Protokoll der Sitzung vom 12.10.2017

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Denn es war in der letzten Legislaturperiode, als das Bildungs ministerium eben Geburtshelfer und Totengräber zur gleichen Zeit war. Geburtshelfer deswegen, weil Sie Schulen geneh migt haben, die nicht hätten genehmigt werden dürfen.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Und Totengräber deswegen, weil Sie mit der Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung heute dafür sor gen,

(Abg. Sascha Binder SPD: Warum haben Sie es nicht wieder eingeführt?)

dass, wenn sich Eltern gegen einen Schultyp oder gegen eine Schule wenden, dann nach drei Jahren Schluss ist, und das ist das Problem. Denn für den Konkurrenzkampf unter den Se kundarstufenschulen war die Gemeinschaftsschule nie ge dacht.

Schauen Sie sich das Regelwerk an. Die Abschaffung der Ver bindlichkeit der Grundschulempfehlung, die Vereinheitlichung der Lehrerausbildung für die Sekundarstufen, die Genehmi gung der schwachen Standorte, das alles macht doch nur dann Sinn, wenn ich davon ausgehe, dass es irgendwann nur noch einen Schultyp gibt, und der heißt Gemeinschaftsschule, und so war das System aufgebaut.

(Zurufe von der SPD: Nein, nein, nein! – Unruhe)

Kurz vor knapp haben Gott sei Dank die Grünen darauf re agiert, als aus ihrer eigenen Klientel heraus die Nachricht kam: „Wir wollen die Gymnasien erhalten“, obwohl die Grü ne Jugend, Frau Schwelling, vor der Wahl noch erklärt hat, die Gemeinschaftsschule könne nur funktionieren, wenn das Gymnasium abgeschafft werde.

(Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! – Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Das möchte ich jetzt nicht. – Bleibt die Frage, wie wir die Gemeinschaftsschulen fit ma chen für diesen Wettbewerb. Da müssen wir auch einmal wie der auf die Fakten schauen. Fakt ist: 270 der 304 Gemeinschafts schulen, die heute am Markt sind, sind ehemalige Haupt- und Werkrealschulen. An der Klientel, die an diese Schulen geht, hat sich in den allermeisten Fällen nichts geändert.

(Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das mag an einzelnen Standorten anders sein.

Zwei Drittel der Schüler, die heute in Klasse 5 anfangen, kom men auf G-Niveau, nämlich 64,3 %; 27 % kommen auf M-Niveau. Herr Fulst-Blei, wozu brauche ich Gymnasialleh rer in großer Zahl an der Gemeinschaftsschule, wenn nur 8,4 % auf E-Niveau in diese Schule kommen?

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Das sagt doch Ihre Ministe rin selbst! Sie widersprechen gerade Ihrer eigenen Ministerin! Ihr habt eben kein Interesse an Förde rung!)

Im Spiel der Kräfte der Sekundarschulen ist die Gemein schaftsschule eine Aufsteigerschule. Sie kann eine Aufsteiger schule sein. Es gibt viele Elemente an der Gemeinschaftsschu le, die ausgezeichnet sind. Dazu gehört z. B., dass, wenn ich

in Mathematik nicht besonders gut bin, das nicht heißt, dass ich auch in einem anderen Fach auf Hauptschulniveau unter richtet werden müsste. Es besteht also die Möglichkeit, dass jemand auch tatsächlich an seine Grenzen gehen kann. Das ist außerordentlich positiv.

Es gibt auch viele, viele andere Dinge, z. B. reformpädagogi sche Ansätze eines anderen Klassenzimmermodells. Der In put, das Selbsterarbeiten von Themen usw. sind Elemente, die wir auch bei gymnasialen Schulen – z. B. bei „Lernen hoch 3“ – sehen. Das heißt, wir müssen die Gemeinschaftsschule qua si auch einmal in ihre Teile zerlegen und uns fragen: Was funktioniert denn, und was funktioniert nicht?

(Beifall der Abg. Nicole Razavi CDU)

Denn das Problem, als wir die Gemeinschaftsschule „gebaut“ haben, war, dass wir den reformpädagogischen Kühlschrank geöffnet haben und von dem Tiramisu über die Gurke bis zum Fleisch alles herausgenommen haben, in einen Topf gewor fen haben, es umgerührt haben und uns hinterher fragen, wa rum es nicht schmeckt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD)

Wir haben ein großes Bündel von Maßnahmen im Köcher, mit dem wir diese Schulen fördern können. An der Schule meines Freundes, von der ich vorher gesprochen habe, werden längst wieder Klassenarbeiten geschrieben; es gibt auch längst wie der Noten. Das meldet natürlich niemand dem Ministerium, aber die sagen natürlich auch: Die sind jetzt in der achten Klasse, in der neunten, in der zehnten. Wie sollen die denn die Prüfung schaffen, wenn man nicht weiß, wo sie stehen? Und wenn ich dem Schüler immer die Beantwortung der Frage überlasse, wann er sich fit genug fühlt, um geprüft zu werden, dann funktioniert es am Ende schlicht und einfach nicht.

(Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl!)

Wir stärken die Schulen z. B. darin, dass wir ihnen die Mög lichkeit bieten, ab Klasse 8 Lerngruppen zu bilden. Wir star ten jetzt einen Schulversuch, in dem wir ab der Klasse 8 die Möglichkeit zum offenen Ganztag geben, und wir haben in meinen Augen sehr fair für den Übergang in die restlichen Schulen gesorgt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich bitte um mehr Ruhe im Plenarsaal.

Wenn wir die Gemeinschafts schule als das betrachten, was sie ist, diese Aufsteigerschule, die unten ansetzt, die alle aufnimmt und die jedem eine Mög lichkeit für einen Weg nach oben gibt, dann bekommen wir auch Ruhe ins System. Wenn wir immer wieder anfangen, der Gemeinschaftsschule eine Rolle zuzuordnen, die sie in dem System schlicht und einfach nicht hat und nicht haben kann, dann tun wir niemandem einen Gefallen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP/DVP)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Balzer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen Abgeordne te!

Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt

singt die liebe Pippi Langstrumpf. Einige linke, oft grüne Par teien meinen – –

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kollegen, ich darf um Ruhe bitten.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Balzer zitiert Nah les! – Gegenruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Er singt wenigstens nicht wie Frau Nahles!)

Ich könnte auch singen, aber das muss heute nicht sein.

(Zuruf von den Grünen: Nein, bitte nicht! – Unruhe)

Sie können sich die Welt machen, wie es Ihnen gefällt. Aber wir können uns die Welt nicht machen, wie sie uns gefällt; denn wir haben es – zumindest häufig – mit objektiven Tatsa chen zu tun.

Die IQB-Studie, die am Freitag veröffentlicht wird, belegt laut „Mannheimer Morgen“ und anderen Zeitungen wieder einmal das Absacken der Schülerleistungen, besonders in BadenWürttemberg. Wenn ich Frau Boser zuhöre, Herrn Haser zu höre, dann muss ich sagen, es war heute ein sehr großer Un terschied in den Auffassungen bezüglich der Schulen zu hö ren. Könnte man das als Uneinigkeit in der Koalition inter pretieren?

(Beifall bei der AfD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist halt ein Wettstreit um die beste Lösung! – Heiterkeit)

Das ist sehr gut, Herr Röhm. – Tatsache scheint mir eines zu sein, wenn ich mir die Schülerzahlen anschaue: Die Eltern haben anscheinend mit den Füßen abgestimmt. Man muss feststellen, die Gemeinschaftsschule ist anscheinend geschei tert. Dieser Tatsache muss man in die Augen schauen.

Es geht hier auch nicht darum – wie es im Titel heißt –, etwas gut- oder schlechtzureden, sondern es geht darum, zu fragen, ob etwas gut oder schlecht ist und welche Lösungen man da raus ableitet.

Es ist wie bei der Währung, dem Euro: Eurorettung, wozu? Eine gute Währung wie die D-Mark, den Dollar, das Pfund oder die chinesische Währung braucht man nicht zu retten. Das ist überflüssig.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der SPD: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt!)

Retten musste man vielleicht die italienische Lira; das wurde auch gemacht. Die griechische Währung wurde auch gerettet.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wann kom men Sie endlich zu den Flüchtlingen?)

(Heiterkeit)

Wenn die fünf Jahre alte Gemeinschaftsschule ein Erfolgsmo dell wäre, dann müsste man sie auch nicht unterstützen. Aber anscheinend ist sie eine Ruine,