Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

(Abg. Wilhelm Halder GRÜNE: Das war überhaupt nicht Gegenstand des Ausschusses!)

In einer Demokratie brauchen wir die Möglichkeit, dass alle partizipieren können, wirklich ausnahmslos alle. Auch die Meinungsbildung muss vor einer Wahl gewährleistet sein.

Ein weiterer Einspruch stimmt mich persönlich nachdenklich. Das Landtagswahlgesetz schließt Personen, die für geschäfts unfähig befunden wurden, sprich für deren Besorgung aller Angelegenheiten ein Betreuer bestellt worden ist, von den Wahlen aus. Der Einspruch legt nahe, dass wir es uns mit die ser Regelung vielleicht zu einfach machen. Die Gründe dafür, dass Menschen ihre Geschäftsfähigkeit verlieren, sind vielfäl tig. Manchmal sind Menschen, die nicht mehr geschäftsfähig sind, trotzdem in der Lage, politische Zusammenhänge zu er kennen, vielleicht manchmal sogar besser als manche ge schäftsfähigen Menschen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Diese Frage, ob und in welchem Umfang es an dieser Stelle einer Änderung des Wahlgesetzes bedarf, nehme ich für mich in dieser Legislaturperiode mit. Es gibt bereits eine Studie, die die Bundesregierung in Auftrag gegeben hat, die diese Sache prüft, und das ist gut so.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Genau! Eben!)

Das wird vielleicht auch von anderen Fraktionen noch einge bracht werden, und dafür bin ich auch dankbar.

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Das ist schon einge bracht!)

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Auf Bundesebene!)

In Zeiten, in denen überall Toleranz gefordert wird, sollten wir darüber nachdenken, ob das Gesetz an diesem Punkt nicht aus Vorurteilen geboren wurde.

Ich würde gern noch auf die Frage des Abg. Binder eingehen, wobei meine Redezeit jetzt abgelaufen ist. Ich überziehe viel leicht ein paar Sekunden mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsiden tin.

Ein paar Sekunden.

Als Vorsitzender des Wahlprü fungsausschusses des Landtags von Baden-Württemberg wer de ich mich nicht in interne Sachen in anderen Bundesländern einmischen.

(Zuruf des Abg. Wilhelm Halder GRÜNE)

Ich bin aber ganz klar dafür, dass Dinge sorgfältig geprüft werden und da, wo sie nicht in Ordnung sind, auch bemängelt werden. Es wundert mich allerdings, dass in Sachsen zwei Jahre nach der Wahl immer noch keine Entscheidung getrof fen worden ist. Ich frage mich, warum der Wahlprüfungsaus schuss dort nicht dazu in der Lage ist. Wir haben in BadenWürttemberg zwei Sitzungen zur Abarbeitung der Wahlein sprüche gebraucht.

(Zurufe der Abg. Nicole Razavi und Siegfried Lorek CDU)

Die Frage ist: Ist der Sachverhalt zu komplex, oder gibt es an dere Gründe, etwa dass man taktisch kurz vor der Bundestags wahl etwas reinbringen möchte, um da jemandem eins auszu wischen? Oder ist es etwa so – was ich noch viel eher glaube –, dass die alten, etablierten Parteien die Sorge haben und sich einfach nur davor schützen möchten, bei einer eventuellen Neuwahl Mandate zu verlieren?

(Abg. Sascha Binder SPD: Sie müssen sich entschei den, ob Sie sich einmischen wollen oder nicht!)

Die CDU würde nach den aktuellen Umfragen sieben bis zwölf Mandate verlieren. Allein das ist ein Grund für sie, kei ne Neuwahlen durchführen zu wollen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Abg. Sascha Binder SPD: Er hat die Erklärung zu Sachsen damit begonnen, dass er sich in Sachsen nicht einmischen will!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Gall.

Frau Präsidentin, werte Kollegin nen, werte Kollegen! Ja, bei uns ist es so: Jeder Wahlberech tigte kann die Gültigkeit einer Landtagswahl anfechten. Die Entscheidung darüber wird durch den Wahlprüfungsausschuss vorbereitet – das haben wir gemacht –, und über die Einsprü che und über das Ergebnis des Wahlprüfungsausschusses ent scheidet dann der Landtag; das machen wir am heutigen Abend.

Mir ist es schon wichtig, noch einmal deutlich zu machen, dass es insgesamt nur sieben Einsprüche gegeben hat. Sieben Einsprüche bei 7,7 Millionen Wahlberechtigten – schon allein dies spricht doch dafür, dass wir – gerade bei Wahlen – einen funktionierenden Staat mit funktionierenden Institutionen und Einrichtungen haben.

Deshalb will auch ich ganz herzlich all jenen Dank sagen, die dafür Sorge getragen haben – übrigens über viele Jahrzehnte hinweg –, dass es gut und richtig funktioniert, dass es rechts staatlich sauber funktioniert. An erster Stelle sei die Landes wahlleiterin Frau Friedrich genannt, die nicht nur die Wahlein sprüche bearbeitet hat, sondern – das weiß ich aus eigener Er fahrung – gerade im Vorfeld von Wahlen – auch dieser Wahl – mit einer unheimlichen Fleißarbeit unter hohem persönli chen Einsatz der gesamten Mannschaft Fragen beantwortet und darauf hinweist, wo vielleicht etwas nicht so laufen könn te, wie es laufen muss, wodurch schon dafür Sorge getragen wird, dass die Wahlen bei uns so ablaufen, wie sie ablaufen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der Grünen und der CDU)

Einige Einsprüche, meine Damen und Herren, wenden sich dagegen, dass den Einsprechern die Teilnahme an der Wahl verweigert worden sei oder sie an der Wahl gehindert worden seien. Einige Einsprecher ziehen auch einzelne Bestimmun gen des Wahlrechts in Zweifel. Der Wahlprüfungsausschuss hat festgestellt, dass diese Wahleinsprüche zwar zulässig sind

nach Auffassung des Ausschusses sind zumindest fünf zu lässig, einer eher grenzwertig und einer nicht zulässig –, sie aber letztlich zurückzuweisen sind, weil sie in der Sache un begründet sind.

Ich will auch noch einmal deutlich machen: Unter den sieben Einsprüchen befindet sich nicht ein einziger Einspruch, der ein Fehlverhalten von ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern zum Inhalt hat.

Deshalb ist es schon richtig, was hier angesprochen worden ist – auch ich will dieses tun –, dass kritikwürdig ist, was die AfD im Vorfeld dieser Wahl diesbezüglich gemacht hat, als sie sich nicht zu schade war, eine Kampagne zur Wahlbeob achtung zu initiieren und damit in der Tat alle Wahlhelferin nen und Wahlhelfer unter einen Generalverdacht zu stellen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Um es noch einmal deutlich zu machen – da können Sie den Kopf schütteln oder nicht –: Es gibt beispielsweise vom AfDKreisverband Ludwigsburg auf Basis eines bundesweit ver breiteten Flyers die Aussage und den Hinweis, wie das denn zu geschehen hat. Wörtlich heißt es:

Schauen Sie den einzelnen Auszählern über die Schulter... Achten Sie vor allem darauf, dass gültige Stimmen nicht in ungültige verwandelt werden und dass niemand Stimm zettel verschwinden lässt.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Unglaublich!)

Was ist dies anderes als ein Generalverdacht, den Sie damit ausgesprochen haben?

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Sie, Herr Meuthen, haben bei einer Podiumsdiskussion der „Stuttgarter Zeitung“ diese Idee verteidigt. „Das halten wir für sinnvoll“, haben Sie gesagt.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ja!)

Nach seiner Darstellung

also Ihrer –

gibt es Befürchtungen, dass das Wahlergebnis... manipu liert werden könnte.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Auch dazu sage ich Generalverdacht. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Wenn Sie Anstand haben, dann entschuldigen Sie sich heute bei den Wahlhelferinnen und Wahlhelfern für diese Kampag ne.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD meldet sich. – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Gall, lassen Sie ei ne Zwischenfrage zu?

(Abg. Wilhelm Halder GRÜNE: Er kann eine persön liche Erklärung abgeben!)

Einen Punkt möchte ich doch noch ansprechen, was das The ma Landtagswahlrecht anlangt, weil auch dies Teil der Ein sprüche gewesen ist. Es besteht Konsens hier im Landtag, dass wir uns mit dem Landtagswahlrecht befassen werden. Aber es ist mir schon wichtig, deutlich zu machen – Frau Walker, da muss ich Sie ansprechen –: Es war in diesem Haus Kon sens, dass die Änderung des Landtagswahlrechts im Einver nehmen, in der breiten Mehrheit der demokratischen Verant wortungsparteien erfolgt. Deswegen gab es mit Blick auf die Einwendung, die Sie gemacht haben, gar keinen Anhaltspunkt dafür, zu sagen, notfalls machten Sie dies allein. Ich will aus drücklich sagen: Wir haben Interesse daran. Es gibt wirklich berechtigte Forderungen, auch unserer Partei, dass dort etwas geändert werden soll. Ich möchte darum werben, dass wir die sen guten Stil auch bei der anstehenden Landtagswahlrechts änderung beibehalten.