit ich weiß, die absoluten Zahlen, die Sie gerade genannt haben, relativ, dass die Naturschutzgebiete in Baden-Württemberg 2,4 % der Lan desfläche ausmachen. Im Bundesdurchschnitt sind es 3 %.

(Abg. Winfried Mack CDU: Baden-Württemberg ist auch dichter besiedelt!)

Ich denke schon, dass der Ansporn Baden-Württembergs sein muss, zumindest den Bundesdurchschnitt zu erreichen. Wie gedenkt die Landesregierung dies zu tun?

Vielen Dank für die Frage. – Wir arbeiten ganz konsequent daran, dass wir auch weitere naturschutzwichtige Flächen in Baden-Württemberg als Naturschutzgebiete ausweisen. Es können nur solche Ge biete als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden, die natur schutzwürdig und naturschutzbedürftig sind. Die Umsetzung des Naturschutzinstruments Natura 2000 ist zentral.

Wir, auch die Umweltverbände, die gesellschaftlichen Kräf te, haben aber gemeinsam im Rahmen der Naturschutzstrate gie beschlossen – das wurde auch dem Minister vorgelegt, und es wurde entsprechend umgesetzt –, die Naturschutzgebiete erst einmal auf ihre Qualität zu überprüfen und diese zu ver bessern.

In den nächsten Jahren werden aber naturschutzwürdige und naturschutzbedürftige Gebiete in Baden-Württemberg auch ganz konsequent als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Das ist in den vergangenen Jahren passiert und wird auch in den nächsten Monaten und Jahren erfolgen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Für die nächste Frage erteile ich Herrn Abg. Dr. Murschel das Wort.

Herr Staatssekretär, ich würde gern nochmals auf den Punkt, den Sie am Anfang an gesprochen haben, zurückkommen. Sie hatten ausgeführt, dass die Naturschutzgebiete selbstverständlich einen besonders ho hen Stellenwert haben, aber Natura-2000-Gebiete – Vogel schutzrichtlinie, FFH-Gebiete – auch stark im Kommen sind und flächenmäßig einen größeren Anteil – ich meine, derzeit sind es 11 % – ausmachen sowie teilweise mit Naturschutz gebieten verzahnt sind.

Wie sehen Sie die Entwicklung bei der Neubewertung dieser FFH-Gebiete in Beziehung zu den Naturschutzgebieten? Er gänzen sie sich? Gibt es Synergieeffekte, aufgrund derer man Flächenschutz optimieren kann?

FFH-Gebiete und Vo gelschutzgebiete unterscheiden sich von Naturschutzgebieten darin, dass sie – erlauben Sie mir den Ausdruck – keine Kä seglocke über die Landschaft sind, sondern dass die Ziele des Naturschutzes auf der Fläche mit den Försterinnen und Förs tern sowie den landwirtschaftlichen Betrieben flexibel erreicht werden.

Man kann innerhalb von Natura-2000-Gebieten floaten – so heißt auf Neudeutsch der Fachterminus. Das bedeutet, dass ein Schutzziel, das auf einer Fläche nicht erreicht werden kann, dann auf einer anderen Fläche erreicht wird. Es ist ge rade für die Landwirtschaft, aber auch für Försterinnen und Förster sehr sinnvoll, dass unter dem Strich die Gesamtfläche der schutzwürdigen Flächen und die Erhaltungsziele des Ge biets beibehalten bleiben, aber sehr viel flexibler mit der ge schützten Natur umgegangen werden kann.

Das ist bei Naturschutzgebieten mit einer festen Verordnung weniger einfach. Da müssen Befreiungen beantragt werden. Deswegen ist in den vergangenen Jahren in Baden-Württem berg das Instrument Natura 2000 sehr viel deutlicher umge setzt worden. Nichtsdestotrotz ist es für manche Gebiete drin gend notwendig, dass auch der etwas strengere Schutz über Naturschutzgebiete vorgenommen wird.

In der Bevölkerung bedeutet die Ausweisung einer Fläche als Naturschutzgebiet auch noch ein besonderes Prädikat. Wir wissen, dass sehr viele Gemeinden, sehr viele Bürgermeiste rinnen und Bürgermeister stolz sind, dass sie das Prädikat „Naturschutzgebiet“ auf ihrer Gemarkung haben. Mit Natur schutzgebieten kann geworben werden und wird auch gewor ben, weil Naturschutzgebiete auch wichtige Erholungs- und Tourismusgebiete in Baden-Württemberg sind.

Es gibt noch eine Frage der Frau Abg. Lisbach.

Herr Staatssekretär, Sie hat ten ausgeführt, es sei ganz wichtig, die Qualität der Schutz gebiete in den Fokus zu rücken. Können Sie vielleicht noch näher ausführen, welche Maßnahmen hier infrage kommen und auch in der Strategie der Landesregierung vorgesehen sind?

2015 wurde ein Kon zept – so wie in der Strategie beschrieben – vorgelegt. Jetzt werden in einer Pilotphase, die 2016 gestartet ist, in einem Landkreis in jedem Regierungsbezirk insgesamt 88 Natur schutzgebiete untersucht. Dabei werden verschiedene Indika toren betrachtet: die Artenanzahl, die Fläche von besonders wertvollen Biotopen, aber auch die Anzahl der Wege und die Wegedichte. Betrachtet wird auch, wie die in der Schutzge bietsverordnung dargestellten Schutzziele umgesetzt werden. Das wird untersucht. Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir diese natürlich, sofern wir gefragt werden, dem Landtag gern vorstellen.

Vielen Dank. – Wir haben kei ne weiteren Wortmeldungen, wobei die Zeit für die Regie rungsbefragung auch fast um ist.

Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt. Vielen Dank.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD – Gesetz über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum Baden-Württemberg (Verschleierungs verbotsgesetz Baden-Württemberg – Verschleierungs VerbG BW) – Drucksache 16/478

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für So ziales und Integration – Drucksache 16/830

Berichterstatter: Abg. Ulli Hockenberger

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Herrn Abg. Mai er.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Tagen wur de die aktuelle Sendung von Anne Will im Land heiß disku tiert. Ich kann Ihnen sagen, dass auch ich von den Äußerun gen der Schweizer Konvertitin Nora Illi entsetzt bin.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der AfD und der SPD)

Werbung für den IS und die Verharmlosung terroristischer Ge waltakte sind verabscheuungswürdig – egal, ob man so etwas sagt, während man Bluejeans trägt oder einen Nikab. Das ist und bleibt Ausdruck einer menschenfeindlichen Ideologie, un abhängig von der Kleidung, die getragen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Öffentlich- rechtlicher Rundfunk!)

Für uns steht fest: Die Vollverschleierung hat nichts mit un seren Vorstellungen von einer freien und offenen Gesellschaft zu tun und grenzt Frauen von der Teilhabe am öffentlichen Leben aus.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der AfD)

Ein undifferenziertes, generelles Burkaverbot hat aber auch nichts mit einer freien und offenen Gesellschaft zu tun und grenzt Frauen ebenfalls aus. Es sollte wohl klar sein, dass kein Mensch, egal, ob Mann oder Frau, ob christlich, muslimisch oder atheistisch, zur eigenen Befreiung gezwungen werden kann. Denn am Ende hat eine Frau, die unfreiwillig eine Bur ka trägt, bei einem generellen Burkaverbot nicht nur trotzdem weiterhin mit Unterdrückung zu kämpfen; sie hat auch noch unter einer Stigmatisierung und einer wachsenden Feindse ligkeit gegen ihre Religion zu leiden.