Protokoll der Sitzung vom 23.11.2016

Und das ist nicht das, wofür diejenigen angetreten sind, die tatsächlich eine Förderung der individuellen Begabungen ha ben wollen.

Interessanterweise wissen Sie das eigentlich sogar selbst: Das neue schöne Wort lautet „Rhythmisierung“ – das klingt wie „Schöne neue Welt“.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Auf Seite 27 des Koalitionsvertrags beschreiben Sie die Fort setzung des grün-roten bildungspolitischen Kurses. Was, mei ne Damen und Herren, bedeutet Rhythmisierung eigentlich? Eine pädagogische Notwendigkeit, also keine Willkür. Ich darf mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, aus der Stellungnah me zu dem vorliegenden Antrag zitieren:

... jeden einzelnen Schultag für die Kinder bewusst zu ge stalten und dafür Sorge zu tragen, dass Phasen des kon zentrierten Lernens sich abwechseln mit Bewegungsan geboten, mit musisch-kulturellen Angeboten, mit Entspan nung, Kommunikation usw.

Meine Damen und Herren, auf Deutsch ist Abwechslung ge meint.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

Und dafür sorgt ein guter Lehrer eigentlich sowieso.

Wir haben schon einmal über die Schule, über die Ziele des Unterrichts gesprochen. Diese sollten am Vormittag erreicht werden. Die zusätzliche Bewegung, den Leistungssport, das Musisch-Kulturelle, insbesondere auch die Entspannung, das machen wir privat – zu Hause oder im Verein.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, verbirgt sich hinter diesem Kon zept nicht eine Betreuung – der Begriff ist schon einmal ge fallen – möglicherweise zur Beeinflussung der Kinder und Ju gendlichen? Denn ich habe aus eigener Erfahrung bereits am Anfang meiner Ausführungen gesagt:

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Was kommt jetzt?)

Die jungen Leute wollen gar nicht so lange in der Schule blei ben. Sie sind froh, wenn sie einmal mit anderen Jungs und Mädchen zusammenkommen – und nicht immer nur mit ih ren Klassenkameraden unter Aufsicht eines Lehrers.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Ba ron AfD: Genau!)

Sie schreiben ja selbst – ich darf nochmals zitieren –:

Die Rhythmisierung steht dafür, dass die Kinder die län gere Verweildauer in der Ganztagsschule gut bewältigen...

Weil man das sonst fast nicht aushalten kann.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Und: Die Kinder sollen

aus den einzelnen Angeboten für sich Gewinn ziehen kön nen.

Ja, da schau hin! Eine freiwillige Teilnahme am Mathematik unterricht, oder was ist damit gemeint?

(Heiterkeit des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Genau das wollen wir eigentlich nicht.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Wenn man keine Ah nung hat, sollte man nichts sagen!)

Natürlich wird das Angebot nicht flächendeckend sein. Viel mehr dürfen die Eltern in eigener Verantwortung auswählen, ob ihr Kind am Ganztagsbetrieb teilnimmt oder nicht. Was folgt daraus? Es gibt mittags also keine Leistungsnachweise. Und was sagt ein kluger Schüler? Dann ist es aus Sicht des Schülers überflüssig, dorthin zu gehen.

Meine Damen und Herren, wenn nur eine Schule mit gebun denem Ganztagsangebot am Ort ist, dann müssen die Eltern so lange fahren, bis sie für ihr Kind eine Schule mit offenen Wahlformen finden. Damit wollen Sie Artikel 6 des Grundge setzes gewahrt sehen. Das Kind darf also den Schulbezirk wechseln.

An dieser Stelle muss ich wiederholen: Sie, die Politik, wir alle sollten die Schulen...

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, bevor Sie sich wiederholen, bitte ich Sie, zum Ende zu kommen.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen und der SPD)

... – danke – ein paar Jahre in Ruhe lassen und arbeiten lassen.

Meine Damen und Herren, wir stehen für Bürgerrechte, für eine echte Wahlfreiheit zwischen Fremd- und Eigenbetreuung von Schülern. Insofern unterstützen wir den Antrag der FDP/ DVP-Fraktion als einen Minimalkonsens.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Kleinböck.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen, liebe Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Vielleicht rücken wir das Ganze einmal ein bisschen zu recht. Eine Ganztagsschule gibt es dann, wenn die Eltern mit der Schule gemeinsam einen Kompromiss finden, wie das für die jeweilige Schule aussehen soll,

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Für die Mehrheit der Eltern!)

wie der Schulträger, der dann den Antrag stellen muss, den Antrag auch zu formulieren hat. Insofern sage ich: Da ist jetzt einiges etwas falsch herübergekommen.

Ich glaube, es ist hier allen bekannt, dass wir, die SPD, am Ausbau der Ganztagsschule festhalten und dass für uns die Einrichtung der gebundenen oder rhythmisierten Form das Ziel ist. Denn nur so kann unseres Erachtens Qualität auch verlässlich erreicht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nur so kann das Ziel von mehr Bildungsgerechtigkeit reali siert werden.

Meine Damen und Herren, alle seriösen Studien sprechen sich für die gebundene Ganztagsschule aus. Die neueste Bertels mann-Studie wurde bereits zitiert. Zwei Sätze daraus:

Eltern geben Ganztagsschulen gute Noten... Vor allem gebundene Ganztagsschulen punkten, indem sie gut indi viduell fördern.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Aber die Zahlen sprechen doch glatt dagegen!)

Wir, die SPD, sagen schon seit Jahren: Nicht nur der Betreu ungsfaktor und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind Gründe dafür, mehr Ganztagsangebote einzuführen. Ganztags schulen bieten auch bildungspolitisch Möglichkeiten, das bis herige Schulsystem zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, um beispielsweise Kinder zu fördern, die durch ihr soziales Umfeld nicht oder zu wenig ge fördert werden und deshalb benachteiligt sind. Meine Damen und Herren, Ganztagsschulen sorgen damit für mehr Bildungs gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Der Deal, der im Rahmen dieser Debatten mit den kommuna len Landesverbänden 2014 abgeschlossen wurde, war, dass das Land die zusätzlichen Lehrerstunden inklusive Finanzie rung des Mittagsbands bezahlt und die Kommunen die Be treuungsangebote vor und nach der Schule finanzieren. Ich weiß, dass einige Kommunen diesen Deal zum Anlass genom men haben, die bisherigen kommunalen Betreuungsangebote zu kürzen. Dass der Städtetag jetzt mit einem 17-Punkte-Pa pier zusätzliche Finanzmittel fordert, ist für mich angesichts der Mehrbelastung der Kommunen von 250 Millionen € nach vollziehbar. Der Druck auf die Kommunen ist ja wirklich im mens, und die Aufgaben werden immer mehr.

Übrigens verstehe ich dann wirklich nicht, dass der Minister präsident Geld vom Bund für den Ausbau der Ganztagsschu len ablehnt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die FDP/DVP will flexible Ange bote. Ich sage: Die ermöglicht das Schulgesetz schon. Ich blei be auch dabei. Im Vorfeld der Diskussion um die Änderung des Schulgesetzes hat der Schulausschuss des Städtetags das Konzept klar formuliert. Grundschulen können in Wahlform – bislang offen oder teilgebunden – oder in verbindlicher Form – bislang gebunden – an drei oder vier Wochentagen Ganztagsschulen sein. Die Zulassung der Wahlform war da bei ein Kompromissangebot an die Eltern, ein Einstieg über die Wahlform, um dann in eine gebundene Ganztagsschule überzuwechseln. So sehen das übrigens auch Bürgermeister und andere Kommunalpolitiker, mit denen ich dazu im Ge spräch bin.

Ich darf hier auch noch einmal deutlich machen: Wenn ich das 2014 allein hätte entscheiden können, hätte ich mich aus schließlich für die gebundene Form ausgesprochen. Wie ge sagt: Das Gesetz war ein Kompromiss.