Herr Minister Strobl, der so gern darüber referiert, wer und was eine Schande für Deutschland sei – heute haben sich ja diesbezüglich noch mehr Kollegen dazu geäußert –, darf ab jetzt gern die Familienpolitik der CDU mit in seine Liste auf nehmen.
Unsere zusammenfassende politische Bewertung dieses Haus haltsplans sieht folgendermaßen aus: Er wird ganz klar durch die Handschrift der Grünen dominiert. Dass sich die CDU hier einbringen konnte, ist, wie leider zu erwarten, jedenfalls in diesem Einzelplan nicht zu erkennen. Insgesamt wäre es ehr licher, wenn wir von einem Ministerium für Umerziehung und Bevölkerungsaustausch reden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer dann, wenn man nach der sogenannten Alternative für Deutschland an dieses Rednerpult tritt – zu mindest mir geht es so –, frage ich mich, ob ein Teil meiner Diäten nicht auch Schmerzensgeld sind.
Dies ist die Überschrift des Kapitels im grün-schwarzen Ko alitionsvertrag, welches im Wesentlichen das Programm des Sozial- und Integrationsministeriums für diese Legislaturpe riode beschreibt. Aber auf die Innovationen, die uns Herr Mi nister Lucha in vielen Reden mit wirklich schönen Worten verspricht, warten wir vergebens.
Mit großen Worten angekündigt waren bisher z. B. die Um setzungsschritte der Landesregierung hinsichtlich der Emp fehlungen der Enquetekommission „Pflege“. Nicht nur wir waren gespannt, nein, auch die externen Fachleute. Als uns die Bewertungen der Landesregierung zu den Empfehlungen der Enquetekommission nach Fristverlängerung endlich vor lagen, erwiesen sich diese beim Lesen als heißer Dampf. Für die Umsetzungsschritte, für die im Haushaltsplan 3 Millio nen € angesetzt sind, haben wir bisher zwei Fristverlänge rungsersuchen – zuletzt bis zum 30. April 2017 – erhalten. Al so auch hier gibt es bisher nur Ankündigungen.
Und so geht es weiter. Obwohl die grün-schwarze Koalition es für selbstverständlich hält, dass Kinder- und Jugendarbeit verbindliche Förderungen und Rahmenvereinbarungen benö tigt, hat uns Minister Lucha in seinem Teil des Landesjugend plans 2017 vor acht Wochen eine Perspektive vorgelegt, die im Wesentlichen mit dem Jahr 2016 endet. Da sind die 2,5 Mil lionen € für den Pakt für die Jugend genau wie bei der Pfle geenquete auch noch gesperrt, weil hier bisher keine Inhalte vorliegen. Also auch hier gibt es nur Ankündigungen.
Noch schlimmer sieht es bei der Krankenhausfinanzierung aus. Ich zitiere wörtlich aus dem Interview des Ministers in der „Stuttgarter Zeitung“ vom 2. Januar dieses Jahres:
Das Land Baden-Württemberg hat die Mittel für Investi tionen in den vergangenen Jahren deutlich erhöht.... Im aktuellen Doppelhaushalt 2015/2016 sind es 455 Millio nen € pro Jahr. Dieses Niveau wollen wir halten. Zudem ruft Baden-Württemberg die Bundesmittel aus dem Kran kenhausstrukturfonds komplett ab. Zu den 63,7 Millio nen € legt das Land noch einmal die gleiche Summe drauf.
Das heißt, wir müssten in der Summe 455 Millionen € plus 64 Millionen €, also 519 Millionen € an Landesmitteln im Staatshaushaltsplan einsetzen. Davon sind wir aber mit den 461 Millionen €, die dort stehen, weit entfernt.
Sie, Herr Minister Lucha, nehmen die Kofinanzierung aus dem bisherigen Ansatz, also keine zusätzlichen Landesmittel. Das ist eine deutliche Diskrepanz zu Ihren vorherigen Aussagen.
Heute haben Sie die Chance, diesen Fehler zu korrigieren, und haben noch einmal die Gelegenheit, unserem Antrag, den wir schon im Finanzausschuss vorgelegt hatten, zuzustimmen.
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Einschub machen, um nicht nur zu kritisieren, sondern auch etwas Positives er wähnen.
Es ist sicherlich nicht einfach im Hinblick darauf, dass in vie len Kreistagen derzeit beschlossen wird, Abteilungen und Krankenhäuser zu schließen, und die Bürgerinnen und Bür ger natürlich beunruhigt sind. Sie haben jetzt die Aufgabe, vor Ort ein Stück für Ruhe zu sorgen und keine falschen Verspre chungen zu machen. Ich denke, das gelingt Ihnen ganz gut, und da wissen Sie uns auch an Ihrer Seite.
Die Träger unserer Krankenhäuser brauchen aber die Mittel wirklich, um sich zukunftsfest aufzustellen und durch Kon zentration Versorgungsqualität sicherzustellen. Das ist einfach wichtig; sonst würde unser Sozialminister wortbrüchig.
Behindertenhilfe: Hier kürzt Sozialminister Lucha gegen in tensive Proteste die Investitionsförderung für die Behinder tenheime und die -werkstätten um knapp 1 Million €. Mein Kollege Hinderer hat soeben schon nachgefragt.
Meine Damen und Herren in den Koalitionsfraktionen, mit Ihrer Ablehnung unseres Gegenantrags dazu im Finanzaus schuss bremsen Sie gemeinsam mit dem Sozialminister den von uns einmal gemeinsam eingeschlagenen Weg für die In klusion gerade von Menschen mit schweren Behinderungen. Dass die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sowie der sogenannte Gültstein-Prozess nun in Baden-Würt temberg ins Stocken geraten, liegt in der Verantwortung des Sozialministers sowie der Grünen und der CDU hier im Par lament.
Noch ergänzend: Wie wir mit dieser Bremse die Einzelzim mer-Norm in der Landesheimbauverordnung in der Behinder tenhilfe innerhalb der gegebenen Frist umsetzen wollen, ist mir völlig schleierhaft.
Es gibt noch weitere Punkte, bei denen sich der grüne Teil der Landesregierung von dem mit uns gemeinsam eingeschlage nen Weg von 2011 bis 2016 entfernt hat. Beim CSD-Empfang der Landesregierung am 30. Juni verkündete Minister Lucha wörtlich – ich zitiere –:
Die baden-württembergische Landesregierung wird den in der letzten Legislaturperiode unter grün geführter Re gierung eingeschlagenen Kurs für die Gleichstellung von LSBTTIQ-Menschen konsequent weiterverfolgen.
Er stellte dann drei bisher aus dem Landeshaushalt geförder te Projekte aus dem LSBTTIQ-Engagement vor.
Nur wenige Wochen später beschließt die Landesregierung mit dem Entwurf für den Staatshaushaltsplan auf Vorschlag von Minister Lucha, die Mittel für genau diese Projekte auf null zu setzen. Wie nennt man das? Unglaubwürdig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter die Kategorie Tarnen aus dem Gesamtprogramm „Täuschen, Tricksen, Tarnen“ fällt die Nummer, die uns von der grün-schwarzen Landesregie rung und speziell von Minister Lucha beim Mehrlingsgebur tenprogramm vorgelegt wurde.
Ohne irgendeine öffentliche Diskussion und auch ohne eine Verkündigung nach außen – etwa gegenüber den Familienver bänden oder den Schwangerenberatungsstellen – wurde von Minister Lucha im Kleingedruckten des Entwurfs des Einzel plans 09 auf Seite 107 vermerkt:
Erst durch die Kleine Anfrage meines Kollegen Andreas Ken ner Ende letzten Jahres ging dieses Thema in die Öffentlich keit und war darüber Anfang Januar auch in mehreren Zeitun gen zu lesen.
Jetzt haben Sie im Ausschuss unseren Antrag abgelehnt und einen eigenen Antrag vorgelegt, dessen Mittelansatz aber mit 200 000 € deutlich unter dem Ist der Vorjahre mit 300 000 € liegt. Sie scheinen ja zu hoffen, dass es weniger Drillings- und Vierlingsgeburten gibt, oder Sie spekulieren schlicht auf den Nachtrag.