die individuelle Förderung bestmöglich umgesetzt wird. Bei den offenen Ganztagsangeboten waren es 63 %.
Derzeit wird in allen bildungspolitischen Diskussionen die Qualität an unseren Schulen wie ein Mantra beschworen. Wa rum wollen Sie dies nun bei den Ganztagsschulen nicht als Kriterium an die erste Stelle setzen?
Wir, die Grünen, stehen zur Wahlfreiheit. Eltern sollen selbst entscheiden können, ob ihr Kind die Ganztagsschule wählt oder nicht. Diese Wahlfreiheit wird durch das bestehende Ge setz erfüllt.
Wenn aber Eltern den Besuch einer Ganztagsschule wählen, dann ist für uns eines völlig klar: Der pädagogische Mehrwert und die Qualität stehen dabei an erster Stelle. Dies sollte auch für alle anderen gelten, die sonst immer das Hohelied für mehr Qualität an unseren Schulen singen.
Sehr geehrter Herr Präsident, wer te Kolleginnen und Kollegen! Für uns alle steht heute außer Frage, dass wir ein Ganztagsbetreuungsangebot an unseren Schulen brauchen. Das ist nicht nur eine Feststellung, das ist Programm. Unsere Diskussion dreht sich also nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Wie soll das Ganztagsangebot ausgestaltet werden, was sind die Leitgedanken und Zielset zungen? Dabei empfehle ich uns allen, die Bedürfnisse der Eltern und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt unserer Überlegungen zu stellen.
Wenn ich in mein persönliches Umfeld schaue, dann erkenne ich sehr unterschiedliche Erwartungen. Da ist einmal eine jun ge Familie, die sich dafür entschieden hat, dass ein Partner für die Kinder da ist und seine berufliche Tätigkeit unterbricht. Nicht umsonst haben wir Instrumente entwickelt, die dies nicht nur respektieren, sondern auch ausdrücklich unterstüt zen.
Da ist zum anderen eine junge Familie, die sich für eine zü gige Rückkehr ins Berufsleben entschieden hat und dazu auf Betreuungsangebote vertraut. Auch für diese Vorstellung müs sen wir ein passendes Angebot machen.
Für mich ergibt sich daraus die Erwartung, dass ein künftiges Ganztagsangebot unterschiedlichen Lebensentwürfen glei chermaßen gerecht wird. Ich bin mir dabei durchaus bewusst: Das ist eine anspruchsvolle Erwartung. Ein Ganztagsangebot soll die Eltern entlasten, aber zweifellos nicht bevormunden. Der Schlüssel liegt in der Wahlfreiheit.
Ja, es soll für Kinder und Jugendliche möglich sein, eigenes Engagement – im Verein, als Sportler, als Musiker oder als Ministrant – zusammen mit Freunden in der außerschulischen Zeit zu verwirklichen.
Und es soll ein organisiertes Angebot geben – verlässlich und attraktiv. So kann den unterschiedlichen Bedürfnissen von Fa milien am besten entsprochen werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, der morgige Ganztagsgipfel ist eine gute Gelegenheit, die Vor- und Nach teile des bestehenden Ganztagsangebots zu erörtern und Ver besserungen zu vereinbaren. Eltern, Lehrer, Schüler, die An bieter außerschulischer Angebote aus den Bereichen Sport, Musik, Kunst und Kirche, Schulträger, Vertreter der Wirtschaft können dort ihre Erfahrungen mit dem bisherigen Ganztagsan gebot einbringen.
Daher werden wir dem Beschlussteil des Antrags der FDP/ DVP heute nicht zustimmen, denn wir sind bereits auf dem Weg der Weiterentwicklung. Lassen Sie uns morgen bitte erst zuhören, was die Erkenntnisse und Themen des Ganztagsgip fels sind – zuhören, dann die Weichen stellen, dann entschei den. Aus dieser Vielzahl von Informationen morgen gilt es dann die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Für mich steht dabei ein Ziel fest: Wir müssen die Vereinbar keit von Beruf und Familie weiter verbessern, ohne dabei an deren Familien das Recht auf mehr Zeit mit ihren Kindern zu beschneiden. Das wird nicht ohne Kompromisse und Zuge ständnisse gehen. Nicht jeder Elternwunsch ist erfüllbar, nicht jede organisatorische Hürde ist unüberwindbar.
Erstens: Ganztagsschule soll noch mehr die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Dazu kann eventuell auch ei ne engere Verzahnung mit anderen Angeboten wie Hort oder verlässliche Grundschule beitragen.
Zweitens: Ganztagsschule ist nicht Aufbewahrung oder Füll material, sie braucht ein Angebot an Betreuung von hoher Qualität,
Drittens: Anbieter außerschulischer Angebote sollen echte Partner der Schulen sein, mit denen eine längerfristige Zusam menarbeit angestrebt wird – zuverlässig und kompetent.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen eine erfolgreiche Zukunft des Ganztagsangebots mit Wahl freiheiten – im Interesse der Eltern, zum Wohl der Kinder und als qualitatives Angebot in einem Bildungsland Baden-Würt temberg.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der AfD und der FDP/DVP – Zurufe von der CDU: Bravo!)
Sehr geehrter Herr Präsident, geschätzte Kollegen Abgeordnete, meine Damen und Herren! Über was debattieren wir heute? Wir diskutieren laut dem An trag der FDP/DVP über einen „Flickenteppich“ – zumindest wurde es in den Medien im März dieses Jahres so genannt. Wir reden über die Zunahme von Ganztagsbeschulung, über grün-rote Politik. Wir fragen: Warum will die Regierung mehr Ganztagsbeschulung durchsetzen?
Laut den Angaben in der Drucksache 16/64 hatten wir im Schuljahr 2011/2012 1 408 und im Schuljahr 2015/2016 2 083 Schulen mit Ganztagsangebot – dies ist eine Zunahme um über 40 %. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ste hen tatsächlich der Bedarf, der Wunsch der Schüler und der Familien hier im Vordergrund? Oder stehen andere Ideen, möglicherweise ein anderes Gesellschaftsbild, hinter diesem Konzept? Diesem Eindruck kann man sich nicht ganz entzie hen.
und nur wenige waren es wirklich freiwillig und immer gern. Ich selbst war bei der damaligen Diskussion in den Achtziger jahren froh, dass der Kelch des fast täglichen Nachmittagsun terrichts weitgehend an mir und meinen Klassenkameraden vorübergegangen ist.
Die eigentliche persönliche Entwicklung fand woanders statt: nachmittags im Sportverein, beim Spielen mit den Freunden.
Hinter dem Schulkonzept der verpflichtenden Ganztagsschu le der grünen Landesregierung steht nicht ein Zeitplan, son dern eine Schulutopie. Doch vieles deutet, wie das Gutachten der Universität Tübingen zur Geschwister-Scholl-Schule ge zeigt hat, darauf hin, dass diese Utopie längst zerbrochen ist. Wir haben darüber schon gesprochen.
Die IQB-Studie hat eklatante Schwächen dieser Bildungspo litik aufgezeigt. Betreuung – dieses Wort ist mir vorhin wie der aufgefallen – statt Wissen und Lernen. In der Ganztags schule werden die Kinder der Erziehung und den Förderungs möglichkeiten durch die Eltern eher entzogen.
Aber Lernen erfolgt nicht nur in der Schule. Wenn der ange hende Flugzeugingenieur keine Zeit mehr hat, sein Modell flugzeug auf der grünen Wiese zu erproben, wenn der zukünf tige Profisportler nicht mehr genug Zeit hat, das zu trainieren, was er in der Schule nicht trainieren kann, was nützt dann die Schule?
Alles das, was in der Schule als Ersatz angeboten wird, reicht nicht im Entferntesten, meine Damen und Herren, an den Leis tungsstandard heran, den der junge Mensch in privater Initi ative und aus freiem Willen zu entwickeln bereit ist.
Und das ist nicht das, wofür diejenigen angetreten sind, die tatsächlich eine Förderung der individuellen Begabungen ha ben wollen.